Kartlien ist das Herz Georgiens. In der Region liegen, nur gut 30 Kilometer voneinander entfernt, die beiden Hauptstädte des Landes: Mzcheta, die Wiege des georgischen Christentums und Residenz des alten Königreiches Iberien. Und natürlich die Nachfolgerin und heutige Hauptstadt Tiflis. Das Land durchqueren uralte Fernhandelswege, die Asien mit dem Schwarzen Meer und über die kaukasische „Große Heerstraße“ den Nahen Osten mit Russland verbinden. Kein Wunder, dass das georgische Königshaus die schönsten Ländereien der Region an bevorzugte Familienmitglieder vergab. Wie Mukhrani, das bereits im Jahr 1512 an einen Zweig der herrschenden Bagratiden-Dynastie fiel.
Die Vorgeschichte
1801 wurden Ost- und Zentralgeorgien durch Russland annektiert, aber die Familie Mukhran-Batoni bleib Eigentümer der Ländereien von Mukhrani. Prinz Ivan Mukhran-Batoni machte schließlich sogar eine militärische Karriere in Russland und wurde Militärgouverneur West-Georgiens. Wie einige andere herausragende georgische Adlige dieser Zeit, war er nicht nur von der Kultur des zaristischen Russlands, sondern auch von Europa, insbesondere Frankreichs beeinflusst. Weinbau hatte es hier nachweisbar schon seit Jahrhunderten gegeben. Prinz Ivane aber gründete nach Reisen in die Champagne und nach Bordeaux 1878 zunächst ein richtiges Weingut, dann ab 1885 sogar ein Château nach Médoc-Vorbild (mit den ersten Parkettfußböden Georgiens). Den Park erschufen Gartenarchitekten aus Versailles. Die Weine gingen an den russischen Zarenhof, aber auch – via Schiff über Batumi − nach Westeuropa, wo sie großen Anklang fanden. Ein Schaumwein von Mukhran-Batoni errang auf der Weltausstellung 1889 in Paris einen ersten Preis.
Nach dem Tod von Prinz Ivane verkaufte sein Sohn das Weingut an den Staat, der es dem Landwirtschaftsministerium unterstellte. Infolge der kommunistischen Machtübernahme wurde Mukhrani von der „Samtrest“, der staatlichen Weinbaubehörde der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik, als Produktionsort für Schaumwein, den „Shampankombinat“, übernommen. Nach Unabhängigkeit und Bürgerkrieg in den frühen 1990er-Jahren wurde das Anwesen bis auf die Grundmauern zerstört. 2001 erwarben dann zwei georgische Investoren das Schloss und die Ländereien für 50 Jahre zur Pacht. Bald stieß der Manager Jacques Fleury hinzu, der eine der wichtigsten georgischen Handelsmarken, das Mineralwasser Borjomi wieder zum Glänzen gebracht hatte. 2006 stieß der schwedische Milliardär Frederik Paulsen zum Investorenkreis, von Hause aus Chemiker und Inhaber des Pharmaunternehmens Ferring. Paulsen, dem auch die Marussia Beverages Group gehört (die 2011 auch den größten georgischen Weinkonzern Georgian Wine and Spirits Company (GWS) von Pernod Ricard übernommen hatte), besitzt Muhkrani mittlerweile komplett.
Das Weingut heute
Heute besitzt das Weingut 102 Hektar Rebfläche, zugekauft wird nicht. 87 Hektar wurden bereits 2003/04 von italienischen Spezialisten auf dem Plateau in unmittelbarer Nähe des Schlosses gepflanzt. Hiervon wurden dann 2007, nach dem Wiederaufbau des teilweise über den frei gelegten Kellern der ursprünglichen Anlage befindlichen Weinguts, die ersten Weine abgefüllt, seit 2009 unter dem Namen Château Mukhrani. Das dänische Architekturbüro Ellgaard rekonstruierte dann ab 2010 das ursprüngliche Château, das heute wieder durch einen unterirdischen Verbindungstunnel mit der Kellerei verbunden ist. 2015 wurden noch einmal 15 Hektar Weinberge auf nahe gelegenen Hügeln mit kalkhaltigeren Böden angelegt. Heute werden 14 Rebsorten auf Château Mukhrani angebaut, neben den traditionell-georgischen auch einige seltene autochthone Sorten. Daneben aber auch internationale Klassiker wie Chardonnay, Sauvignon und Cabernet Sauvignon. Alle Weinberge werden heute biologisch-zertifiziert bewirtschaftet.
Das jüngste Kapitel des Weinguts begann 2014, als Patrick Honnef verantwortlicher Weinmacher wurde. Honnef hatte ursprünglich Wirtschaftswissenschaften studiert, aber nach einigen Jahren in einer Werbeagentur noch einmal einige Semester Weinbaustudium in Heilbronn draufgesattelt. Er zog bald nach Bordeaux um, wo er zehn Jahre für den Weinberater Stéphane Derenoncourt auf Chateau d’Aiguilhe in den Côtes de Castillon arbeitete. 2009 kam der erste Kontakt zu Château Mukhrani zustande, fünf Jahre später wurde dessen CEO und Technischer Direktor. Honnef sieht Georgiens Weinbau „durch eine europäische Brille“, wie es Lisa Granik in ihrem Buch „The Wines of Georgia“ ausgedrückt hat. Daran ist richtig, dass es für ihn keine unhinterfragten Traditionen gibt und er die modernen Tools des Fine-Wine-Makings vollständig verinnerlicht hat. Zehn Jahre nach seinem Start in Georgien experimentiert er beständig an den Cuvées, verwendet neue und alte Methoden nebeneinander (wie auf den Bildern zu sehen) und kombiniert sie, wenn es dem Endprodukt nützt.
Die Weine
Chinebuli 2021 stammt von der zumeist Chinuri genannten Rebsorte, einer der wichtigsten in Kartli, die auch zur Schaumwein-Produktion benutzt wird. Der Wein ist frisch, komplex und konzentriert. Der Goruli Mtsvane 2022 ist üppiger, mit schönem Körper und guter Säure. Collection Secrète 2020 ist ein Blend aus Sauvignon, Chardonnay und Rkatsiteli. Er überzeugt mit schöner Textur und Dichte, weist aber auch einen spürbaren Alkoholgehalt auf. Auch der weiße Qvevri 2019 ist ein Blend, hier aus Rkatsiteli und Goruli Mtsvane. Er ist der beeindruckendste Wein des Quartetts. Im Glas ist die Bernstein-Farbe recht blass, aber die Nase ausdrucksvoll mit Honig, Schwarztee und Mandeln. Am Gaumen ist der Wein cremig und mit viel Glyzerin, dabei kraftvoll und lange anhaltend (93 P.). Man hat Honnef vorgeworfen, dass er die Qvevris lediglich als Werkzeug einsetze, um die Spannung der Wein zu erhöhen. Mir gefällt die Intuition, traditionelle Methoden mit Eleganz und Finesse zu verbinden, ausgezeichnet.
Die Kollektion beginnt mit zwei autochthonen Rebsortenweinen, Shavkapito 2021 und Tavkveri 2017. Dem ersten geben Kirsch- und Schokoladenoten bei hoher Säure ein attraktives Geschmacksprofil. Der zweite ist weicher, leicht rauchig und wird von einer Brombeer-Aromatik dominiert. Der rote Collection Secrète 2019 ist ein wilder Blend aus Saperavi, Cabernet Sauvignon, Syrah und Petit Verdot, der etwas schwächelt durch unreife Frucht. Deutlich darüber das abschließende Trio. Qvevri 2020 aus Saperavi und Takveri mit gut einem Drittel Cabernet Sauvignon ist dicht, würzig und geschmeidig. Reserve Royale Shavkapito 2018 ist für fast zwei Jahre in kleinen Eichenfässern gereift, sie zeigt die entsprechende Aromatik (Kirsche, Brombeere, Vanille) und ist ausgezeichnet gealtert. Saperavi Reserve Royale 2012 ist dann ein echter Fine Wine. Noch immer sehr dichte Pigmentierung, zu den rot- und schwarzbeerigen Fruchtnoten kommen Gewürzaromen, Leder und Kakao (95 P.). „Grand Vins de Georgie“ heißt es auf den Etiketten der Weine. Das ist ohne Zweifel berechtigt.
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