Porträt: Champagne Philippe Gonet

2021 ist mein Buch „Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen“ erschienen. Damals fiel es mir ausgesprochen schwer, unter den Hunderten erstklassig arbeitenden Champagnerproduzenten eine Auswahl zu treffen. Deswegen gibt es online auf Sur-la-pointe eine Fortsetzung! Teil 7 widmet sich einem Haus aus dem Mekka der Blanc-de-Blancs-Champagner.

5 Minuten Lesezeit

Geschichte

Gut 200 Jahre lässt sich der Weinbau in der Familie Gonet nachweisen. Ein Erbe, das vom Vater zum Sohn nun seit sieben Generationen weitergegeben wird. Vom Stammvater des Hauses, Pierre-Charles, liest man erstmalig in einer Heiratsurkunde aus Vertus von 1830. Er produzierte noch rote und weiße Stillweine, die heutigen Coteaux champenois. Unter Charles Innocent (1841−1919) wurde erstmals auch Champagner produzierte. Sein Sohn Charles heiratete die Winzertochter Marie-Louise Gardien und verlegte den Betrieb 1910 nach Le Mesnil-sur-Oger. Während seine Frau die Weinberge bewirtschaftete, vermarktete er die Produktion auf Messen in ganz Frankreich. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Champagner der Schwerpunkt der Produktion. Sohn Jacques Gonet etabliert sie erfolgreich in den Kreisen der Pariser Spitzengastronomie, etwa bei Lenôtre oder dem Restaurant von Lucas Carton.

Dessen Sohn Philippe wiederum arbeitete zunächst als Agronom und Lehrer in der Weinbauschule in Avize, bevor er 1971 den elterlichen Betrieb übernahm. 1972 gründete er dann Champagne Philippe Gonet. Durch die Heirat mit der aus Dormans stammenden Winzerin Denise Cellier vergrößerte sich die Weinbergsfläche bedeutend. Zudem betrieb er den Export seiner Weine in Europa. 1990 freilich verstarb Gonet mit nur 53 Jahren und der Betrieb wurde zunächst von seiner Witwe weitergeführt. Die Kinder traten 1993, gerade einmal etwas mehr als 20 Jahre alt, in den Familienbetrieb ein. Sohn Pierre hatte sein Weinbau-Fachdiplom in Beaune absolviert, die Tochter Chantal strebte eigentlich in die Raumfahrindustrie. Aber nach einem Studium als Weinbautechnikerin in Dijon und Stationen in Singapur und Florida kümmerte sie sich um den Export. Gemeinsam übernahmen sie Champagne Philippe Gonet schließlich 2021. Heute ist Philippe Gonet Technischer Leiter und Chantal Gonet Brégeon für Finanzen und Vertrieb zuständig.

Stilistik

Philippe Gonet ist ein Haus aus Le Mesnil-sur-Oger. Das heißt, dass der Chardonnay von der Côte des Blancs im Zentrum steht. Aber wegen der Familiengeschichte ist der Besitz an Weinbergen komplexer, als man vermuten könnte. Natürlich bildet Le Mesnil mit 13 Parzellen aus neun unterschiedlichen Lagen in 4,5 Hektar den Kern. Allen voran: der 1929 in Feldselektion gepflanzte Les Hauts Jardins und der 1960 angelegte Mont Joly. Dazu kommen Lagen in Vertus und Oger, aber auch in Vindes an der südlicher gelegenen Côte de Sézanne. Quantitativ bedeutend sind aber auch Flächen in Montgueux bei Troyes sowie La Chapelle Monthodon und Le Breuil an der Marne südlich von Dormans. Dazu kam zuletzt auch Besitz aus Pinot-Noir-Anpflanzungen in Fontaine-sur-Ay in den Hügeln nordöstlich von Ay. Um sich weitere Rotweintrauben für die Produktion zu sichern, hat das Haus 2001 den Status des Négociants angenommen. Zukäufe machen aber weniger als 20 Prozent aus.

Bewirtschaftet werden die Flächen zertifiziert nachhaltig gemäß den Richtlinien HVE3 und VDC. Es werden keine Herbizide und Insektizide verwendet. Die Trauben werden langsam von zwei 4000-Kilogramm-Vertikalpressen gepresst. Die erste Fermentation findet parzellenweise in kleinen, thermoregulierten 50-Hektoliter-Edelstahltanks statt. Die hatte Pierre Gonet nach seinem Einstieg angeschafft, um die alten emaillierten Gärbottiche zu ersetzen. Die Flaschenreifung dauert dann drei Jahre für die jahrgangslosen Cuvées und fünf Jahre und länger für die Vintages. Die Dosage beträgt zwischen drei und sieben Gramm, mit Ausnahme des 3210, der ohne Dosage auskommt. Im warmen Jahr 1995 kaufte Pierre Gonet erstmals neue Barriques und baute eine Cuvée aus, die den Vorläufer der heutigen Ter Blanc und Ter Noir bildete. Anders als beim übrigen Portfolio wird bei diesen beiden Champagnern die malolaktische Gärung geblockt. Die Qualität bei Champagne Gonet ist sehr homogen. Es sind sorgfältig produzierte Champagner auf hohem Niveau, die ein präzises Abbild ihres Terroirs sind.

Portfolio

Das Angebot von Philippe Gonet hat sich in den letzten Jahren deutlich erweitert. Noch vor gut 20 Jahren bestand es an der Basis aus einem Brut Réserve (auch als Grande Réserve) sowie einem Rosé. Darüber thronten ein Blanc de Blancs ohne und einer mit Jahrgang. Und schließlich als Cuvée de Prestige ein Special Club, ebenfalls ein Vintage Chardonnay. Ein später kurzfristig eingeführte Cuvée Or Brut ohne Jahrgang aber mit verlängertem Flaschenlager wurde aufgegeben. Heute steht an der Basis nach wie vor der Brut Réserve (60 PN | 30 Ch | 10 PM) mit gut 30 Prozent Reserveweinen Dazu kommt natürlich ein Rosé (ebenfalls 30 Prozent Reserveweine). Beide sind, anders als üblich, komplett verschieden. Denn die Grundweine des Rosé sind 90 Prozent Chardonnay, dazu kommen 10 Prozent Rotwein aus Vertus. Der Blanc de Blancs heißt heute Signature, auch er bleibt gut drei Jahre auf der Hefe und enthält 30 Prozent Reserven.

Der Vintage (aktuell 2017) besteht aus 100 Prozent Grand-Cru-Gemeinden, konkret 13 Parzellen aus Le Mesnil und Oger. Gegenüber dem NV gut zweieinhalb Jahre längeres Hefelager und 2 Gramm weniger Dosage. Als erste neue Cuvée haben die Geschwister den Roy Soleil Brut kreiert. Das ist ein Blanc de Blancs als Mono Cru aus Le Mesnil. Aber Non-Millésimée mit 30 Prozent Reserven und einem sechsmonatigen Ausbau in 600-Liter-Fässern. Es folgte die neue Prestige-Cuvée Belemnita Extra Brut mit dem Premierenjahrgang 2002 von den beiden Top-Parzellen in Le Mesnil. 3210 bedeutet: 3 Jahre Reifung, 2 Terroirs (je hälftig aus Montgueux und Le Mesnil), 1 Rebsorte (Chardonnay) und 0 Dosage. Er ist länger auf der Hefe gereift und enthält als Non-Vintage 30 Prozent Reserven.

Ter Blanc und Ter Noir lagern für sechs Monate in 6.000 Liter-Holzfudern. Es sind Blends aus jeweils drei Jahrgängen und jeweils drei Parzellen. Der Blanc (100 Prozent Chardonnay) aus Le Mesnil, Oger und Ludes. Der Noir aus Le Mesnil (Ch), Montgueux (PN) und Monthodon (PM).

Verkostung

Brut Réserve (Basis 2020, deg. 12/23) ist merklich vom Pinot Noir dominiert. Grüner Apfel, Zitrus und Toast in der Nase, am Gaumen zugänglich, mit gutem Fonds und angemessener Säure. Mit Luft wird er sogar noch präziser (90 P.). Dem Rosé Brut (Basis 2020, deg. 11/23) gibt der Pinot Noir aus Vertus reichlich Kraft, der Chardonnay die Eleganz. Hier wirkt die Belüftung noch stärker. Zunächst etwas unscheinbar, wirkt er am Tag darauf merklich eindrucksvoller und balancierter (90 P.). Signature Blanc de Blancs Brut (Basis 2020, deg. 12/23) zeigt helles Strohgelb im Glas und gibt sich schlank, fast puristisch. Die Säure ist sehr gut eingebunden, alles ist „an seinem Platz“, ein hervorragender Aperitif-Champagner (92 P.). 3210 (Basis 2018, deg. 11/23) ist ein völlig anderer Typ. Auch dieser Champagner ist ziemlich karg und zeigt sogar eine recht herbe, kräutrige Nase. Hier sind es die Textur und Salzigkeit, die den Champagner tragen (90 P.).

2017 Millésime Brut (deg. 12/23) ist mit 5 Gramm Dosage eigentlich ein Extra Brut und stammt aus einem schwierigen Jahr. Der Champagner hat sich noch nicht so recht gefunden. Verhaltenes Bouquet, etwas Zitrus und Brioche. Sehr weiche Perlage, recht schlank und dennoch sehr weinig (91 P.). Ter Blanc Extra-Brut (Jg. 2014/15/16, deg. 01/23) zeigt in der Nase Limone, grünen Apfel und Vanille. Am Gaumen ein spannender Kontrast zwischen der markanten Säure und der cremigen Textur dank des dezentem Holzeinsatzes (92 P.). Ter Noir Extra-Brut (Jg. 2013/14/15, deg. 7/23) ist noch einmal deutlich dunkler, inklusive einer zarten Rauchnote. Weiches Mundgefühl mit guter Länge, aber ohne das lebendige Spiel des Ter Blanc (91 P.). Roy Soleil Brut (auch hier nur 5 Gramm Dosage, Basis 2019, deg. 11/23) erinnert in seiner puren Frische stark an den Signature. Dazu ein zart bitterer Tick Grapefruit und vielschichtiger am Gaumen, wohl nicht zuletzt wegen des Holzfasseinsatzes (93 P.).

Belemnita 2009 Extra-Brut (deg. 01/23) hat seinen Namen von der in Mesnil vorherrschenden Kreideformation. Noch jugendlich mit komplexen Zitrus- und Nussaromen in der Nase. Eine für den Jahrgang sehr präsente Säure bei großem innerem Reichtum. Wird sich noch entwickeln (94 P.)!

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

 

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