Die Parcellaires von Champagne Paul Goerg

Auch Paul Goerg gehört zu den Maisons, die einen deutschen Namen tragen. Tatsächlich heißt sie nach dem aus Kaiserslautern stammenden Paul Goerg, einem Bürgermeister von Vertus. Das Champagnerhaus hat noch keine lange, dafür eine komplizierte Geschichte. Viel wichtiger: Es produziert hervorragende und preiswerte Champagner aus dem Süden der Côte des Blancs. Mit seiner neuen Reihe Parcellaires möchte es seinen Terroir-betonten Ansatz unterstreichen.

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Ein kurzes Intro zur Geschichte: Begonnen hat alles, als sich um 1950 acht Winzerfamilien in Vertus zusammenschlossen und die kleine Genossenschaft La Goutte d’Or gründeten. Dank der bemerkenswerten Qualität ihrer Lagen wurde sie früh Lieferant von Häusern wie Moët & Chandon, Pol Roger und Charles Heidsieck. Aber erst nach Investitionen in den frühen Achtzigerjahren produzierten sie selbst hervorragende Champagner, ab 1984 unter der Marke Paul Goerg. 2005 wurde das 1825 gegründete Champagnerhaus Ch. & A. Prieur in Vertus von der Genossenschaft übernommen, an das Paul Goerg dann 2010 angegliedert wurde. Dadurch erhielt es den Status eines Négociant Manipulant (NM). 2007 begann La Goutte d’Or übrigens mit der Produktion der Champagner für das neu gegründete Haus Barons de Rothschild. 2018 wurde ein neuer Hightech-Weinkeller eingerichtet.

Chardonnays aus Vertus

Das Haus verfügt über 120 Hektar Reben, bepflanzt zu 85 Prozent mit Chardonnay, in der als Premier Cru klassifizierten Gemeinde Vertus (und wohl auch Bergères-les-Vertus) am südlichen Ende der Côte des Blancs. Der richtige Erntezeitpunkt einer jeden Parzelle wird zentral mit jedem einzelnen Winzer koordiniert. Dank des neuen Weinkellers, mit 48 unterschiedlichen temperaturregulierten kleinen Inox-Tanks von 25 bis 65 Hektoliter-Fassungsvermögen, werden 15 ausgesuchte Lagen mit altem Chardonnay-Rebbestand auch parzellenweise ausgebaut. Die malolaktische Gärung verläuft vollständig, geschönt wird nicht, die Flaschenlagerung dauert deutlich länger als das gesetzlich vorgeschriebene Minimum, die Dosage ist durchgehend moderat.

Bis 2022 hat sich das Haus im Portfolio an die klassischen Grandes Marques angelehnt. Mit dem bemerkenswerten Unterschied, dass, seitdem der einfache Réserve nicht mehr produziert wird, alle Weine Mono-Crus aus Vertus sind. Damit tragen alle Champagner von Paul Goerg den Status Premier Cru. Den Einstieg bilden ein jahrgangsloser Tradition Brut Premier Cru (auch als Sec und Demi Sec) sowie ein Rosé Brut Premier Cru. Auf der nächsten Stufe spielen die beiden Cuvées Blanc de Blancs Brut Premier Cru sowie Absolu Extra Brut Premier Cru mit minimaler Dosage den großen Trumpf der Chardonnays von der südlichen Côte des Blancs aus. Der Vintage Premier Cru mit neun Jahren Flaschenlagerung enthält dagegen wieder 15 Prozent Pinot Noir. Bis 2022 schloss die Prestige Cuvée Lady Premier Cru Millésimé das Angebot nach oben ab. Sie enthält 100 Prozent Chardonnay aus Vertus und ist mit 4 Gramm Dosage pro Liter technisch ein Extra Brut.

Die Verkostung

Um den Jahreswechsel 2022/23 wurden dann die beiden meines Wissens ersten Einzellagenchampagner von Paul Goerg vorgestellt. Ein Anlass, auch die übrigen Champagner des Portfolios zu verkosten – den Blanc de Blancs Vintage und Lady wegen Jahrgangswechsel ausgenommen. Der Auftakt gelingt schon einmal großartig. Der Brut Tradition (60 Prozent Chardonnay und 40 Prozent Pinot Noir aus Vertus) stammt zu 65 Prozent aus dem schwierigen Jahr 2017 und enthält 35 Prozent Reserveweine. Die lange Reife hat ihm ausgesprochen gutgetan, die Dosage von 8 Gramm ist gut integriert. Mit guter Struktur und viel Frische ist er ein ausgezeichneter Allrounder und als Einstieg in das Portfolio sehr bemerkenswert. 90 Punkte. Der Rosé Brut (90 Prozent Chardonnay, 10 Prozent Pinot Noir) ist etwas jünger und stammt vor allem aus dem Hitzejahr 2018. Obwohl er viele Preise gewonnen hat, ist er mir zu direkt und in seiner weichen und etwas vordergründigen Beeren-Aromatik zu eindimensional. 87 Punkte.

Das nächste Trio bildet das eigentliche Kernprogramm des Hauses. Dabei präsentiert sich der jahrgangslose Blanc de Blancs (60 Prozent aus 2016 mit 40 Prozent Reserven) gut entwickelt mit Noten von reifem Apfel bis zur Quitte. Weiches Mundgefühl bei mittlerer Komplexität und etwas Kreideanmutung. Die Dosage ist noch etwas zu spürbar. 91 Punkte. Der Absolu Extra-Brut enthält nur 2 Gramm Dosage  und stammt im Wesentlichen aus dem Jahrgang 2014. Der Champagner präsentiert sich zunächst kantiger, schlanker und fast karg. Im Bouquet finden sich Steinfrüchte, Mandarinen sowie sahnig-laktische Aromen. Zunächst etwas eindimensional, wird der Wein mit zunehmenden Lufteinfluss komplexer. 90 Punkte. Der Vintage 2012 wurde aus 85 Prozent Chardonnay und 15 Prozent Pinot Noir vinifiziert, die Dosage beträgt 5 Gramm. Nach über neun Jahren Hefelagerung präsentiert sich der Champagner perfekt gereift. Schöne aromatische Fülle mit Noten zwischen Honig, Brioche und Mandeln, am Gaumen dann mit animierender Salzigkeit. Ein erster Höhepunkt. 94 Punkte.

Les Parcellaires

Mithilfe des neuen Weinkellers und seinen kleinen Edelstahl-Tanks baut Paul Goerg seit einigen Jahren etwa 15 ausgesuchte Lagen mit alten Chardonnay-Reben wie die benachbarten La Croix Saint-Ladre und Le Pas de Cheval (ganz im Süden von Vertus) oder Les Faucherêts im Osten separat aus. Mit La Justice (dem südlichen Nachbar von Les Faucherêts) sowie Les Monts Ferrés (deren Verlängerung nach Norden bis an die Grenze zu Le Mesnil-sur-Oger) wurden 2022 die ersten Parcellaires in einer Auflage von 1.500 Flaschen auch separat abgefüllt und sind nur in einer Geschenkbox als Doppelpack erhältlich. Beides sind als 2018er Vintage-Champagner, auch wenn es das Etikett nicht vermerkt.

Les Monts Ferrés Extra-Brut stammt von einer 0,94 Hektar großen Lage, die zwischen 1966 und 1975 angepflanzt wurde. Die Trauben des Blanc de Blancs wurden am 3. September 2018 geerntet. Der Wein lagerte drei Jahre auf der Hefe und wurde mit 5 Gramm Dosage abgefüllt. Bei der Verkostung präsentierte sich der Champagner zwar dicht und mit guter Länge, aber aromatisch nicht ganz auf der Höhe – vielleicht ein Problem dieser Flasche? Auch hier half Sauerstoff, und am nächsten Tag entfaltete sich der Wein merklich. Dennoch in dieser Form nur 91 Punkte. Der La Justice Extra-Brut von einem zwischen 1955 und 1965 bepflanztem Lieu-dix von 1,7 Hektar zeigte sich dagegen in Hochform: mit einem sehr breiten aromatischen Spektrum, einer insbesondere für den Jahrgang phänomenalen Frische und intensiver Salzigkeit. 95 Punkte

Mehr über Champagne Paul Goerg in meinem Buch über Champagner.

(c) der Fotos: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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