SLPs Top 5 Champagner auf der ProWein 2023

4 Minuten Lesezeit

Die Champagne hat ein außergewöhnlich starkes Jahr 2022 hinter sich. Auch in Deutschland, das bei über 12 Millionen verkaufter Flaschen einen Umsatzrekord meldete – selbst wenn wir international auf Platz 5 zurückfielen. Auf der ProWein 2023 präsentierten sich knapp 50 Häuser in der beliebten Champagne Lounge sowie gut 150 Maisons, Kooperativen und Winzer im direkten Umfeld der Halle 9 oder bei ihren Importeuren. Hier meine sehr persönliche Auswahl der Top 5.

1. Champage Jacquesson Vauzelle Terme 2013 Extra Brut

Eine Champagnerflasche

Champagne Jacquesson hat für einen Paukenschlag gesorgt, als die Brüder Chiquet den Verkauf zum 1. Oktober 2022 an die Artémis-Gruppe der Milliardärsfamilie Pinault bekanntgaben. Zur ProWein präsentierte bereits der neue Leiter Jean Garandeau die Weine, zugleich Verkaufs- und Marketingdirektor der Artémis Domaines, zu denen unter anderem Château Latour und Clos de Tart gehören. Zu meinem Gespräch mit Jean Garandeau und der Verkostung der gesamten Palette gibt es in Kürze hier einen eigenen Artikel. Vauzelle Terme jedenfalls ist eine winzige, 0,3 Hektar große komplett mit Pinot Noir bepflanzte Parzelle in Aÿ. Der als Einzellage gefüllte Champagner ist also technisch ein Blanc de Noirs. Die im Holz ausgebauten Weine können in heißen Jahren etwas wuchtig und breitschultrig ausfallen. Der spät reife, kühle 2013er-Jahrgang hat einen muskulösen wie eleganten Vauzelle Terme hervorgebracht. Ein ausgezeichneter Essensbegleiter, der freilich noch einige Jahre reifen sollte: 96 Punkte

2. Champagne Gosset 12 ans de cave a minima Rosé Brut

Eine Champagnerflasche

Dies ist ein Coup von Odilon de Varine, dem langjährigen Kellermeister von Champagne Gosset aus Épernay. Und er ließ es sich nicht nehmen, diesen Champagner selbst zur ProWein in Düsseldorf zu präsentieren. Denn mit der limitierten Special Edition „x ans de cave a minima“ – also: „x Jahre Kellerreife mindestens“ hat er gleichsam eine neue Gattung des Champagners erfunden: Champagner ohne Jahrgang, aber mit sehr langer Flaschenlagerung.

Zwar gehört die längere Zeit auf der Hefe grundsätzlich zum Grundkonzept von Gosset. Aber de Varine war zu der Überzeugung gelangt, dass das Vintage-Konzept mit den je nach Region ganz unterschiedlich ausgefallenen Jahrgängen für viele Konsumenten zu kompliziert geworden ist. Bei Gosset gibt es in diesem Fall für die Abfüllung keine Regel, es entscheidet der Zustand der Weine. Nachdem zunächst die Versionen 12 und 15 Jahre für klassische weiße Cuvées vorgestellt wurden, wurde nun auf der ProWein auch der Rosé „12 ans“ vorgestellt: Sicherlich ein Champagner, der polarisiert, mit seiner sehr zarten Rebhuhnaugen-Farbe, sehr dezenten Perlage und der reifen, fast fleischigen Art, die stark von den autolytischen Hefearomen, aber kaum von Frucht oder gar Süße getragen wird. Definitiv zum Essen: 94 Punkte.

3. Champagne Boizel Collection Trésor 1990 Extra Brut

Eine Champagnerflasche

Champagne Boizel gibt es seit 1834 in Épernay, und in den Nachkriegsjahrzehnten produzierte das Haus eine Zeitlang einen Lieblingschampagner der Pariser Schickeria. 1994 verkaufen die Besitzer die Mehrheitsanteile des Unternehmens an die kleine Champagnergruppe von Bruno Paillard und Philippe Baijot (heute das mächtige Lanson-BCC, wobei das B für Boizel steht). Die richtige Entscheidung, denn heute steht Boizel wieder ausgezeichnet da und werden alle strategischen und Assemblage-Entscheidungen weiterhin von der Familie getroffen. Dem runderneuerten Portfolio, das mir Florent Roques-Boizel, CEO seit 2018 und aus der sechsten Generation der Gründer, auf der ProWein präsentiert, werde ich einen eigenen Artikel widmen.

An dieser Stelle möchte ich die Collection Trésor vorstellen, konkret den Jahrgang 1990. Tatsächlich besitzt Boizel eine Schatzkammer mit Champagnern bis zurück auf das Gründungsjahr 1834, aktuell werden die Jahrgänge 1985 und 1990 in sehr geringer Zahl zum Verkauf angeboten. Die Grundweine aus 60 Prozent Pinot Noir, 30 Prozent Chardonnay und 10 Prozent Pinot Meunier blieben 30 Jahre auf der Hefe und wurden im April 2021 degorgiert und mit 3 Gramm pro Liter Dosage versetzt. Die Nase ist ein wenig firn mit etwas Brioche, die Mousse kaum spürbar. Aber am Gaumen wirkt der Champagner höchst lebendig und vielschichtig, mit einer Aromatik, in der sich Nüsse und mediterrane Trockenkräuter verbinden, faszinierend. Ohne Wertung

4. Champagne Pol Roger Cuvée Winston Churchill 2013

Eine Champagnerflasche

Ein Wiedersehen! Pol Roger hat den Winston Churchill 2013 bereits 2022 auf der ProWein vorgestellt, genauso wie die 2015er-Vintages. Mittlerweile wurde zwar in London schon Winston Churchill 2015 vorgestellt, und auch die 2016-er Jahrgangschampagner werden in Kürze ausgeliefert. Es hat aber einen guten Grund für die erneute Präsentation. Schließlich probierten sich alle genannten Champagner im Vorjahr deutlich unter ihrem Potenzial.

Deshalb musste Axel Gilléry, der Exportverantwortliche des Hauses, auch schmunzeln, als er mir die Proben einschenkte. Denn er erinnerte sich nur zu deutlich an meine letztjährige Verwunderung. Nun haben sowohl die Jahrgangschampagner wie die Prestige Cuvée deutlich zugelegt. Die 2015er, weil die vom Hitzejahrgang 2015 zunächst ins Ungleichgewicht gebrachten Champagner ihre Balance wiedergefunden haben. Der aus dem spät reifen, kühlen 2013 stammende Winston Churchill, weil dessen raffinierte Präzision nach der Verkostung der 2015er Wuchtbrummen nur noch zu erahnen war. Heute wirkt der Champagner aufgeblüht und gibt viel von seinem inneren Reichtum frei. Jetzt bin ich auf den 2015er gespannt, den mir Axel Gilléry dann vermutlich auf der nächsten ProWein präsentieren wird … 96 Punkte

5. Champagne Roederer Cristal 2015

Eine Champagnerflasche

Mit dem Vorgänger, Roederer Cristal von 2014, habe ich diese Website letztes Jahr eröffnet – damals anlässlich einer Video-Konferenz mit Kellermeister Jean-Baptiste Lécaillon. Nun gab es sozusagen als Pré-Release den 2015er bei Schlumberger: Wenn ich das richtig sehe, sogar als Weltpremiere. Und das war tatsächlich ein regelrechter Kracher. Wie die Maison es schafft, in einem derartigen Hitzejahr, das für die Region wohl noch schwieriger war als 2018, einen derartig frischen, vor Lebendigkeit sprühenden Champagner zu produzieren, grenzt an ein Wunder: 97 Punkte.

Vielleicht liegt es daran, dass viele Plots des Cristal, 2012 sogar die gesamte Ernte, biodynamisch bewirtschaftet werden. Lécaillon hat letztes Jahr beschrieben, dass der Einfluss auf die Grundweine spürbar ist. Der ph-Wert sei niedriger (und damit die Säure höher), der Trockenextrakt höher. Ein Wermutstropfen ist freilich die Preisentwicklung. Auf der Plattform von Millésima UK wurde der 2015er gerade mit 320 Pfund eingestellt (umgerechnet 360 Euro). Eine deutliche Steigerung noch einmal gegenüber den schon stattlichen 290 Pfund, die für den 2014er verlangt werden.

© Feature Bild: Messe Düsseldorf / ctillmann
© aller übrigen Fotos: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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