SLPs Top-10-Weine auf der Wine Paris 2025

Wer als Besucher sowohl die Wine Paris als auch die ProWein in Düsseldorf besucht, will in Paris vor allem französische Weine verkosten. Weil aber mittlerweile die Pariser Messe als zentrale Plattform für Fine Wine insgesamt gilt, war auch das übrige Angebot in den Hallen 4 (international) und 6 (Italien) in diesem Jahr von erster Güte.

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Zugegeben, die Auswahl hat eine Rotwein-Schlagseite. Das liegt an meinem zweiten Schwerpunkt in Paris, Champagner, der einen separaten Artikel bekam. Drei Länder bzw. Regionen sind es vor allem, auf die sich die Auswahl konzentriert. Bordeaux, weil ich in diesem Jahr die Präsentation der Union des Grands Crus in Bordeaux mit der in Paris vergleichen wollte. Der USA, weil deren traditionell starke Präsenz in Düsseldorf sich nun auch auf Paris erstreckt. Und Italien, das dieses Jahr mit einer eigenen Halle glänzte. Und dann war da noch ein deutscher Überflieger …

1. Château Canon Saint-Emilion 1er Grand Cru Classé 2022

Château Canon liegt auf dem berühmten Plateau südwestlich der Altstadt von Saint-Emilion. Der Besitz umfasst gut 18 Hektar eines zusammenhängenden Weinberges, der über einem alten Kalksteinbruch angelegt ist. Hier hatten während der Französischen Revolution die Girondisten Asyl gesucht. Über diesem Bett von massivem Kalk gibt es nur wenige Zentimeter Erde, gerade ausreichend, um Weinbau zu ermöglichen. Schon von jeher kommen von hier legendäre, finessenreiche Weine, wie etwa der 1929er-Jahrgang. Seit das Weingut 1996 in den Besitz des Mode- und Parfumherstellers Chanel gekommen ist, scheinen die Weine noch duftiger geworden zu sein. Seit 2015 hat es hier nur noch große Weine gegeben. Im Vorjahr war Canon 2021 bereits in meiner Top-Ten der ProWein vertreten. Der kraftvollere 2022er legt noch mal nach. Unter seinen Kollegen erscheint er fast schlank, mit Blütenaromen im Bouquet und von unerhörter Eleganz, damit vielschichtig und unerhört lang (98 P.). Der Ästhet unter den Premier Crus!

2. Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande Pauillac Grand Cru Classé 2022

Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande galt lange Zeit als „femininer“ Wein, was neben dem Name und den (vielfach weiblichen) Eigentümern wohl auch auf den gegenüber den Nachbarn höheren Merlot-Anteil zurückzuführen war. Allerdings waren es die Brüder Édouard und Louis Miailhe, Besitzer des Weinguts seit 1925, die die Merlot-Flächen ausdehnten, weil sie von der runden Art und dem regelmäßigen Ertrag der Sorte überzeugt waren. Seit 2007 ist der 2ième Cru ein Juwel in der Kollektion der Familie Rouzaud, zu der auch Champagne Roederer gehört. Wie die Maison in Aÿ, so wurde auch die „Comtesse“ sukzessive auf biodynamischen Weinbau umgestellt. Ein Langzeitprojekt, dessen eindrucksvolle Resultate bereits jetzt spürbar sind. 2022 jedenfalls ist ein monumentaler Wein, mit vielen Röst- und Kaffeenoten in der Nase, dicht, kraftvoll und vielschichtig am Gaumen und mit mächtigem Tannin (98 P.). Sicherlich ein „moderner“ Pauillac und vielleicht nichts für Feingeister, aber ohne Zweifel von großer Klasse.

3. Château Haut-Brion Pessac-Léognan Premier Grand Cru Classé 2006

Einer der besten Orte auf der Wine Paris oder der ProWein, um wirklich ganz große Weine – teilweise auch gereift und in Großflaschen – zu verkosten ist der Gemeinschaftsstand der Primum Familiae Vini. Zumindest für die ProWein gilt leider: „war“, den PFV hat sich 2025 entschlossen, nicht nach Düsseldorf zu kommen. In Paris waren, wenn ich das richtig sehe, alle Mitgliederfamilien persönlich anwesend – und sie hatten beeindruckende Weine mitgebracht. Die Familie Dillion feierte in diesem Jahr ihr 90. Jubiläum als Eigentümer von Château Haut-Brion, historisch der erste Grand Cru von Bordeaux. Haut-Brion liegt heute mitten im Stadtgebiet – was uns daran erinnert, dass die Region Graves die eigentliche Wiege des Bordeaux-Weines ist, der gegenüber das Médoc eigentlich ein Newcomer ist.

Auf jeden Fall hatte öffnete die Familie den Jahrgang 2006, einen Volltreffer in diesem nicht einfachen Jahrgang. Bereits mit mürber, ziegelroter Farbe im Glas zeigt der Wein auch aromatisch merkliche Reifenoten mit Unterholz, Leder und schwarzen Trüffeln. Mittelgewichtig und mit erdigen Aromen am Gaumen, dazu kommt etwas robuster Gerbstoff (96 P.). Old School im besten Sinne!

4. Memento Mori Cabernet Sauvignon Napa 2022

Die Napa Valley Vintner waren jahrelang auf der ProWein die Botschafter für beste Cuvées aus dem „American Eden“. Nun ziehen auch sie Paris Düsseldorf vor. Auf der Wine Paris 2025 hatten sie jedenfalls einen sehr starken Auftritt. So präsentierte etwa die Scala Wine Group ihr Portfolio, ein Highend-Großhändler aus St. Helena, der Weingüter von Kult-Winemakern wie Andy Erickson, Helen Keplinger und Sam Kaplan vertritt. Letzerer ist seit 2006 Winemaker von Arkenstone in Howell Mountain, arbeitet 2010 aber auch als Berater.

Erster und vielleicht auch wichtigster Kunde war Memento Mori. Die Gründer des in Calistoga ansässigen Projektes haben Zugang zu einigen der exklusivsten und kostspieligsten Lagen des Napa Valley, insbesondere Beckstoffer Dr. Crane Vineyard, Beckstoffer Las Piedras Vineyard, Vine Hill Ranch Vineyard, Weitz Vineyard, and Oakville Ranch Vineyard. Normalerweise als Einzellagenabfüllung die Spitze im Portfolio jedes Weingutes, ist der Cabernet-Sauvignon-Blend aller dieser Lagen bei Memento Mori das Non-plus-ultra. Der gerade vorgestellte 2022er Jahrgang jedenfalls zeigt enorm feinpolierte Tannine, eine große Tiefe und Komplexität. Die etwas niedrige Säure ist der großen Hitze des Jahrgangs geschuldet (97 P.).

5. Grace Family Vineyards St. Helena Napa Valley Cabernet Sauvignon Cornelius Grove Vineyard 2021

Seit meiner Reportage 2017 für FINE – Das Weinmagazin verbindet mich mit Grace Family Vineyards eine besondere Beziehung. An einem der vielleicht weltweit schönsten Weinorte überhaupt erinnerte mich die Begegnung Gründer Dick Grace daran, dass Wein bei Weitem nicht das Wichtigste auf der Welt ist. Das Weingut selbst wurde durch die Kombination von minimaler Produktion und allerhöchstem Anspruch eines der ersten Kultweingüter des Napa Valley. Einige Jahre hatte der klassische Stil dafür gesorgt, dass es ruhiger um Grace wurde. 2014 sorgte Dick Grace mit der Ernennung von „Wonder Woman“ Helen Keplinger als Winemaker wieder für einen Paukenschlag.

2019 verkaufte Grace das Weingut schließlich an das Ehepaar Kathryn und Jeremy Green, die bereits seit einigen Jahren Wein in Napa produzierten. Sie erwarben auch den ebenfalls zu St. Helena gehörenden Cornelius Grove Vineyard in der Heath Canyon Ranch westlich in den Ausläufern der Mayacamas. Hier bewirtschaftete die Corbett-Familie auf 0,4 Hektar 1957 gepflanzte Cabernet-Sauvignon-Reben. Diese gehören zu den ältesten in Napa und werden seit 2016 bei Grace als Cornelius Grove Vineyard abgefüllt. Der 2021er aus einem klassischen Napa-Jahrgang ist von spektakulärer Qualität: Schwarze Beeren, Grafit und Five-Spices in der Nase, dicht, aber nicht opulent, mit raffinierter Textur dank seidiger Tannine und strukturierender Säure (98 P.). Präsentiert wurde der Wein übrigens ebenso charmant wie engagiert von Kathryn Green persönlich!

6. Heitz Cellar Oakville Napa Valley Cabernet Sauvignon Martha’s Vineyard 2018

Ein zweites Wiedersehen gab es bei Demeine Estates, einem von der Familie Lawrence und Carlton McCoy Jr. gegründeten Weinimport- und -Produktionsunternehmen aus dem Napa Valley. Die stellten Weingüter aus, die Landwirtschaftsmagnat Gaylon Lawrence in den letzten Jahren zusammengekauft hatte. Neben Château Lascombes etwa Stony Hill und Ink Grade – vor allem aber Heitz Cellar. Hier hatte Joe Heitz 1966 mit dem Martha’s Vineyard den ersten Einzellagen-Cabernet-Sauvignon des Napa Valley produziert. Heute ist er der berühmteste Lagenwein der USA. Die Geschichte der Verbundenheit zwischen der Familie Heitz und der Familie May, den Eigentümern von Martha’s Vineyard hatte ich 2016 für FINE – Das Weinmagazin geschrieben. Meine Begegnung mit Joes Tochter Kathleen Heitz Myers und Thomas May im Weinberg war ein unvergessliches Erlebnis. Schon damals lastete die ungewisse Zukunft schwer auf der Familie, sodass ich von der Nachricht des Verkaufs 2018 nicht überrascht war.

Nun stand in Paris die Flasche aus eben diesem Jahr 2018 vor mir, der aktuelle Jahrgang im Verkauf. Viel Cassis und Kräuterwürze im Glas – freilich noch ohne jene Eukylyptusnote, die alte Jahrgänge so spektakulär machen. Noch maskiert das Holz etwas die Frucht, aber die Wärme und Großzügigkeit des Weines sind bereits spürbar (96 P.).

7. Parusso Barolo Bussia Vigna Munie Riserva 2015

Zu einer gelungenen Messe gehört das horizontale Verkosten – der aktuelle Bordeaux-Jahrgang, die Spitzen-Cuvées des Napa Valley – ebenso wie die vertikale Degustation. Also das Kennenlernen der gesamten Produktion eines Weingutes, im besten Fall präsentiert durch den Inhaber selbst. In diesem Fall war es Marco Parusso, der vor 35 Jahren gemeinsam mit seiner Schwester Tiziana den väterlichen Betrieb übernommen hatte. Hier war zwar schon 1971 zum ersten Mal Barolo abgefüllt worden. Die eigentliche Geschichte des Weinguts beginnt erst 1990 unter dem Namen Parusso Armando di Parusso Fratelli. Marco Parusso ist ein Winzer, der jedem Unterschied des Terroirs und jedem Detail der Produktion enorme Achtung schenkt und dabei auch unkonventionelle Wege geht. Beim Stichwort Rotofermenter etwa setzt er zu einem 15-minütigen leidenschaftlichen Exkurs an.

Die Weine von Parusso sind aromatisch ausgesprochen ausdrucksvoll, elegant und bei aller Komplexität ausgesprochen trinkig. Und das obwohl das Weingut in Bussia zwischen den für ihre kraftvollen Weine bekannten Gemeinden Monforte und Castiglione Falletto liegt. Beim Langhe Nebbiolo 2022 steht die Frucht im Vordergrund und auch der recht helle Barolo-Blend Perarmando 2021 zeigt neben Rauch und Trockenkräutern attraktive Kirscharomen. Die drei Crus Bussia und Mosconi (beide aus Monforte) sowie Mariondino (Castiglione Falletto) brillieren auf ihre jeweils eigene Art mit einer außergewöhnlichen Textur. Die Parzelle Munie aus der Lage Bussia füllt Parusso nach einigen Jahre Reife als Riserva mit goldenem Etikett. Der Jahrgang 2015 ist sehr dicht, vollgepackt mit beinahe süßer Frucht und exotischen Gewürzen. Das ist vielleicht nicht sehr typisch, aber doch sehr individuell (95 P.).

8. Vietti Barolo Villero Riserva 2016

Wenn es den Preis einer „Kollektion der Wine Paris 2025“ geben würde, hätte ich in ohne zu zögern dem Weingut Vietti verliehen. Was mir Urs Vetter, der Exportdirektor des Hauses, an Weinen präsentierte, war durch die Bank von exzellenter Qualität. Die Weißen glänzten nicht nur durch einen ausdrucksvollen Arnëis – das Weingut hatte 1967 erstmals einen reinsortigen Arneis gefüllt. Vor allem aber durch einen komplexen Timorasso Derthona aus den Colli Tortonesi. Hier erscheint in Kürze erstmals eine Einzellage aus 2020. Das dürfte eine neue Benchmark für diese seltene, aber charaktervolle Rebsorte werden. Von großer Klasse auch die Barberas, allen vorweg die Lagen-Crus La Crena (aus Asti) und Vigna Vecchia Scarrone (Alba). Die stammen von Parzellen mit teilweise sehr alten Pflanzungen und weisen eine für diese Rebsorte ungewöhnliche Seidigkeit und Vertikalität aus. Beeindruckend auch der Barbaresco Roncaglie von 2021.

Das Weingut ist 2016, eine Novität im Piemont, an die US-amerikanische Krause-Familie aus Iowa verkauft worden. Die haben eine Reihe Weinberge zugekauft, darunter beste Einzellagen in der Barolo-Region und sie dem Portfolio von Vietti hinzugefügt. Über dem Nebbiolo Perbacco (aus Barolo-Grundweinen, die nicht als solche abgefüllt werden) und dem Basis-Barolo (vormals Castiglione) thronen nun sechs Einzellagen (MGAs). Brunate, Cerequio, Rocche di Castiglione, Lazzarito, Ravera und Monvigliero verkosten sich einer schöner als der andere. Sie alle stammen aus dem Jahrgang 2021, vielleicht dem größten der letzten Dekaden. Vor allem fasziniert, dass einige aus großen „klassischen“ Terroirs stammen. Andere dagegen aus Randlagen wie der Ravera aus Novello oder der Monvigliero aus Verduno, die durch den Klimawandel enorm gewonnen haben.

Über diesem Sextett thront freilich noch die Riserva Villero aus dem ebenfalls großen Jahrgang 2016. Sie ist ein Vermächtnis der Alt-Eigentümer Luca und Elena Penna-Currado und ein Barolo-Gigant. Wuchtig und mit einer dunklen, komplexen Aromatik, die durch das kraftvolle Tannin und die markante Säure nur ansatzweise entwickelt ist. Es ist ein Wein, der sich über Stunden an der Luft entfaltet und langer Lagerung bedarf (98 P.).

9. Lucien Le Moine Bonnes Mares Grand Cru 2021

Eine unverhoffte Degustation wurde mir am Ende der Messe zuteil. In einer kleinen Koje standen doch tatsächlich Mounir und Rotem Saouma, die Besitzer des Kult-Weingutes Lucien Le Moine aus dem Burgund, und schenkten einer handverlesenen Schar ihre Weine aus. Vor einigen Jahren dehnte das Paar ihr Micro-Négoce-Projekt vom Burgund an die Rhône aus. Der Verkostungsparcours bei den Weißen: Pouilly-Fuissé 2021, Chablis Grand Cru Preuses „36 mois“ 2020, Meursault Les Gouttes d’Or 2021 und schließlich ein mächtiger Châteauneuf-du-Pape Arioso 2019. Bei den Roten: die Châteauneuf-du-Pape Omnia und Arioso 2020 sowie ein kraftvoller, holzbetonter, aber nicht überextrahierter Pommard Les Grand Epenots von 2021. Schließlich als Krönung ein Bonnes Mares Grand Cru von 2021. Im Vergleich zu den kurz zuvor verkosteten Bonnes Mares der Konkurrenz war er expressiver als der Vertreter von Comte de Voguë, aber er besaß nicht die Eleganz von Georges Roumier. Dennoch ein beeindruckender Wein von einiger Klasse (95 P.).

10. Weingut Egon Müller zu Scharzhof Scharzhofberger Auslese Goldkapsel 2007

Das zweite Weingut, das es von der letztjährigen ProWein-Auswahl in die der Wine Paris geschafft hat. Wie im vergangenen Jahr wurde der Wein auf dem Stand vom Primum Familiae Vini (PFV) verkostet. Diesmal freilich kein Kabinett (den es auch gab), sondern eine Auslese Goldkapsel von 2007. Vielleicht lag es daran, dass Isabelle Müller anwesend war. Das Weingut vergleicht den Jahrgang 2007 nur mit den „Allergrößten“. „Da der Anteil der edelfaulen Trauben eher klein und die Säurewerte trotz hoher Reife hoch blieben, denken wir an 1997 oder 1971.“ Nicht klären konnte ich das kleine Rätsel der Abfüllnummer. Die lautete nämlich 3 567 142-R-08. Die Flasche trug neben dem VDP-Adler auch das Sigel des PFV auf dem Etikett. Also eine Sonderabfüllung für den PFV, wobei R für Reserve steht? Der Wein bewies selbst in dieser außergewöhnlichen Umgebung seine Extraklasse: Ich notierte „enorme Komplexität, überragende Länge, großer Ausdruck und Präsenz“ (99 P.).

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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