Champagne Jacquesson und seine neuen Eigentümer

Es war ein Paukenschlag zum Jahresende: Die Milliardärsfamilie Pinault übernahm über ihre Firmengruppe Artémis Champagne Jacquesson. Nachdem Artémis im Frühjahr 2022 bereits Minderheitsanteile an der 1798 gegründeten Maison aus Dizy erworben hatte, folgte im Dezember der Rest. Auf der ProWein präsentierte bereits Jean Garandeau die Neuheiten des Jahres 2023, seit letztem Oktober der neue Geschäftsführer des Unternehmens.

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Keine großen Neuigkeiten könnte meinen, wer anlässlich der ProWein 2023 zur Verkostung der aktuellen Champagner von Jacquesson angemeldet war. Es wurden die aktuelle Edition aus der 700er-Serie präsentiert, das Pendant als DT („dégorgement tardive“) sowie die Lieu-dits, die sehr limitierten Einzellagenabfüllungen des Jahres. Doch auch wenn auf den Etiketten noch „Champagne Jacquesson | Famille Chiquet“ vermerkt war, war es nicht mehr Jean-Hervé Chiquet, der die Weine wie üblich erläuterte. Dieses Jahr übernahm Jean Garandeau diese Funktion, seit 2010 Verkaufs- und Marketing-Direktor der Artémis Domaines.

Homepage der Artémis Domaines

Diese wiederum sind Teil der Groupe Artémis der Familie Pinault, zu der auch der Luxusgüterkonzern Kering mit Marken wie Balenciaga, Gucci und Yves Saint Laurent sowie das Auktionshaus Christies՚s gehören. Artémis Domaines ist sozusagen der auf Weingüter spezialisierte Bereich der Gruppe. Die Website nennt als Besitz die fünf Ikonen Château Latour im Médoc (seit 1993), die burgundischen Clos de Tart (2018) und die Domaine d’Eugénie (2006, ehemals: René Engel), Château-Grillet (2011) an der Rhone sowie Arraujo Eisele Vineyards (2013) aus dem kalifornischen Napa Valley.

Nur drei Monate: Champagne Henriot und Jacquesson unter einem Dach

Geschwister nur für kurze Zeit: Jacquesson und Henriot

Im September 2022 wurden zudem die Maisons & Domaines Henriot übernommen. Zu ihnen gehören der gleichnamige, allerding im März 2023 weiterverkaufte Champagnerproduzent sowie das Haus Bouchard in Burgund und die Weingüter William Fèvre in Chablis und Beaux Frères in Oregon. Es ist unverkennbar, dass François Pinault mit dieser Expansionspolitik in den Spuren seines großen Rivalen Bernard Arnault und dessen Gruppe LVMH wandelt. Zumal er das Konzept einer Gruppe von Domänen nun auch um Handelshäuser, die Trauben zukaufen, erweitert hat. Man wird sehen, welche Konsequenzen das auf die Positionierung der Artémis Domaines haben wird. Immerhin ist von Pinault bekannt, dass er Weingenuss schätzt, im Gegensatz zu Arnault, der, wie es heißt, nur sehr selten welchen trinkt.

Jean Garandeau

Jean Garandeau jedenfalls präsentierte „Le programme 2023“ von Jacquesson mit großer Sachkenntnis und gab dabei einige Einblicke in die künftige Strategie der Artémis-Gruppe. Zunächst einmal behält er neben seinem Job bei Jacquesson auch die Funktion als Verkaufs- und Marketing-Direktor aller Artémis-Weingüter und wird zwischen Bordeaux und der Champagne pendeln. Vor Ort arbeitet derzeit kein klassischer Chef de cave. Garandeau vertraut einem Dreierteam aus den beiden langjährigen Mitarbeitern Benjamin Vitrac, dem Verkaufsleiter von Jacquesson seit 1998, und Yann Le Gall, einem leitenden Mitarbeiter im Keller seit 2010, sowie Mathilde Prier, die 2020 die Verantwortung über die Weinbergarbeit übernommen hat. Garandeau selbst hat in vier Jahren zwischen 2006 und 2010 als Senior Brand Manager bei Champagne Krug Erfahrung in der Region gesammelt.

Kontinuität und Respekt

Die Übernahme von Jacquesson durch Artémis soll laut Garandeau zunächst im Zeichen der Kontinuität und des Respekts vor der Arbeit der Familie Chiquet stehen. Schließlich sei letztere der Grund des Erwerbs der Maison gewesen. Entsprechend wird sich am Konzept ihrer im Jahre 2000 eingeführten 700er-Serie sowie dem 2014 eingeführten Gegenstück einer Version mit verlängertem Hefelager (Dégorgement Tardive) nichts ändern. Diese verstanden ihre Schöpfer als Gegenteil eines Non-Vintage-Weins, sozusagen als „Vintages with Reserve“, wie es Champagner-Experte Tyson Stelzer einst formuliert hat. Damals eine Pioniertat, haben sie viele Häuser mittlerweile adaptiert. Darunter Krug („Édition“) und Roederer („Collection“), die beide fortlaufend nummeriert sind.

Das Herz des Portfolios: die 700er-Serie

Garandeau kündigte aber an, dass es künftig auch für die Einzellagenchampagner DT-Versionen geben werde, allerdings mit etwa jeweils 500 Flaschen in minimaler Verfügbarkeit. Die „Lieu dits“ sollen aber nicht ausgeweitet werden, die 700er bilden nach wie vor die Grundlage des Hauses. Nur wenn das Jahr es zulasse und die Trauben nicht für die klassischen Cuvées benötigt würden, sei es sinnvoll, sie separat zu füllen. Überhaupt ist Erweiterung kein Ziel, eher eine noch „stärkere Fokussierung“ auf die eigenen Stärken. „Was immer das kostet“, wie Garandeau lächelnd hinzufügt.

Das bezieht sich sicher nicht nur auf die Weinproduktion selbst, wie ein noch längeres Hefelager oder eine längere Ruhezeit nach der Degorgierung. Sondern auch − im Verbund mit Artémis − auf eine schlagkräftigere weltweite Vertriebsarbeit. Jacquesson sei seit seiner Gründung, darauf weist Garandeau hin, ein Innovationstreiber gewesen, beispielsweise beim Champagnerverschluss. Das gälte es fortzusetzen. Verstärkt würden sich die Augen jetzt auch auf die Weinbergarbeit, und hier nicht zuletzt auf biologische und biodynamische Bewirtschaftung richten. Die Chiquets seien zwar aus dem Weingut ausgeschieden, würden aber nicht zuletzt noch als Winzer ihrer 28 Hektar Weinberge in Dizy für Jacquesson zur Verfügung stehen. x

„Le programme 2023“

Lieu-dit Champ Caïn aus Avize

Die Cuvée 746 basiert vor allem auf dem Jahrgang 2018. Konkret von Spätburgundern aus Aÿ, Dizy, Hautvillers (68 Prozent) und Chardonnays aus Avize et Oiry (32 Prozent). Wie alle vorgestellten Weine kommt sie erst in den folgenden Wochen in den Verkauf. Ein Hauch rote Früchte, noch sehr hefig und etwas präsentes Holz, sehr cremig. Aufgrund des heißen Jahres ein Tick schwerfälliger als seine Vorgänger. 93 Punkte. Die Cuvée 741 DT stammt hauptsächlich aus dem spät geernteten Jahrgang 2013, insbesondere von Pinots Noirs aus Aÿ und Dizy sowie Chardonnays aus Avize. 94 Monate auf der Hefe. 94 Monate auf der Hefe, keine Dosage … Degorgiert im April 2022 ist der Champagner sehr vinös, mit stärkerem Autolyse-Charakter. Präsentiert sich überraschend zugänglich, aber braucht sicher noch Zeit. 95 Punkte. Den Vauzelle Terme 2013 Extra Brut hatte ich hier bereits vorgestellt. 96 Punkte. Sein Gegenstück Champ Caïn 2013 Extra Brut ist ein reiner Blanc de Blancs aus einer 1,3 Hektar großen Parzelle in Avize. Noch etwas dezente Aromatik von gelben Steinfrüchten, weißen Blüten und Mandeln. Sehr elegant und vielversprechend. 95 Punkte.

© alle Fotos außer der abgebildeten Website: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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