65 Jahre „Der Feinschmecker“ – Zur Vorgeschichte des deutschen Küchenwunders

Dieses Jahr feiert in Hamburg das Magazin „Der Feinschmecker“ seinen 50. Geburtstag. Wir gratulieren herzlich! Aber mit dem Alter haben sich die Hanseaten leider vertan. Denn das Heft ist bereits 65 Jahre alt. Deshalb wirft Sur-la-pointe an dieser Stelle noch einmal einen Blick in die Vorgeschichte des deutschen Küchenwunders.

10 Minuten Lesezeit

Gemeinhin gilt 1971, das Jahr, in dem Eckart Witzigmann als Küchenchef im Münchner Restaurant „Tantris“ begann, als die Geburtsstunde der deutsche Feinschmeckerküche. Dieser Moment, so hat Wolfram Siebeck einmal bemerkt, teilte die deutsche Nachkriegsküche in ein ante und ein post Witzigmann. Die Geschichte seit jenem Gründerjahr wurde gern und viel erzählt, nicht zuletzt in den Chroniken der Hochglanzmagazine, die infolge der Konjunktur einer deutschen Gourmetküche  entstehen sollten. Und auch die Geschichte davor meinen wir gut zu kennen. Das harte „Brot der frühen Jahre“ in der unmittelbaren Nachkriegszeit, das den Eintopf-Sonntagen der Nazis folgte. Dann die feisten Schweinebraten und der fette Speck des Wirtschaftswunders. Die kalte Party- und Büffetküche der modernen, emanzipierten Hausfrau und schließlich die Verlockungen der Gastarbeiterküchen.

Die deutschen Schüler Escoffiers

In den Jahren nach dem Krieg gab es tatsächlich kaum so etwas wie eine nennenswerte Hochküche. Dabei hatte es zu Beginn des Jahrhunderts mit Hamburg, Berlin und München bereits kulinarische Zentren gegeben, die stark von der französischen Haute Cuisine inspiriert worden waren. Die war zu dieser Zeit besonders aufregend, weil sie durch den Meisterkoch Auguste Escoffier reformiert worden war. In der Fassung seines Lehrbuchs „Le Guide culinaire“ stieg sie zum gefeierten Standard der Spitzenrestaurants und Grand Hotel-Küchen weltweit auf. In Hamburg war Franz Pfordte in seinem Restaurant der gefeierte Botschafter einer radikal Frankreich-orientierten Küche. Zur Weltausstellung 1900 sorgte er im „Deutschen Restaurant“ selbst im verwöhnten Paris für Aufsehen. Nachdem Pfordte in Hamburg das Hotel „Atlantic“ übernommen hatte, führte er 1909 als Erster in Deutschland Escoffiers Postensystem ein, das die Arbeitsbereiche der Köche klar festlegte. Bis heute stellt es das grundlegende Organisationsprinzip in der Spitzengastronomie dar.

Aber auch von Berlin aus waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts Signale für die Geburt einer deutschen Spitzenküche ausgegangen. Die Stadt im märkischen Sand hatte, nachdem sie Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs geworden war, in kürzester Zeit alles Altpreußische verloren. Das frische Geld aus französischen Reparationen und der Gründerzeitboom, dazu das neue Hauptstadtbewusstsein. Mit einem Mal war in Berlin eine international konkurrenzfähige Restaurantszene entstanden. Lorenz Adlon schuf 1907 ein Hotel mit internationaler Strahlkraft – kulinarisch beraten durch Auguste Escoffier. Dagegen verkaufte Adlon sein berühmtes Berliner Weinlokal „Hiller“, in dem nahezu der gesamte deutsche Hochadel verkehrte, 1910 an den jungen Alfred Walterspiel. Der hatte zuvor als Küchenchef an der Seite von Franz Pfordte im Hamburger „Atlantic“ sein Können gezeigt.

Die ersten deutschen Kulinarik-Magazine

1917 wurde das „Hiller“ kriegsbedingt zum „unzeitgemäßen Luxusbetrieb“ erklärt und geschlossen. Walterspiel entfloh Kriegsende und Revolutionswirren ins nur wenig ruhigere München. Hier hatte die französische Küche schon früher, nicht zuletzt durch das Wirken von Johann Rottenhöfer, dem Haushofmeister der bayerischen Könige Maximilian II.und Ludwig II., nachhaltige Wurzeln geschlagen. Walterspiel gründete 1922 ein nach ihm benanntes Restaurant und übernahm 1926 gemeinsam mit seinem Bruder das Münchner Nobelhotel „Vier Jahreszeiten“. Beides Adressen, die bis zu Walterspiels Tod 1960 einen allerersten Ruf genossen.

Auch das rührige Pressewesen der wilhelminischen Zeit hatte sich dieses Phänomens einer Restaurant- und Hotelblüte in Deutschland angenommen. Ab 1899 erschien in Frankfurt am Main das Magazin „Kochkunst“ (wenig später: „Kochkunst und Tafelwesen“, ab 1920 schlicht „Die Küche“), eine „moderne illustrierte Halbmonatsschrift für Hotels, Restaurationen und herrschaftliche Haushaltungen“. In Hamburg hatte der Kaufmann und Verleger Heinrich Eisler, Spross einer jüdisch-ungarischen Familie mit K.u.K-Staatsangehörigkeit, der sich im 19. Jahrhundert in der Hansestadt niedergelassen hatte, seit 1905 die Wochenzeitschrift „Küche und Keller“ herausgegeben (ab 1922 „Deutsche-Hotelnachrichten: mit Küche und Keller“). Die stieg rasch zum bedeutendsten Organ des Gastwirtstandes auf. Noch heute ist sie als „Allgemeine Hotel- und Gaststättenzeitung“ das offizielle Organ des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA).

Die Gründung des „Feinschmeckers“

Eislers Sohn Georg trat früh in den Verlag des Vaters ein und führte ihn nach dessen Tod weiter. Nach 1914 wurde er ein enger Freund des Staatsrechtlers Carl Schmitt, dem er mehrfach finanziell half und Aufträge für die ebenfalls im Eisler-Verlag erscheinende „Hamburger Woche“ gab. Während Schmitt als „Kronjurist des Dritten Reiches“ nach 1933 Karriere machte, musste Georg Eisler über London nach New York emigrieren, wo er verschiedene Verlage gründete. Nach dem Krieg setzte Eisler während einiger längerer Aufenthalte in Hamburg ab 1948 seine Wiedergutmachungsansprüche durch. 1955 gründete er, noch von den USA aus, die Fachverlag GmbH zur Herausgabe von Fachzeitschriften und Fachliteratur. Mit im Vorstand saß der 26-jährige gelernte Koch, Konditor und Hotelfachmann Arne Krüger. 1960 erschien im Verlag eine neue vierteljährlich erscheinende Zeitschrift in einer Auflage von 6.000 Exemplaren. Ihr Titel: „Der Feinschmecker“.

Tatsächlich war das Heft nicht ganz so neu, wie es den Anschein hatte. In großen Teilen übernahm es das Layout und viele redaktionelle Beiträge der französischen Zeitschrift „Cuisine et Vins de France“ in deutscher Übersetzung. Das war auch auf der Titelseite und im Impressum deutlich vermerkt. Die „Cuisine et vin de France“ war seinerseits eine Zeitschrift, die erst 1947 gegründet worden war.  Und zwar von den beiden dominantesten Figuren der Französischen Küche nach dem Ersten Weltkrieg: Prosper Montagné, der sich mit dem „Larousse Gastronomique“ von 1938 ein Denkmal geschaffen hatte. Und Maurice-Edmond Sailland, genannt Cournonsky. Den Wegbereiter der modernen Restaurantkritik und Vater des „Guide Michelin“ hatten 3.000 Kollegen zum „Prinz der Gastronomen“ ernannt. Noch heute ist „Cuisine et vin de France“ die auflagenstärkste Kochzeitschrift Frankreichs. Nach Cournonskys Tod 1956 wurde Madeleine Decure Chefredakteurin. Die deutschen Leser des „Feinschmeckers“ lernten sie in vielen Artikeln und Rezeptzubereitungen als große Meisterin der Haute Cuisine kennen. Mit ihren Phasenfotos sollte sie die Kochbuchinnovationen des Zabert&Sandmann-Verlages in den 1990er-Jahren vorwegnehmen.

Zwischen Volkshochschule und französischem Vorbild

Im Übrigen las sich der „Feinschmecker“ wie ein Volkshochschulkurs für französische Küche und Lebensart. Unablässig wurden die Reize der französischen Regionen beschworen, die Vielfalt und Qualität der Weine und Lebensmittel sowie die Raffinesse der authentischen französischen Küche. Großflächig inserierten Agrarverbände und Produzenten aus dem Nachbarland. Selbst die Annoncen der Pariser Feinschmeckerlokale sind dem französischen Muttermagazin entnommen. Was die „action culturelle“ als politische Kulturarbeit der französischen Besatzungsmacht nach 1945 in Deutschland zur demokratische Erziehung der Jugend und zukünftiger politischen Eliten war, das war „Der Feinschmecker“ auf dem Gebiet der kulinarischen Erziehung der jungen Bundesrepublik. Auf dem Felde der Gastronomie aber ging es nicht zuletzt um handfeste wirtschaftliche Interessen. Für Frankreich bedeuteten die Agrar- und Landwirtschaftsexporte immerhin die wichtigste Säule des Außenhandels. Staatspräsident Giscard d’Estaing sollte später die Formel von den Agrargütern als dem „pétrole vert“, dem „grünen Öl“ Frankreichs“ prägen.

Aus diesem Grund schuf die Grande Nation 1961 die Sopexa, die Gesellschaft für den Export von Agrargütern und Lebensmittel. Mit zahlreichen Marketinginstrumenten sollte sie in wichtigen ausländischen Märkten den Verkauf französischer Waren ankurbeln. Und da Deutschland Exportpartner Nummer eins für Agrar- und Ernährungsgüter geworden war, waren die Anstrengungen hierzulande, die seit 1962 von Düsseldorf aus, dem ersten Auslandsbüro der Sopexa, sowie den verschiedenen Zweigstellen unternommen wurden, besonders nachhaltig. Kein Wunder, dass die Agentur auch im „Feinschmecker“ an vielen Stellen auftaucht, bei Berichten über Messen und Verkaufsaktionen und nicht zuletzt als Lieferant von Bildmaterial.

Nur „mittlere Gastronomie“?

Dennoch beginnt sich das Heft allmählich von seiner französischen Mutter abzunabeln. Aber anstatt ein eigenes Profil zu entwickeln, wird das Heft vor allem ein Publikationsforum für Küchengerätehersteller und Nahrungsmittelindustrie. Auf die Beschwerde eines Leserbriefes von 1969, dass man den Eindruck gewinne, dass „Der Feinschmecker“ „für eine Tiefkühlkost, Konserven und Brühwürfel verbrauchende mittlere Gastronomie schreibe“, antwortet Arne Krüger resigniert, dass ihm die Mehrzahl der Leser bescheinigt hätte, dass das Niveau des Magazins „zu hoch“ sei.

Tatsächlich war, so heimlich, still und leise die französische Küchenkultur nach dem Krieg auch wieder Einfluss bei deutschen Feinschmeckern gewonnen hatte, von den Impulsen, die Frankreichs Hochküche einstmals der deutschen Gastronomie verliehen hatte, Ende der 60er-Jahre, nicht mehr viel übriggeblieben. Zu stark war die Prägung der Gesellschaft durch das Dritte Reich, das dem deutschen Flirt mit der internationalen Haute Cuisine ein jähes Ende gesetzt hatte. An deren Stelle hatten die Nazis − insbesondere vegetarische − Selbstversorgung propagiert. Die Hausmannskost wurde weltanschaulich aufgeladen, kulinarische Raffinesse galt als Dekadenz- und Entartungsphänomen. Nur zwölf Jahre hatten Reichsnährstand, NS-Frauenschaft und Deutsches Frauenwerk Zeit, diese Botschaft in die Hirne der deutschen Bevölkerung zu trommeln. Aber da sie zumeist auf fruchtbaren Boden fiel, war die Wirkung umso nachhaltiger. Der verlorene Krieg tat ein Übriges.

Wendepunkt 1971

Natürlich gab es noch ein paar Leuchttürme, wie den „Erbprinz“ in Ettlingen, „Katzenbergers Adler“ in Rastatt oder, vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort, das „Maitre“ von Henri Levy in Berlin. Als Feinschmeckerlokale galten im Wirtschaftswunderdeutschland aber vorzugsweise Etablissements wie das „Humpelmayr“ in München, in dem, wie sich Vincent Klink erinnerte, jeden Abend 30 bretonische Hummer zu Cocktail „verhackt“ wurden, oder das „Ritz“ in Berlin, das den Begriff Spezialitätenrestaurant auf die Spitze trieb, indem es Klapperschlangen in Lehm und Leguan-Suppe auf die Speisekarte brachte. Das Gros der deutschen Feinschmeckerrestaurants der Nachkriegszeit bestand aus einer standardisierten und falsch verstandenen Schrumpfversion der französisch-internationalen Hochküche.

In diesem Moment musste der Auftritt Eckart Witzigmanns, der ab 1971 im „Tantris“ die französische Küche in Perfektion und in all der Konsequenz, die er bei seinen Lehrmeistern Paul Haeberlin und Paul Bocuse gelernt hatte, nach Deutschland brachte, wie eine Revolution wirken. Nicht zuletzt, weil diese Küche bereits „infiziert“ war von den Prinzipien, die dann 1973 nach dem Manifest der Journalisten Henri Gault und Christian Millau die Gastronomie erschüttern sollten: der „Nouvelle Cuisine“. Eine Küche, die gegen die zur Routine gewordene Grande Cuisine revoltierte, wie sie Auguste Escoffier noch vor der Jahrhundertwende sozusagen „in Stein gemeißelt hatte“, und wie sie nach dem Krieg auch in Frankreich zum Luxus-Inventar der Bourgeoisie wurde, gegen die nicht nur die Studenten rebellierten.

Nouvelle Cuisine

Es gab in Deutschland zunächst nur wenige, die den Beginn der Ära Witzigmann und einiger anderer gleichgesinnter Köche wie Otto Koch und Dieter Müller richtig einordnen konnten. Ihre Revolution war elitär, gewiss, und doch nicht weniger radikal als die der Studenten. Auch sie vertrieben den „Muff von tausend Jahren“, reinigten die Küche von falsch verstandenen Traditionen und sinnlosen Ritualen. Zu dem Zeitpunkt, an dem die klassische Deutsche Küche ihren schlimmsten Tiefpunkt erreicht hatte, leitete Eckart Witzigmann das „deutsche Küchenwunder“ ein, indem er in München seine eigene „Nouvelle Cuisine“ zelebrierte – radikal modern und radikal Französisch.

Tatsächlich erlebte die von der „Nouvelle Cuisine“ wachgeküsste und durch Eckart Witzigmann so brillant vertretene Frankreich-orientierte Gourmetküche im Deutschland der 70er-Jahre eine enorme Erfolgsgeschichte. Diese spiegelte sich wieder im seit 1964, nach 50-jähriger Unterbrechung, in Deutschland wieder publizierten „Guide Michelin“, der seit 1966 auch in Deutschland seine berühmten Sterne vergab. Bis 1969 war die Zahl der deutschen Ein-Sterne-Restaurants auf 186 gestiegen, doch erst 1974 kamen die ersten sieben Zwei-Sterne-Restaurants hinzu und 1980 erhielt Ekart Witzigmann in seinem neuen, eigenen Restaurant „Aubergine“ in München als erster den dritten Stern.

Der Relaunch des „Feinschmeckers“

Um 1972 professionalisierte sich die deutsche Restaurantkritik, und große Verlagshäuser begannen, sich für das einstmalige Nischenthema zu interessieren. In Hamburg war der Verleger Kurt Ganske auf Arne Krüger und seinen „Feinschmecker“ aufmerksam geworden, der mittlerweile in Krügers Eigenverlag und trotz mehrerer grafischer Überarbeitungen immer noch bei einer vierstelligen Auflage dahindümpelte. Aber Krüger hatte bei anderen Projekten ein deutlich geschickteres Händchen gehabt. Sein Kompendium „Spezialitäten der Welt“ wurde 1967 als erstes deutsches Kochbuch ins Französische übersetzt. Für den Gräfe-und-Unzer-Verlag (GU) hatte er im gleichen Jahr begonnen, nach japanischem Vorbild abwaschbare Kochkarten zu produzieren, zu denen der Fotograf Christian Teubner die Bilder beisteuerte. GU verkaufte von diesen Kartenpäckchen im Laufe der Jahre sieben Millionen Exemplare – und sorgte für ein mittleres Erdbeben im konservativen Buchhandel, weil ein Großteil über den sogenannten „nichtbuchhändlerischen Fachhandel“ verkauft wurde, in Rosenthal-Studios, in WMF-Filialen und dem Hausrat-Fachhandel. Für eine regelrechte Branchenkrise sorgte dann 1973 „Kochen heute“, ein Kochbuch Arne Krügers, das im Bundle mit einer Packung Kaffee bei Tchibo verkauft wird und eine Auflage von insgesamt wohl über eine Million Exemplare erreichen sollte.

Gründe genug für einen Verleger, dessen Familie mit Lesezirkelausgaben groß geworden war, sich den „Feinschmecker“ genauer anzusehen. Kurt Ganske beauftragte seinen früheren Assistenten Jochen Karstens mit der Erarbeitung eines Neukonzepts der Zeitschrift, das schließlich, nach erheblichem Widerstand vonseiten des Managements der Verlagsgruppe, von Ganske abgenickt wurde. Im September 1975 erschien das erste Heft des neuen „Feinschmeckers“ in einer Auflage von 100.000 Exemplaren – mit Arne Krüger als Herausgeber und Jochen Karstens als Chefredakteur. In diesem Jahr feiert man in Hamburg den 50. Geburtstag des „Feinschmeckers“. Es hat den Anschein, als ob in Hamburg niemand eine Erinnerung daran hat, dass es eigentlich sein 65. ist.

Der richtige Moment

1975 war tatsächlich ein perfekter Moment für einen Relaunch des Magazins. Georg Eisler und Arne Krüger waren dagegen eindeutig zu früh gekommen. Es brauchte eines initialen Moments, wie es das Wirken Eckart Witzigmanns war, um die Feinschmeckerküche in Deutschland wirklich dauerhaft heimisch zu machen. 1960 war es der Versuch eines Emigranten, an die verlegerischen Erfolge vor dem Krieg anzuknüpfen, und der Traum eines begabten jungen Mannes von der Erziehung der Deutschen zu Feinschmeckern mit der Hilfe der Presse. Trotz der Strahlkraft des französischen Vorbilds (und seiner geballten Marketingmacht) war das nicht ausreichend. Es benötigte die sinnliche Evidenz, Köche, die Abend für Abend kulinarische Sensationen schufen, auch wenn diese zunächst nicht gleich verstanden wurden. Erst als immer mehr Restaurants in Deutschland das Versprechen auf der Zunge einlösten, das die Magazine und Zeitungen wortreich verkündeten, konnte ein Heft wie „Der Feinschmecker“ erfolgreich sein.

P.S.: Der Text erschien zum ersten Mal vor zehn Jahren in einer leicht erweiterten Fassung unter dem Titel „Die Wurzeln und die Träume. Zur Vorgeschichte des deutschen Küchenwunders“ in FINE 2/2015 (nachgedruckt in FINE Excellent 2017). Die damalige Redaktion des „Feinschmeckers“, die natürlich einen Beleg erhalten hatte, reagierte darauf nicht. Im aktuellen Juliläumsheft findet sich ein Text zur Erstausgabe, in dem es etwas kryptisch heißt, dass „Jochen Karsten zusammen mit Verleger Kurt Ganske (Jahreszeiten Verlag)“ 1975 „den Feinschmecker von Verleger Arne Krüger übernahm“ (online hier). Immerhin wird dadurch deutlich,, dass der „Feinschmecker“ bereits vor 1975 exisitert hat. Auch wenn das offensichtlich im Widerspruch zur proklamierten Ausgabe „Nr. 1“ von 1975 steht. Es hätte dem Jahreszeiten-Verlag gut angestanden, beim aktuellen Jubiläum auf die Pionierarbeit von Arne Krüger und Georg Eisler hinzuweisen. Zumal durch Emigrant Eisler und dessen Verlegerfamilie „Der Feinschmecker“ mit der ersten Blüte der deutschen Kulinarik zu Anfang des 20. Jahrhunderts verbunden ist.

Rechte:

Text: © 2015, 2025 Stefan Pegatzky

Bilder: Außer den nachfolgenden stammen die Bilder aus dem Archiv von Stefan Pegatzky.

Mit der Rezeptesammlung „Spezialitäten aus deutschen Landen“ wollte übrigens die Deutsche Gastronomische Akademie zu den Olympischen Spielen 1972 in München der Welt die kulinarische Kultur Deutschlands nahebringen. Das Cover spricht für sich.

Küche des „Restaurants Pfordte“ bei der Eröffnung: http://www.koch-welten.de/Franzpfordte.htm

Hotel-Restaurant Adlon: janwillemsen

Magazin „Koch-Kunst“: http://www.kochbuchsammler.de/tafelwesen.htm

Französische Küche. 40 Rezepte. Herausgeber: Sopexa, Förderungsgemeinschaft für französische landwirtschaftliche Erzeugnisse. Quelle: Portal Alltagskulturen im Rheinland 

Restaurant „Tantris“ am Abend: Oliver Raupach / CC BY 2.5

Le Nouveau Guide Gault-Michelin : https://www.gaultmillau.org/history/?lang=en

Cover Erstausgabe „Der Feinschmecker“: Der Feinschmecker/Jahreszeiten Verlag GmbH

Porträt Arne Krüger: Ulrich Gerken / CC

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