Inama: Venezianischer Spagat

Die Azienda Agricola Inama produziert seit gut sechs Jahrzehnten hochwertigen Soave. Seit den Neunzigerjahren erzeugt das Weingut auch ambitionierte Rotweine in den nahe gelegenen Colli Berici. Seit der Übernahme durch die dritte Generation 2020 wollen die Brüder Matteo, Alessio und Luca das Familienweingut in die erste Liga führen.

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Matteo Inama in Berlin

„Kein Pinot Grigio, kein Prosecco.“ Matteo Inama stellt gleich zu Beginn bei der Vorstellung seiner Weine so sympathisch wie selbstbewusst die Richtung klar. Seit gut sechzig Jahren widmet sich die Familie der Garganega, dieser alten, schon im Mittelalter nachgewiesenen Weißweintraube. Damals erwarb die Familie erste Parzellen in den Hügeln des Soave Classico. Heute produziert das Weingut einige der spannendsten Soaves der Appellation. Mitte der 1990er-Jahre richtete sich der Blick der Familie Inama auch in die nahen Colli Berici. Die dortigen Böden waren hervorragend für den Anbau von Bordeaux-Rebsorten geeignet. Besonders überzeugend: die alte, im Bordelais nach der Reblausplage fast ausgestorbene Rebsorte Carmenere. Wie in Chile mit Merlot verwechselte man die Rebsorte hier bis dahin mit Cabernet Franc. Heute baut Inama neben San Leonardo und Ca՚ del Bosco als einziger in Italien bedeutende rebsortenreine Carmeneres aus.

Seit etwa zehn Jahren hat die Familie ein System des Präzisionsweinbaus eingeführt, das jedes Detail der Weinproduktion umfasst. Hierzu inspiriert wurde Stefano Inama vor allem durch die Zusammenarbeit mit Stéphane Derenencourt und dessen Bordelaiser Weinberatungsunternehmen. Sie teilten jede Lage in Microplots auf, die sie sämtlich hinsichtlich ihrer Böden und deren Interaktion mit den Reben analysierten. Darauf wurde insbesondere die klonale Selektion und der Rebschnitt ausgerichtet. In Zusammenarbeit mit Vitenova wird die Bewirtschaftung möglichst naturnah und nachhaltig durchgeführt und die Biokomplexität der Weinbergböden erhöht. Die Rotweine stammen aus biologisch zertifiziertem Anbau. Das Ziel sind Trauben mit maximaler Reife und dicken Schalen. Der so gewonnene aromatische Reichtum wird bei den Weißweinen nicht zuletzt durch eine bis zu 12 Stunden dauernde Mazeration auf den Schalen extrahiert. Dabei wird die Ernte jeder Parzelle getrennt ausgebaut. Im Keller wurde der Anteil von kleinen Fässern zugunsten größerer 12- bis 35-hl-Fuder von Stockinger reduziert.

Die Weißen

Soave Classico bedeutet Wein aus Garganega-Trauben von vulkanischen Böden. Weil der Vulkanismus nördlich des Örtchen Soave geologisch unterschiedliche Schichten erzeugt hat, ändert sich der Ausdruck der Weine je nach Bodenuntergrund. Unterschiede, die Inama in seinen Cuvées oberhalb der Einstiegs-Soave Ausdruck verschaffen möchte. Von der jüngsten Generation der Inama-Familie stammt der Soave Classico Carbonare 2021. Der stammt aus einer gut 40 Jahre alten Rebanlage auf einer von Basaltlava geprägten Lage auf gut 80 Metern Höhe. Ausgebaut wurde die Cuvée ohne malolaktische Gärung für 12 Monate auf der Hefe im Edelstahl. Zunächst mit etwas Sauvignon-Touch in der Nase, dazu florale und vor allem Zitrus-Noten. Der Wein zeigt eine schöne Frische, bei einem schlanken Mundgefühl, guter Säure und mittlerer Länge und Komplexität (90 P.).

Der Klassiker Soave Classico Foscarino 2021 stammt von gut 50 Jahre alten vulkanisch geprägten Plots. Sie liegen unterhalb des zentralen Monte Foscarino, dem geografischen Bezugspunkt der Soave-Region, auf einer Höhe bis zu 300 Metern. Die unterschiedlichen Partien durchlaufen nach einer Fermentation in gebrauchten Barriques teilweise die Malo. Ausgebaut wird in großen Fässern auf der Feinhefe, bei gelegentlicher Bâtonnage. Auf die Cuvetierung folgen sechs weitere sechs Monate in Edelstahl. Kein Wunder, dass sich der Wein cremiger und mit deutlich mehr Struktur präsentiert, mit Mandeln und Trockenkräutern in der Nase und einer delikaten Textur am Gaumen (92 P.). Der Soave Classico Foscarino 2016 aus der Vintage Collection erweist die hervorragende Alterungsfähigkeit der Cuvée. 18 Monate zuvor gefüllt, wird er erst im Herbst 2024 in den Verkauf gehen. Die Preview zeigt sich aufregend durch einen Tick Blutorange und auch insgesamt deutlich komplexer (94 P.).

Der Soave Classico I Palchi Foscarino Grande Cuvée 2021 ist dann die weiße Top-Cuvée. Er stammt von einer Handvoll Plots, wo der Garganega noch in der alten Pergel-Erziehung auf Kleinterrassen steht. Ausgebaut in einem Mix aus Edelstahl, großen Fudern und Barriques vereint er Frische mit Tiefgründigkeit. Steinfrüchte, Mandeln und etwas Toast, brillante Säure, schöne Textur und erfreulich niedrige 12,5 Prozent Alkohol (94 P.).

Die Roten

Als Cuvée aus Carmenere und Merlot ist der Veneto Rosso I.G.T. Carmenere Più 2021 der Einstieg in die Rotwein Welt von Inama. Die Partien werden für 12 Monate zu 80% in mehrfach gebrauchten Barriques und zu 20% im Edelstahl ausgebaut. Nach dem Verschnitt schließt sich vor dem Verkauf eine Reife für vier Monate im Edelstahl und sechs in der Fasche an. Sehr angenehm und ausgesprochen „trinkig“, mit Kirschen und Bitterschokolade im Bouquet, aber auch ohne allzu große Ambitionen (89 P.). Der Carminium 2020 ist als ein Colli Berici D.O.C. Carmenere bereits rebsortenrein. Die Trauben stammen von Parzellen, die an die des „Oratorio“ angrenzen. Die Vergärung im Edelstahl sorgt für Frische, die Struktur bildet sich im Ausbau in zu einem Drittel neuen französischen Barriques. Deutlich weniger von der Primärfrucht geprägt, stattdessen dominieren kräutrige Aromen, Pfeffer und Tabak. Sehr pur und frisch am Gaumen, mit guter Länge und Dichte (92 P.).

Vom Spitzenwein des Gutes, dem Oratorio di San Lorenzo, hatte Imana zwei Jahrgänge mitgebracht. (Die neue Highend-Cuvée Capital wurde leider nicht präsentiert.) Die Bezeichnungen Veneto Rosso für den 2007er und Colli Berici Carmenere Riserva D.O.C. für den 2018er zeigen, wie Inamas Kampf für den Carmenere in den Colli Berici auch weingesetzlich Anerkennung gefunden hat. Der Wein stammt aus einer 4 Hektar großen zusammenhängenden Lage beim Weiler San Lorenzo am Osthang eines Monte Motton genannten, gut 250 Meter hohen Hügels. Nach einer Kaltmazeration und Vergärung in Beton reift der Wein für gut 12 Monate in zu etwa hälftig neuen Barriques sowie Betontanks für anschließende vier Monate. 2018 zeigt sich wunderschön floral, mit feiner Fruchtsüße und außergewöhnlich gelungenem Tannin-Management (95 P.). 2007 wurde weniger präzise vinifiziert, ist aber dennoch gut gereift. Neben Five-Spices-Aromen zeigen sich auch etwas likörige Noten, dazu etwas rustikalere Tannine bei recht präsenter Säure (91 P.).

Bildrechte:

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

 

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