Die Krise als Chance begreifen. Ein Gespräch mit Frédéric Rouzaud und Jean-Baptiste Lécaillon

Aus Anlass des 50. Jubiläums der Kreation der Champagner-Cuvée Louis Roederer Cristal Rosé waren Frédéric Rouzaud, ein Nachkomme von Louis Roederer und in der siebten Generation der Leiter des Familienunternehmens Groupe Champagne Louis Roederer, sowie dessen Vizepräsident und Kellermeister von Champagne Roederer, Jean-Baptiste Lécaillon, zu einem Pressedinner nach München gereist. Sur-la-pointe hat sie zur aktuellen Situation befragt.

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Frédéric Rouzaud
Frédéric Rouzaud (FR)
SLP: Der französische Weinbau ist in der Krise. Aber aktuell ist davon ist nicht nur der Einstiegsbereich betroffen, sondern auch das Luxussegment. Wie ist Ihre Situation im Moment?

FR: Als die Corona-Pandemie kam, haben wir uns alle große Sorgen gemacht. Wird es fünf Jahre dauern, bis wir uns erholen? Doch die Menschen haben sich revanchiert, indem sie Wein und Champagner gekauft haben, um ihn zu Hause zu trinken. 2022 und 2023 gab es daher einen enormen Boom. Zugleich stellte uns das vor große logistische Probleme, gerade im Export. Es gab etwa keine Container mehr, also haben sich deren Kosten um das Siebenfache erhöht. Zudem haben die Importeure große Lagerbestände aufgebaut. Und in diesem Jahr mussten wir begreifen, dass diese Bestände nicht dem Verbrauch der Konsumenten entsprach. Da sich gleichzeitig der Zinssatz um den Faktor 3 bis 4 erhöht hat, musste jeder in der Vertriebskette seine Lager reduzieren. Das war etwa die Situation bis etwa September. Nun sehen wir Anzeichen dafür, dass sich die Dinge ändern und wieder bestellt wird. Der Verbrauch selbst ist ja gar nicht so stark zurückgegangen. Nächstes Jahr wird sicher besser verlaufen.

Am 20. Januar wird die erneute Amtseinführung von Donald Trump zum Präsidenten der USA stattfinden. Der hat im Vorfeld den Satz geäußert: „Das schönste Wort im Wörterbuch ist für mich ‚Einfuhrzölle‘“.
In seiner ersten Amtszeit zwischen 2017 bis 2021 haben Sie bereits Erfahrung mit Strafzöllen in den USA gemacht, selbst wenn die Champagne davon ausgenommen war. Wie werden Sie auf diese Entwicklung reagieren, haben Sie nun so etwas wie eine Gegenstrategie oder einen Plan

FR Die USA ist ein sehr großer Markt, für uns gehört er zu dem Top 3. Wir können hier nicht einfach aussteigen und den Wein anderweitig verkaufen. Wir waren seinerzeit besonders mit unseren Weingütern Domaines Ott aus der Provence und Château Pichon Comtesse aus Bordeaux betroffen, aber wir haben es hinbekommen. Wenn es nun erneut Strafzölle gibt, werden wir die vermutlich mit den Importeuren aufteilen. Und dann werden wir analysieren, wie die Verbraucher auf einen Preisanstieg von 10 oder 20 Prozent reagieren.

JBL: Wenn Donald Trump generell Zölle auf Importe einführt, wird er ein großes Problem mit der Inflation bekommen. Er kann nicht alles gleichzeitig angehen. Er ist kein Narr.

Es gibt ja auch optimistische Stimmen. David Châtillon, Präsident der Union des maisons de champagne (UMC) etwa hat angemerkt, dass die letzte Trump-Regierung für die US-Wirtschaft sehr gut war. Viele Menschen haben sehr viel Geld verdient und davon nicht zuletzt eine Menge Champagner gekauft.

JBL: Es gibt tatsächlich sehr viel Geld in den USA, und es wird weiterhin viel Geld ausgeben werden. Bei uns gibt es den Satz: Das obere Drittel in den USA gibt das Geld in Euro aus, die Mittelschicht in Dollar, während der ärmere Teil der Bevölkerung de facto in chinesischen Yuan bezahlt. Die Oberschicht in den Vereinigten Staaten fährt nach wie vor europäische Autos, kleidet sich in europäische Designer und trinkt europäischen Wein und Champagner.

Jean-Baptiste Lécaillon
Jean-Baptiste Lécaillon (JBL)
Wir haben uns bei unserem letzten Treffen vor gut einem Jahr gemeinsam die Frage gestellt, wie es mit der Welt weitergehen wird. Haben Sie diese Entwicklung erwartet?

FR: Krisen gab es eigentlich immer. Auch wenn man sich die letzten 25, 30 Jahre ansieht, war es nicht einfach. Denken Sie an den Crash der Jahre 1992/93 [u. a. Zusammenbruch des Europäischen Währungssystems (EWS), SLP]. Aber damals konnten wir Champagne Deutz kaufen, deren Inhaber große Probleme hatten.

JBL: Das bringt uns zurück auf die Erfahrungen und die langjährige Geschichte der Familie Roederer: Die Maison verfügt heute über so phantastische Weinberge, weil es Krisen gab. Krisen, in denen es eben auch Chancen gab. Denken Sie an die Reblaus-Krise, alle haben Weinberge verkauft, wir haben zugekauft. So war es auch im Ersten Weltkrieg oder in der Wirtschaftskrise 1929. Unser Weinbergbesitz ist aus Krisen heraus entstanden. Man muss die Dinge auf diese Weise betrachten, optimistisch und in langfristiger Perspektive. Und nicht zuletzt lagern in unseren Kellern Bestände, die hervorragend altern.

Das Interview wurde auf Englisch geführt und von Stefan Pegatzky ins Deutsche übersetzt. Der erste Teil des Gesprächs über die Entwicklung des Cristal Rosé ist unter dem Titel „Ein Labor für Exzellenz“ bei Meiningers Sommelier online erschienen.

Zur Groupe Champagne Louis Roederer gehören neben dem 1776 gegründeten Stammhaus Champagne Louis Roederer in Reims unter anderem auch Champagne Deutz, Ramos Pinto in Portugal, die Domaines Ott* in der Provence, Delas Frères im Rhônetal, in Bordeaux Château de Pez, Château Haut-Beauséjour und Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande sowie in den USA Roederer Estate, Scharffenberger Cellars, Merry Edwards, Domaine Anderson sowie Diamond Creek.

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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