Porträt: Champagne Fleur de Miraval

2021 ist mein Buch „Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen“ erschienen. Damals fiel es mir ausgesprochen schwer, unter den Hunderten erstklassig arbeitenden Champagnerproduzenten eine Auswahl zu treffen. Deswegen gibt es online auf Sur-la-pointe eine Fortsetzung! Teil 6 widmet sich einem Haus, das ausschließlich Rosé-Champagner produziert.

4 Minuten Lesezeit

Geschichte

Champagne Fleur de Miraval ist eine Kooperation zweier Partner: eines Champagnerwinzers und eines Weinguts in der Provence. Letztes ist ebenfalls ein Gemeinschaftsunternehmen. Es ist also etwas kompliziert – und weil einer der Teilhaber ein Hollywood-Star ist, muss man ein wenig ausholen. Im Grunde geht es um drei Familien, symbolisiert im Logo PPP, das für Péters-Perrin-Pitt steht. Miraval, der zentrale Namensbestandteil bezieht sich auf ein uraltes Anwesen in der Provence. Das war in den Siebzigerjahren einmal ein berühmtes Tonstudio, in dem Alben wie „The Wall“ von Pink Floyd aufgenommen worden waren. 1992 wurden Schloss und Land vom Amerikaner Tom Bove gekauft, der den Weinbau wiederbelebte. 2008 zieht das Hollywood-Traumpaar Angelina Jolie und Brad Pitt als Mieter ein, 2011 kaufen sie Miraval. 2013 beginnt die Zusammenarbeit mit Marc Perrin von einer der führenden Winzerfamilien an der Rhone. Sie gründen das Gemeinschaftsunternehmen Miraval Provence für die Produktion insbesondere von Rosés.

Marc Perrin jedenfalls ist ein ausgesprochener Liebhaber gereifter Champagner von der Côte de Blancs. Als solcher lernt er irgendwann Rodolphe Péters kennen, den Inhaber von Champagne Pierre Péters in Le Mesnil-sur-Oger. Péters՚ Familie kam einst aus Luxemburg in die Champagne und hatte 1919 den ersten Champagner abgefüllt (mehr in meinem Buch). Heute gehört das Haus zu den renommiertesten der Champagne und hat seinen Sitz sozusagen im Mekka des Chardonnay-Champagners. Daher produziert Péters in erster Linie Blancs de Blancs. Bis auf einen Rosé for Albane, benannt nach seiner Tochter, den es 2009 zum ersten Mal gab. Der war eine ausgesprochen individuell produzierte Cuvée, die zwar die Farbe von Rosés besitzt, aber im Charakter eigentlich ein Blanc de Blancs ist (mehr hier).

Von dieser Idee war Marc Perrin fasziniert. Ein Rosé auf höchstem Niveau, der aber die Sprache des kalkhaltigen Terroirs spricht und nicht von den markanten Aromen des Pinot Noirs geprägt ist. Er begeistert seinen Partner Brad Pitt, und 2020 gründen Miraval Provence und das Champagnerhaus Pierre Péters Fleur de Miraval mit Sitz in Le Mesnil unter dem Dach von Champagne Pierre Péters. Mit Perrin als Präsidenten und Péters als Geschäftsführer.

Stilistik

Die kleine, eigene Rebschule zur Massenselektion am Stammhaus

Fleur de Miraval ist „exclusivement Rosé“ – und auch sonst unterscheiden sich einige Dinge sehr grundsätzlich von Champagne Pierre Péters. Zunächst einmal der Status als Négociant. Denn anders als beim Mutterhaus werden in einem gewissen Umfang Trauben hinzugekauft. Für den „Grand Champagne“ (zum „Zweitwein“ später mehr) spielen die 16 Hektar Chardonnay Grand Crus, die Péters an der Côte de Blancs besitzt, davon 12 in Le Mesnil, eine wichtige Rolle. Der Pinot Noir allerdings stammt von jungen Anlagen aus Vertus und wird hinzugekauft. Pierre Péters besitzt eine HVE-Zertifizierung für nachhaltigen Weinbau, Fleur de Miraval macht darüber keine Angaben. Gepresst wird in zwei kleinen, schonenden 4000-Kilogramm-Pressen, der Most wird lediglich durch Schwerkraft bewegt. Fermentiert wird parzellenweise in Edelstahl unter Verwendung unterschiedlicher Hefen. Die malolaktische Gärung läuft in der Regel ab, wird in heißen Jahren aber auch teilweise geblockt.

Der Rosé entsteht beim Fleur de Miraval durch die „méthode saignée“, also das „Ausbluten“ der roten Trauben. So wie in der Rosé-Produktion in der Provence. Tatsächlich macht der so entstandene Rosé ein Viertel des Blends vor der Tirage, der Flaschenfüllen vor der drei Jahre währenden zweiten Gärung, aus. Das zweite Viertel sind Chardonnay-Grundweinen des jeweiligen Jahres. Das dritte stammt aus einer „beständigen Reserve“, die auf das Jahr 2007 zurückgeht – teilweise im Holz, teilweise im Edelstahl gelagert – und jährlich aufgefrischt wird. Und das letzte Viertel verdankt sich der „Remise en cercle“. Darunter versteht man ein sehr seltenes (und teures) Verfahren, indem bereits gefüllter Champagner wieder in den Kreislauf zurückgegeben wird. Das heißt geöffnet, entgast, cuvetiert und erneut fermentiert wird. Es ist ein Verfahren, das Moët & Chandon für seine Luxus-Cuvée MCIII benutzt hat. Und Rodolphe Péters für seine Einmal-Abfüllung Heritage, die Champagner aller vier Familiengenerationen in einer Cuvée enthält.

Portfolio

Die ersten drei Jahre trat Fleur de Miraval als Monomarke auf, vergleichbar mit Champagne Salon, das ebenfalls in Le Mesnil seinen Sitz hat. Das heißt, es wurde jeweils nur ein Champagner präsentiert. Anders als Salon ist der Fleur de Miraval freilich kein Vintage, weil für seine Stilistik die Reserveweine große Bedeutung besitzen. Allerdings werden die jährlichen Abfüllungen nummeriert. Nach dem ER 1 (für „Exclusivement Rosé“) mit dem Basisjahrgang 2016, der im Herbst 2020 vorgestellt wurde, sind bisher ER 2 und ER 3 erschienen. Im Oktober wird dann ER 4 vom Basisjahr 2019 vorgestellt werden. Von jeder Edition sind etwas mehr als 1.000 Flaschen zurückhegalten worden, die in Zukunft als Late Release erscheinen werden.

Im Herbst 2023 hat das schmale Portfolio dann durch den Petite Fleur Zuwachs erhalten. Es ist der Einstieg in die Rosé-Champagner-Welt von Miraval. Er wird aus zugekauften Trauben produziert, davon 65 Prozent Chardonnays aus Le Mesnil. 5 Prozent Pinot-Noir-Rotwein aus Vertus wird per Assemblage hinzugefügt. Sowohl rote wie weiße Trauben stammen bei der Premiere aus 2019, dazu kommen 30 Prozent Reserveweine . Gut 20.000 Flaschen Fleur werden jedes Jahr gefüllt, von der kleinen Schwester sind es derzeit gut ein Viertel weniger.

Verkostung

Petite Fleur zeigt ein zartes Lachsrosa im Glas mit lebhafter Mousse, im Bouquet vor allem florale Noten, dazu etwas Himbeere. Frisch, geradlinig und präzise am Gaumen, mit guter Säure und mittlerer Struktur (92 P.). Der erste, 2020 vorgestellte Fleur de Miraval trug noch keine Nummer und wird nur intern als ER 1 bezeichnet. Gegenüber einer ersten Verkostung in Berlin vor knapp zwei Jahren präsentiert sich der Champagner aktuell weiniger, quasi „abgeklärter“, mit feinen Himbeeraromen in der Nase, Orangenzeste, Brioche und etwas Darjeeling-Tee. Kein Pink im Glas, sondern ein zartes zwiebelschalen-Rosa. Am Gaumen reich und cremig, mit schöner Länge (94 P.).

ER 2 wurde nicht auf dem Weingut, sondern zum Essen im Restaurant Le Royal im nahen Champillon verkostet. Die Fruchtaromatik ist hier etwas dunkler, die Assoziation von Toast stärker, dazu kommt eine markante Nussigkeit. Gute Komplexität, schöne, präsente Säure und gute Länge (94 P.). ER 3 zeigt wieder deutlicher Himbeere, Grapefruit und Gebäck im Bouquet. Am Gaumen vielschichtig, mit schöner kalkiger Salzigkeit und viel Frische. Ein aufregendes Nebeneinander von jugendlich-puren Fruchtaromen und reifen autolytischen Noten (95 P.). Übrigens, wie alle Champagner des Hauses, mit unter 5 Gramm Dosage pro Liter ein Extra-Brut.

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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