In diesem Jahr gab es auf dem Bar Convent einen eigenen kleinen Wein-Schwerpunkt. In sieben Wein-Workshops wurden in der Kalk&Kegel-Lounge gut 70 Weine präsentiert. Die Workshops waren alle gut besucht – aber sie fanden etwas abseits des eigentlichen Messebetriebs statt. Weinproduzenten waren jedenfalls nicht mehr als sonst auf der Messe vertreten. Das heißt: eigentlich fast gar keine. Im Gegenteil fehlte dieses Mal leider die traditionelle Sake-Sonderpräsentation. Bedauerlicherweise waren auch kaum mehr namhafte Cognac-Produzenten vertreten. Dazu kam freilich zum ersten Mal das 2022 gegründete Consorzio Nazionale Tutela Grappa nach Berlin. Dazu gleich mehr. Hier jedenfalls die Top-5 Picks der diesjährigen Messe.
1. Brennerei Humbel Roter Williams 9.1. 2020 wildvergoren
Aber zunächst zu den Obstbränden. Hier gehört die Williamsbirne nach wie vor zu den großen Klassikern. In der Spitze finden sich freilich immer häufiger Brände von der Roten Williamsbirne. Das ist eine etwas aromatischere Mutante mit roter bis mahagonifarbener Schale. Die Schweizer Brennerei Humbel hat diese als Nr. 9 neben der traditionsreichen gelben Williams Birne Nr. 21 als Jahrgangsschnaps im Programm, aktuell von 2021. Seit Kurzem maischt die Brennerei Früchte bei guter Erntequalität in Holzfässern ohne Reinzuchthefen ein. Anders gesagt, führen dann wilde Hefen eine spontane Fermentation durch. Über solche natürlichen Hefen verfügen freilich nur wenige Obstbauern. In diesem Fall stammen die biologisch angebauten Früchte von Beat Humbels eigenem Obstgarten in Stetten im Aargau. Der Vergleich beider Brände ist beeindruckend: Vielleicht zeigt die Nummer 9 die reinere Frucht, aber die wildvergorene Rote Williams 9.1 ist herber, vielschichtiger und konzentrierter. Limitiert auf 106 0,5-Liter-Flaschen und vom Markt praktisch verschwunden.
2. Reisetbauer Roter Williams
Es traf sich gut, dass nur wenige Gänge weiter Österreichs Spitzenbrennerei Reisetbauer ebenfalls einen Roten Williams präsentierte. Den Status, den der BCB mittlerweile (wieder) besitzt, zeigt sich daran, das man an diesem Dienstagmorgen sowohl Hans wie Hansi Reisetbauer am Stand begegnen konnte, also sowohl den Vater wie den Sohn. Auch hier besitzt die Rote Williams einen Sonderstatus. 1989 zum ersten Mal aus Birnen von gerade einmal 300 Bäumen gebrannt, entstand sie aus der Anfrage des Skiclubs Arlberg nach einer Sondercuvée. Heute ist die Produktion größer, aber das Skiclub-Wappen ziert die Flasche noch immer. Hansi Reisetbauer findet die Aromatik der dünnschaligeren roten Sorte eleganter als die der gelben Variante. Um einen möglichst komplexen Brand zu gewinnen, werden jeweils Partien unterschiedlicher Jahrgänge und auch verschiedener Reifestadien miteinander verschnitten, von leicht unreifen bis vollreifen Früchten. Durch die Verarbeitung in der ultramodernen Brennerei bei Linz in Oberösterreich entsteht ein enorm reiner, fast ätherischer Birnenbrand.
3. Rossi d’Angera Grappa Altana del Borgo 2005
Das Grappa-Consortium lud mich dankenswerterweise zu einer hoch konzentrierten, von den jeweiligen Erzeugern kommentierten Verkostung ein. Das erlaubte einen einzigartigen Blick auf die enorme Vielfalt der gegenwärtigen Grappa-Szene und ihre aktuellen Strömungen. So standen Gewürztraminer von Roner aus Südtirol neben Amarone-Grappe von Bonollo aus Venetien. Tiefdunkle, sieben Jahre im Barrique gereifte Tresterbrände von Castagner neben glasklaren aus der Amphore (!) vom Marzadro. Am beeindruckendsten für mich: Rossi d’Angeras Grappa Altana del Borgo von 2005. In diesem Jahr aus verschiedenen Varianten von Moscato-Trauben gebrannt, mit anschließender 15 jährigen Reifung in französischer Eiche. Das 1847 gegründete Haus aus der Nähe des Garda-Sees hat sich bei seinen Moscato-Grappe ganz verschiedener Herkünfte der Beratung von Antonella Bocchino versichert. Die Brennmeisterin gilt als die Königin des Moscato-Grappas. Die Aromatik jedenfalls ist außergewöhnlich raffiniert, mit Orangenblüten und getrockneter Aprikose, zugleich luxuriös wie elegant. Das ist „alta moda“ in bestem italienischen Sinne.
4. Ardnahoe 5 Inaugurial Release
Letztes Jahr berichtete ich über die Sonderabfüllung des Talisker 2008 Oloroso Quarter Cask Whisky von Hunter Laing & Co. aus Glagow. Dieser Jahr hatte das 2013 gegründet Unternehmen mit jahrzehntelanger Branchenexpertise seinen ersten eigenen Whisky mitgebracht. Tatsächlich hatten die Laings erst 2016 die Baugenehmigung für eine eigene Brennerei auf der schottischen Insel Islay erhalten. 2018 wurde dann das erste Batch destilliert. Und im Mai 2024 ist der Ardnahoe Inaugurial Release mit einem Alter von 5 Jahren auf den Markt gekommen. Damit ist Ardnahoe die neunte Destillerie der Insel und die erste Neugründung seit 2009.
Der Name stammt übrigens vom nahe gelegenen Loch Ardnahoe, der die Destillerie mit weich getorftem Wasser versorgt. Der Brand reift zu 80 Prozent in Oloroso-Sherry und 20 Prozent in Bourbon-Fässern, abgefüllt wird mit 50 Volumenprozent Alkohol. Keine Kühlfilterung, keine Kolorierung – und mit 40 ppm Phenolgehalt kraftvoll getorft. Es gibt bei der Herstellung ein paar Besonderheiten, weswegen ein Blick auf die Homepage lohnt. Das Resultat ist ungemein wuchtig, sehr rauchig, mit jugendlicher Fruchtaromatik, Speck und noch etwas Schärfe. Sehr beeindruckend und ein vielversprechender erster Aufschlag! Die nächste Abfüllung Ardnahoe Infinite Loch kommt in diesen Tagen auf den Markt.
5. Milam & Greene Unabridged Bourbon Whiskey Volume 2
Es ist einer dieser Lebensläufe, um die viele Europäer die USA beneiden. Heather Greene verschlug es als Musikerin nach Schottland, wo sie sich in Whisky verliebte. Sie arbeitete für die Scotch Malt Whisky Society in Edinburgh, war als Jurorin tätig und begann, für Magazine zu schreiben. 2014 veröffentlichte sie das Buch „Whisk(e)y Distilled“. 2019 gründete sie gemeinsam mit Marsha Milam die Brennerei Milam & Greene. 2021 wurde ihr Port Finished Rye als „Best In Show“ bei den Craft Spirits Awards ausgezeichnet. Was dann „Forbes“ zu einem Porträt unter der Schlagzeile „The World’s Best Whiskey“ veranlasste. 2023 wurde sie als „Master Blender of the Year“ ausgezeichnet.
Milam & Greene besitzen eine eigene Destillerie in Blanco, Texas. Und, mindestens ebenso wichtig, ein Blending-Lab im ehemaligen Texas Military Institut, genannt „The Castle“, in Austin Texas. Hier werden American Bourbons, aber auch ein Rye, mit Ausgangsmaterialien aus bis zu drei Bundesstaaten kreiert: Kentucky, Tennessee und eben Texas. Aus unterschiedlichen Getreidesorten, Fässern und Klimazonen. Im heißen Texas beträgt der „Angels’s share“ bis zu zwei Drittel des ursprünglichen Volumens. „Texas weather finished“ nennt Heather Greene den Einfluss auf Brände, die etwa in Kentucky destilliert, aber in Texas gelagert wurden. Der komplexteste aller Brände von Heather Greene ist der Unabridged Bourbon Whiskey. In Fassstärke von 59,8 Prozent aus 56 Fässern abgefüllt, enthält der Volume 2 von 2023 sechs verschiedene Bestandteile aus Tennessee, Kentucky und Texas. Deren jeweiliges Volumen variiert von zwei bis elf Fässern und einem Alter zwischen zwei und 16 Jahren. Ein sehr vielschichtiger Bourbon, mit Noten von Leder, Schwarztee, Rosinen und Tabak.
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