Perrier-Jouët Belle Epoque 2014

Von allen Champagnerflaschen ist diese vielleicht die eleganteste. 2022 feierte deren ikonischer Jugendstil-Designentwurf von Émile Gallé seinen 120. Geburtstag. Der erste Jahrgang Belle Epoque in dieser Flasche war freilich erst der 1964er – fünf Jahrzehnte vor dem aktuellen Jahrgang 2014, den die Maison soeben präsentierte.

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Perrier-Jouët Belle Époque 2014 und 2013

Bei so viel Geschichte sei ein kleiner Rückblick zu Beginn verziehen. Die klassische Saga von Perrier-Jouëts Belle Epoque lautet in etwa folgendermaßen. 1902 hatte Henri Gallice, der damalige Präsident des Hauses, den Art-Déco-Künstler Émile Gallé aus Nancy mit der Gestaltung einer besonderen Champagnerflasche beauftragt. Es muss an dessen Kampf gegen die Reblaus gelegen haben, bei dem er als Mitgründer der Association Viticole Champenoise in erster Reihe stand. Aber die Entwürfe gerieten in Vergessenheit. Erst 1964 sollen die alten Muster durch Kellermeister André Baveret wiederentdeckt worden sein. Im Jahr darauf konnte der Entwurf durch einen modernen Glasmacher reproduziert werden.

1969 sollten dann 5.000 Flaschen eines besonderen Champagners zum 70. Geburtstag von Duke Ellington gefüllt werden. So beschloss der damalige kaufmännische Geschäftsführer Pierre Ernst, den alten Entwurf von Gallé zu verwenden. Von dem Bestand, der nach der legendären Geburtstagsfeier im Pariser „Alcazar“ übrigblieb, wurden 500 Magnums für treue Kunden reserviert. Der Rest wurde exklusiv über das Luxusrestaurant Maxim՚s und den Delikatessenladen Fauchon verkauft. In den Folgejahren wurde die Abfüllung ein solcher Erfolg, dass sie von allen Prestige-Cuvées, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Markt gekommen waren, die bestverkaufte war und die eigene Spitzenlinie „Blason de France“ in den Schatten treten ließ.

Eine alternative Geschichte

Anzeige von 1977 für Belle Epoque 1971

Dazu gibt es freilich eine alternative Geschichte. Diese ist lediglich durch eine Werbung überliefert, die Perrier-Jouët 1977 zur Einführung des 1971er Belle Epoque geschaltet hat. Darin erzählt ein Pierre Lemonnier seine eigene Geschichte des Belle Époque, und zwar folgendermaßen: „Als ich vor zehn Jahren in den Kellern von Perrier-Jouët spazieren ging, war ich von einer Magnumflasche geblendet, die zwei Kriege überstanden hatte. ‚Geben Sie zu‘, sagte der Kellermeister zu mir, ‚dass es wunderbar wäre, wenn man dieses Meisterwerk von Gallé heutzutage reproduzieren und wiederbeleben könnte.‘ Ich forderte ihn sofort heraus: Die Frage sei nur, ob Perrier-Jouet einen Champagner herstellen könne, der dieser Magnumflasche ebenbürtig sei. Der ruhige Mann lächelte. Hier seine Antwort: ‚Der Belle Epoque 1971, der fünf Jahre lang gelagert wurde, ist in der Flasche bemerkenswert, aber in der Magnumflasche erreicht er seinen Höhepunkt.‘“

Ein Champagnerglas mit der Anemone von Émile Gallé

Pierre Lemonnier war nicht irgendjemand. Sondern ein Werbetexter, der 1959 als Kreativdirektor die Agentur Impact gegründet hatte und in kurzer Zeit zum wohl einflussreichsten Werber Frankreichs aufgestiegen war. Für den kanadischen Seagram-Konzern hatte er an Markenauftritt und -positionierung des Champagnerhauses Mumm gearbeitet, an dem dieser seit 1955 beteiligt war. Nachdem Seagram 1959 auch Perrier-Jouët gekauft hatte, erstreckten sich Lemonniers Aufgaben auch auf diese Maison. Liest man den Text der Anzeige, so gewinnt man den Eindruck, dass Lemonnier einen entscheidenden Anstoß zur Kreation des Belle Epoque gegeben hat.

5-Sterne Special Reserve, Fleur de Champagne, Belle Epoque

Der Geschenkkarton des Belle Epoque

Wie auch immer es sich im Einzelnen verhält: Jenseits aller Legenden war die Schaffung des Belle Epoque sicherlich ein wichtiger Mosaikstein bei der neuen strategischen Positionierung von Perrier-Jouët auf dem Champagnermarkt, wobei das Haus nicht unwesentlich durch eine externe Werbeagentur unterstützt wurde.

Interessanterweise trug die neue Cuvée zwar den Namen „Belle Epoque“, durfte diesen aber zunächst nicht auf die Flasche drucken. Tatsächlich hatte der New Yorker Weinhändler Excelsior Wine & Spirits den Namen bereits 1968 benutzt und im Jahr darauf als Marke schützen lassen. So war Perrier-Jouëts Prestige-Cuvée zwar mit der Gallé-Anemone geschmückt. Ansonsten wiesen nur 5 Sterne auf dem Etikett sowie ein „Special Reserve“ auf der Kapsel auf den Rang hin (wie die Flasche 1971er in der Anzeige oben). Im Rahmen einer schrittweisen Rechteübertragung durften ab dem Jahrgang 1978 die außerhalb der USA vertriebenen Flaschen endlich den Namen „Belle Epoque“ tragen. In den USA wurde der Champagner bis in die 2000er-Jahre als „Fleur de Champagne“ gelabelt.

Der neue Jahrgang

Den Premierenjahrgang Belle Epoque 1964 und die neueste Cuvée 2014 trennt genau ein halbes Jahrhundert. Zum Jubiläum zeigte sich sowohl das Wetter wie die Maison in Höchstform. Tatsächlich war es nach einem stürmischen Frühling im Juni 2014 sehr heiß gewesen, weswegen die Blüte bereits am 8. Juni stattfand. Der August war freilich kühl und regnerisch, wobei es im September wieder trocken und wärmer wurde. Ein „ozeanischer Jahrgang“, den der Chardonnay mehr liebt als der Pinot Noir, weil er dann seine Frische behält. Die Ernte startete am 8. September und dauerte dann insgesamt drei Wochen.

Cramant für die Struktur, Avize für Textur und Kalkigkeit und Chouilly für das iodige Element bilden das Rückgrat des Belle Epoque.

Séverine Frerson

Der damalige Kellermeister Hervé Deschamps (und selbstverständlich nicht Séverine Frerson, wie es in Broschüren der Maison heißt, schließlich stieß diese erst 2020 zu Perrier-Jouët) assemblierte nach der klassischen Formel für den Belle Epoque: 50 Prozent Chardonnay von der Côte des Blancs, 45 Prozent Pinot Noir aus der Montage des Reims (dieses Jahr aus Mailly und Verzy) sowie 5 Prozent Pinot Meunier aus Dizy im Marnetal. Vorgänger Deschamps beschwor gerne das „magische Dreieck“ der ganz unterschiedlichen Weinberglagen des Hauses. Frerson legte bei der Präsentation des Weines stärker den Schwerpunkt auf den Chardonnay. „Cramant für die Struktur, Avize für Textur und Kalkigkeit und Chouilly für das iodige Element bilden das Rückgrat des Belle Epoque.“ Neu ist die Nachricht, dass die Dosage mithilfe einer Solera aus Reserveweinen aus Chouilly seit dem Jahrgang 2012 produziert worden ist. Das soll die Komplexität steigern − irritiert aber auch ein wenig hinsichtlich der Konzeption des Belle Epoque als Jahrgangschampagner.

Séverine Frerson, die Kellermeisterin von Perrier-Jouët
Séverine Frerson, die Kellermeisterin von Perrier-Jouët stellt Belle Époque 2014 in der Videokonferenz vor.

Die Verkostung

Wie auch immer. Belle Epoque 2014 ist ein außerordentlich gut geglückter Champagner. Die viel beschworene florale Aromatik präsentiert sich schon zu diesem jungen Stadium sehr verführerisch. Dazu kommen Noten, die Frerson zu Recht mit Pomelo, Ingwer und grünem Pfeffer benennt. Den spannungsreicheren, aber auch kargeren 2013er sollte man noch lagern. Der 2014er beglückt dagegen schon jetzt durch ein wunderschönes Mundgefühl, in dem sich Frische und Cremigkeit die Waage halten. Selbst die Dosage von 8 Gramm wirkt nicht aufgesetzt, sondern wie ein Kick intensiver Extraktsüße im Abgang (94+ Punkte). Am Abend stand der Champagner dann im Match gegen ein asiatisches Reisgericht mit Flusskrebsen und XO-Sauce (also getrockneten, teilfermentierten Meeresfrüchten). Dabei wuchs er geradezu über sich hinaus − und zeigte wieder einmal, dass große Schaumweine unbedingt ein Essen begleiten sollten.

Post Scriptum

Kurz nach Beendigung des Artikels erreichte mich eine Flasche Belle Epoque 2013 aus der limitierten Künstleredition des österrichischen Designer-Duos mischer‘traxler. Anlass war der 120. Geburtstag des Anemonenmotivs von Émile Gallé. Der Champagner löste hier einige Ahs und Ohs aus, nicht zuletzt auch wegen der attraktiven und liebevoll gestalteten Geschenkverpackung. Da zudem der Jahrgang 2013 einer der besten in der jüngen Geschichte von Belle Epoque ist, ist die aktuelle Verfügbarkeit mittlerweile vermutlich nur noch ziemlich gering.

© der Fotos: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

© für die Anzeige: Impact / Perrier-Jouët

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