Geschichte
Das Haus ist 1930 von Marcel Ployer und Yvonne Jacquemart in Ludes südlich von Reims gegründet worden. Bereits im Dezember 1930 annonciert es „als Besitzer von Premiers Crus Weinbergen in Ludes“ in der Tageszeitung „Les Dernières nouvelles de Strasbourg“: Zwei Flaschen Champagne sec, zwei demi-sec und zwei nature für zusammen 90 Francs. 1947 zieht der Betrieb in sein heutiges Domizil um. 1950 stößt Sohn Gérard Ployer, der in Beaune Önologie studiert hatte, hinzu. Er übernimmt den Betrieb1957, aber Wirtschaftskrise und Erbschaftssteuern nach dem Tod der Mutter zwingen ihn, bis auf 3 Hektar alle Weinberge zu verkaufen. Seit der Weinlese1988 wird Gérard dann von Tochter Laurence unterstützt. Die hatte zunächst Biologie studiert und eine gastronomische Karriere. Nun aber beginnt sie bei ihrem Vater eine Ausbildung. Einige Jahre später leitet sie die Weinproduktion und den Vertrieb. Schon immer stark im Export, wird der Name Ployez-Jacquemart nun regelmäßig von der internationalen Weinkritik genannt.
2002 verstarb dann aber der Vater Gérard und Mutter Claude Mutter ging in den Ruhestand. 2004 wird die Maison dann von der Prieux-Gruppe von Christophe Prieux gekauft. Dessen Familie stammte aus Ludes, und er hatte als Unternehmer von Reims aus die Jardiland-Gruppe, die wichtigste französische Gartenbedarfskette aufgebaut. Um weniger vom Saisongeschäft abhängig zu sein, hatte er zunächst in die Hotellerie investiert und 2004 auch in die Champagnerproduktion. 2007 beteiligte sich Prieux mit 34,8 Prozent an dem (wesentlich größeren) Champagnerhaus Gardet im Nachbarort Chigny-Les-Roses, bevor er dieses dann 2010 nahezu vollständig übernahm. Nach wie vor verantwortet Laurence Ployez, mittlerweile verheiratete Krommydas, als Cheffe de cave die Champagnerproduktion, zudem war sie in verschiedenen Funktionen auch in die Leitung des Hauses eingebunden. Seit 2017 ist sie nun auch Generaldirektorin von Champagne Ployez-Jacquemart – sowie seit 2020 des Hotel & Restaurants Chateau de la Marjolaine im nahen Essômes-sur-Marne.
Stilistik
Die Premier-Cru-Gemeinde Ludes gehört zum westlichen Teil des Hügelzuges Montage de Reims. Hier ist die Geologie nicht so gleichmäßig und sind die Hügel gefalteter als in Mailly oder Verzenay. Zudem sind viele Lagen nordwärts ausgerichtet. Entsprechend gibt es hier neben Pinot Noir auch Chardonnay – und vor allem Meunier, der hier gut die Hälfte der Rebfläche ausmacht. Champagne Ployez-Jacquemart Trauben stammen vor allem von hier, den Nachbarorten Mailly, Chigny-Les-Roses und Villedommange sowie Chardonnay aus Vertus in den Côtes des Blancs. Kein Wunder, dass alle drei Hauptrebsorten der Champagne gemeinsam das Portfolio des Hauses bestimmen. Die Weinberge werden zertifiziert nach den beiden Nachhaltigkeitsstandards HVE und VDC bewirtschaftet. Grundsätzlich versteht das Haus, und dafür ist sicher auch die starke gastronomische Prägung von Laurence Ployez verantwortlich, hervorragende Tischbegleiter. „Ich liebe fruchtige Weine“, so die Kellermeisterin, „mit klaren Aromen, die eine natürliche Balance zwischen Mineralität und Säure zum Ausdruck bringen, damit sie lebendig bleiben“.
Ansonsten arbeiten das Haus, das einen Teil seiner Trauben hinzukauft, mit einem ausgesprochen handwerklichem Ansatz. Die Trauben werden nach einer zweifachen Vorklärung separat nach Rebsorten und Parzellen vinifiziert. Je nach Cuvée werden unterschiedliche Gebinde, Stahl oder Holz, zum Ausbau benutzt. Zur Gärung werden traditionelle Hefen benutzt. Die malolaktische Gärung wird je nach den Umständen gehandhabt. Leicht filtriert werden nur Weine aus dem Stahltank, die im Holz ausgebauten Weine dagegen nicht. Besonders stolz ist man in der Maison auf die Flaschengärung „sur pointe“, also kopfüber (wovon übrigens der Name dieser Homepage stammt). In diese Flaschenlage wandern die gehobenen Cuvées des Hauses nach 24 Monaten „sur lattes“. Bei dieser Lagermethode, die hier zwischen sechs und 15 Jahren dauern kann, hat der Champagner weniger Hefekontakt. Ployez-Jacquemart verspricht sich dadurch mehr Frische und Klarheit sowie eine bessere Lagerfähigkeit. Um den natürlichen Ausdruck des Weins zu bewahren, wird zudem minimal dosiert.
Portfolio
Neun Cuvées umfasst das Sortiment des Hauses, dessen Logo und Etiketten übrigens noch von Gründer Marcel selbst entworfen wurden. Schon die vier Non-Vintage-Champagner setzen als Extra Brut ein Statement. Dabei hat der Extra Quality Brut mit 5 Gramm noch die höchste Dosage. Seine Assemblage besteht aus allen drei Rebsorten, deren Verhältnis stark variieren kann. Extra Brut Rosé ist ein Rosé d’Assemblage und ist meist die jüngste Cuvée. Auch hier variiert die Assemblage, aber in der Regel werden die Vins clairs hier mit 16 Prozent im Holz ausgebautem Rotwein aus Mailly vermählt. Der Blanc de Blancs Passion Extra Brut ist eine Chardonnay-Cuvée, von der 51 Prozent aus dem Basisjahr stammen sowie im Holz ausgebaut und die malolaktische Gärung blockiert wurden. Dazu kommen 49 Prozent Weine des Vorjahres. Über diesen thront als rare Jubiläumscuvée zum 90. Geburtstag der Granite Extra Brut. Er vereint 12 große Jahrgänge von 1976 bis 2013 und verkörpert das Gedächtnis der Maison.
Die Jahrgangschampagner gibt es entweder als Blanc de Blancs (BdB) oder Blanc de Noirs (BdN). Ersteren einmal sowohl als Extra Brut Vintage wie auch als Dosage Zéro. Letzteren ausschließlich als Extra Brut. Interessanterweise liegen derzeit sechs Jahre Differenz zwischen beiden Weinen: aktuell stammen beide BdB aus 2012, der BdN dagegen aus 2018. Im BdB werden Weine aus Puisieulx, Cuis und Bisseuil assembliert, Letztere teilweise im Holz und ohne malo). Der BdN dagegen ist eine Komposition aus Ludes (Meunier) und Mailly (Pinot Noir) etwa zu gleichen Teilen. Lisse d’Harbonville Millésime Brut ist die Prestige Cuvée des kleinen Hauses mit sehr langer Flaschengärung. Zu zwei Dritteln Chardonnay und einem Drittel Pinot Noir, komplett im Holz ausgebaut, ohne Malo, Schönung und Filtration. Und schließlich gibt es noch den Parcelle AB 390 Extra-Brut Vintage (20% im Holz/non-malo), benannt nach der Katasternummer einer zur Maison gehörenden, ausschließlich mit 1955 gepflanzten Meunier-Reben bestockten Parzelle in Ludes.
Verkostung
Zunächst eine Vorbemerkung: Alle Champagner von Ployez-Jacquemart ähneln auch darin großen Weinen, als sie sich deutlich unter Sauerstoffeinfluss verändern. Der Chardonnay-dominierte Extra Quality Brut (62%Ch|24%PM|14%PN, deg. 01/2025) drückt die ganze Frische und Klasse seines Basisjahrgangs 2019 aus. Granny-Smith-Apfel, Limettenzeste und Sauerteig im Bouquet, relativ schlank bei prominenter Säure, Florett statt Säbel (90 P.). Auch der zart lachsfarbene Extra Brut Rosé (48%Ch|31%PN|21%PM, 76 Prozent aus 2021, deg. 12/2024) ist sehr frisch. Er zeigt rote Früchte, Rhabarber, Mandarine und frische Kräuter in der Nase. Gute Länge und etwas Fruchtsüße am Gaumen, trotz gerade 4,5gr Dosage. Schöner Aperitiv-Rosé (90 P.) Extra Brut Passion (deg. 12/2024) fällt dagegen etwas ab. Liegt es am schwierigen Basisjahr 2017? Sehr blass und noch sehr hefiges Bouquet mit reifen Äpfeln, unreifen Aprikosen und etwas Honig. Am Gaumen betont herb. Zwar mit lebendiger, feiner Mousse und durchaus cremig und kraftvoll, aber auch etwas hohlem Kern (89 P.).
In einer ganz anderen Liga spielt der Extra Brut Vintage Blanc de Blancs 2012 (deg. 03/2023). Zitronencreme, geröstete Haselnüsse und Biscotti in der Nase. Kraftvolles, aber elegantes und nur dezent cremiges Mundgefühl. Sehr lebendig und klar: Ein hervorragender Champagner, der auch als großartiger Chardonnay-Wein überzeugt (93 P.). Der Extra Brut Vintage Blanc de Noirs 2018 (deg. 05/2024) ist aus 60 Prozent Meunier und 40 Prozent Pinot Noir komponiert. Er wirkt eine Spur eindimensionaler. Im Bouquet finden sich Pomelo, Äpfel, Himbeeren, Weinblätter und Cashews. Sehr harmonisch am Gaumen, trotz oder gerade wegen einer gewissen Phenolik, und mit einer überraschenden Leichtigkeit. Aber es fehlt jahrgangsbedingt doch etwas an Spannung (92 P.).
Eindeutig der Höhepunkt ist Liesse d’Harbonville Millésime 2005 Brut (deg. 05/2024, mit 3–5 Gramm Dosage eigentlich Extra Brut). Helbgelb mit grünen Reflexen, etwas Zitrus, Steinfrüchte und Weißbrot im zurückhaltenden Bouquet. Sehr feine, lebendige Perlage und trotz Holzfassausbau kaum cremig, sondern mit enormem Druck und viel Kraft. Sehr lebendige Säure und knochentrocken, ein prachtvoller Essensbegleiter. Endet etwas kurz, aber mit salziger Mineralität (95 P.). Einer der wenigen Champagner-Cuvées, für die ich tatsächlich das Dekantieren empfehle.
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Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images