SLPs Top 8 vom Bar Convent Berlin 2023

Der BCB wächst. 15.000 Besucher aus 91 Ländern, und damit einen Zuwachs von immerhin 20 Prozent, meldet der Veranstalter. 544 Aussteller und Partner haben in diesem Jahr den Weg in die Berliner Messehallen gefunden. Wie im vergangenen Jahr stellt Sur-la-pointe auch diesmal wieder seine Top-8-Picks vor.

6 Minuten Lesezeit

Wir hatten die Tendenz bereits im letzten Jahr notiert. Wein- und Barwelt driften immer mehr auseinander, zumindest im Bar Convent Berlin. In diesem Jahr hielt Nicolas Feuillate die Champagnerfahne aufrecht (immerhin mit dem Prunkstück Palmes d’Or 2008). Sherry gab es nur noch bei Emilio Lustau und Gonzalez Byass (sehr schöner Fino En Rama Edition 2023, rechts im Bild). Und auch die Sake-Präsentation hielt sich diesmal stark in Grenzen. Immerhin gab es diesmal wieder einige japanische Still- und Schaumweine zu verkosten. Qualitativ trennt diese aber noch so einiges von Spitzen-Sakes. Wie etwa von unserem ersten Pick:

1. Akashi-Tai Junmai Daiginjo Genshu Sake

Die Akashi-Brauerei hat ihren Sitz im gleichnamigen Küstenort in der westjapanischen Präfektur Hyogo unweit von Kōbe. Hyogo gilt vielen als führende Sake-Region. Das liegt einmal an der langen lokalen Tradition und der Vielzahl erstklassiger Braumeister (tōji). Sodann am besonderen mittelharten Miyamizu-Quellwasser im Schatten des Rokkō, des Hausberges von Kōbe. Vor allem aber an der Reissorte Yamadanishiki, dem „glitzernden Stern der Sake-Welt“ (Nancy Matsumoto). Akashi-Tais Top-Produkt wird zu 100 Prozent aus Yamadanishiki gebraut und er wird unverdünnt und ohne zusätzlichen Alkohol (Junmai Genshu) abgefüllt. Das Wort Daiginjo steht für eine hohe Polierrate, hier beträgt sie hohe 38 Prozent. Das Resultat ist ein sehr eleganter, ausdrucksstarker Sake mit dezenter Umami-Wucht und feiner Fruchtigkeit. Die Famile  Yonezawa braut seit 1856, seit 1917 unter dem Namen Akashi-Tai. Zum 100. Geburtstag wurde die Kaikyō-Destillerie eingeweiht, in der neben einem Gin auch Malt Whisky unter der Marke Hatozaki gebrannt wird.

2. Talisker 2008 Oloroso Quarter Cask Whisky (Hunter Laing & Co.)

Über Talisker muss man keine großen Worte machen. Die einzige Destillerie auf der Isle of Skye ist berühmt für seinen individuellen Malt Whisky, für den neben dem recht hohen Phenolgehalt vor allem das sehr torfhaltige Wasser vom Cnoc-nan-Speireag verantwortlich ist. Für Jim Murray ist Talisker „ein Erlebnis − zweifellos einer der größten Whiskys der Welt“. Ein Satz, den ich auch unterschreiben würde, wenn das Haus in letzter Zeit nicht auch einige recht kommerzielle Abfüllungen produziert hätte. Der 2008er-Abfüllung aus Sherry-(genauer: Oloroso)-Fässern zeigt Talisker aber auf der Höhe seiner Ausdruckskraft: eine wuchtige Vermählung von Rauch, Salzlake und Frucht, kraftvoll, vielschichtg und mit sehr langem Abgang. Abgefüllt wurde die Flasche im Mai 2023 von Hunter Laing & Co., einem Familienunternehmen aus Glasgow, das seit 1949 Whiskies blendet. Die Serie The Old Malt Cask wurde 1998 gegründet. Leider nur 128 Flaschen verfügbar.

3. Glenfarclas The Family Casks 1992 Single Malt Scotch Whisky

Oops!… They Did It Again. Glenfarclas brachte wieder ein altes Handelsmuster aus der Family-Cask-Serie mit zum Bar Convent. Diesmal den Jahrgang 1992, Cask 5984, gefüllt im Oktober 2018 mit einer Fasstärke von 53,5 Prozent. Im letzten Jahr habe ich bereits über 1994 geschrieben, mein persönliches Tasting-Highlight des BCB 2022. Auch diesmal war die Präsentation der 1836 gegründeten und seit 1865 im Besitz der Familie Grant befindlichen Brennerei aus Speyside ein Highlight der Messe. Der 105 Proof Cask Strength (mit 60 Prozent Alkoholgehalt) ist ein absoluter Preis-Leistungs-Knaller. Der 25-jährige ein Muster an komplexer Eleganz. Das Muster der Family-Cask-Serie von 1992 zeigte sich dann expressiver, mit gerösteten Haselnüssen, altem Oloroso, Vanille und Trockenpflaumen.

 

4. Michter’s 10 Years Single Barrel Kentucky Straight Rye Whiskey

Mitcher’s ist ein legendärer Name für die US-amerikanische Whiskey-Historie. Denn schließlich war der Vorvorgänger Schenk’s in Schaefferstown, Pennsylvania, die erste bekannte Destillerie der USA − worauf das Unternehmen mit der Bezeichnung US*1 verweist. Der Roggen (Rye) stand am Anfang, weshalb ihn manche vor dem Bourbon als ur-amerikanischen Whiskey bezeichnen. Nach einem Bankrott 1989 und der Neuaufnahme der Produktion 2004 steht Mitcher’s heute wieder glänzend da − allerdings mittlerweile in Kentuckey, was für Traditionalisten Anlass von Kritik war. Unbestreitbar produziert Mitcher’s einige der besten reinsortigen Ryes des Landes. Sie alle überragt der 10 Jahre alte Rye Single Barrel. Der schlug im direkten Vergleich auch die beiden raren Spezialabfüllungen Bomberger’s Declaration 2023 Release Kentucky Straight Bourbon Whiskey sowie Shenk’s Homestead 2023 Release Kentucky Sour Mash Whiskey. Mit der einmaligen Würzigkeit des Roggens und bei aller Kraft doch auch kultuviert und sehr lang anhaltend. Große Klasse!

5. Reservoir Virginia Rye Whiskey

Virginia war einmal ein Zentrum der Whiskey-Destillation − selbst Präsident George Washington hat hier Ende des 18. Jahrhunderts gebrannt. Von diesem Erbe war Anfang dieses Jahrhunderts wenig übriggeblieben, als die Jugendfreunde Dave Cuttino und Jay Carpenter 2008 beschlossen, eine Small-Batch-Destillerie in Richmond, Virginia, in Betrieb zu nehmen. Ihr Fokus war von Anfang an auf High-end-Spirits gerichtet, und konsequenterweise stehen im Kern des Sortiments drei Single Grain Whiskeys. Ein Whiskey aus 100 Prozent Weizen, ein Bourbon aus 100 Prozent Mais und schließlich der Rye aus 100 Prozent Roggen.

Dazu kommt ein lokal ausgerichteter Ansatz. Alle Rohstoffe entstammen aus Virginia in einem Umkreis von 45 Meilen um die Brennerei. Allen Details gilt eine enorme Sorgfalt. Cuttino bezeichnet den Ansatz nicht nur als „grain [Korn] to glass“, sondern auch „acorn [Eichel] to glass“. Eine Anspielung darauf, welche Bedeutung der Reife in Holzfässern zukommt. Deren Inneres wird scharf ausgeflammt, sodass sich eine Kohlenschicht bildet, die an eine Alligator-Haut erinnert („Alligator Char“). Das sorgt einmal für die rote Farbe, dann aber auch für intensive Noten von Rauch, Karamell und Vanille. Dazu kommt die enorm wuchtige Würze des relativ jungen (drei bis vier Jahre alten) Roggendestillats. Abgefüllt wird jährlich aus separaten Batches mit 100 Proof (50 % Alk.).

6. Maison du Rhum Rhum vieux Antilles Françaises

Rum ist als Spirituosenkategorie im letzten Jahrzehnt auch in Deutschland sehr populär geworden. Allerdings wird das Angebot im Wesentlichen dominiert vom spanischen Stil, der als Ausgangsprodukt Melasse, also dunkelbraunen Zuckersirup benutzt und zumeist durch seine Weichheit und Süße sehr zugänglich ist. Der französische Abfüller Maison du Rhum hat es sich zur Aufgabe gemacht, authentische alte Rums aller Stile, also neben spanischen Rons auch englische Rums (auch Melasse, aber kräftiger und weniger süß) und französische Rhums aus reinem Zuckerrohrsaft (fruchtiger und komplexer) anzubieten. Mein Favorit aus dem Sortiment war daher nicht der neu vorgestellte 20-jährige Rum aus Panama, sondern ein 2014 destillierter und 2023 abgefüllter Rhum vieux von den französischen Antillen (ganz links im Bild). Gereift in alten Bourbon- und einem Finish in Sherry-Fässern verblüfft dieser sehr strukturierte Brand durch seine trockene Art und − neben Aromen von Trockenfrüchten und Tabak − kräutrig-würzige Noten. Für Puristen eine hoch willkommene Alternative zum „Spanish Mainstream“.

7. Christian Drouin Calvados des Pays d’Auge AOC Millésime 2003

Bei Calvados denkt man an Gläser mit Deckelchen und Zwiebelsuppe. Zu sagen, dass der Apfelbrand aus der Normandie hierzulande ein verstaubtes Image hat, ist leicht untertrieben. Das mag auch daran liegen, dass in Deutschland, immerhin der größte Importeur, eine einzige Handelsmarke 80 Prozent des Marktes dominiert. Dabei ist die Zahl der handwerklichen Produzenten in Familienbesitz in der Normandie immer noch sehr hoch. Einer der Spitzenerzeuger ist die Maison Drouhin, 1960 gegründet von Christian Drouin nahe Honfleur im Department Calvados, die aber erst 1979 mit der Vermarktung ihrer ersten Brände beginnt. Von Anfang an ist es das Ziel des Hauses, ihren Calvados lange in unterschiedlichen Fässern reifen zu lassen und höchste Qualitäten zu produzieren. Heute erstreckt sich das Portfolio des mittlerweile von Enkel Guillaume Drouin geleitete Unternehmen von einem weißen Eau de vie de Cidre aus Bio-Äpfeln aus Small Batches über finessenreiche XOs aus der AOP Pays d’Auge bis hin zu Expérimental-Reihe, etwa einem 19 Jahre alten und 17 Monate in Foursquare-Rum-Casks aus Barbados gereiften Calvados. Mein persönlicher Favorit war freilich der Sauternes-Fässern ausgebaute Le Millésime 2003. Nicht zu süß, sehr raffiniert und mit nur noch einer Idee von apfeliger Primärfrucht ist er gleichsam eine Apotheose des Calvados.

8. Schladerer Rarität No 3 Rote Williams-Birne aus dem Rhonetal

Klassische Obstbrände und Geiste findet man auf dem BCB nicht allzu häufig. Aus der Schweiz präsentierten Etter und (als Premiere) Morand – aus Deutschland die Schladerer Hausbrennerei. Das Traditionshaus aus Staufen im Schwarzwald ist hierzulande breit aufgestellt und versucht immer wieder, sich auch im Ultra-Premium-Segment zu positionieren. Brandneu auf der Messe war der Relaunch der in 225-Liter-Eschenholzfässern gereiften und als Single-Cask abgefüllten Raritäten. Diese umfassen eine Zibarte aus Baden, eine Sauerkirsche aus dem Markgräfler Land, eine Wildschlehe aus den Karpaten, eine Haselnuss aus der Schwarzmeerregion und eine Rote Williamsbirne aus dem Rhonetal. Nur Letztere, in kleiner Flasche und mit Angabe von Fass- und Flaschennummer, konnte ich verkosten. Das war schon einmal sehr vielversprechend. Generös und pur zugleich, mit dezenter Abbildung der Birnentextur und guter Länge. Der beste von mir verkostete Obstbrand auf dem BCB 2023. Verkaufsstart ist der 1. November.

Und zum Schluss …

Was mir dieses Jahr besonders positiv auffiel, war die Lust vieler Aussteller zum Experiment. Einmal natürlich in vielen kleinen Sonderabfüllungen von Spirituosen mit Fassstärken, Holz-Varianten oder alternativen Ausgangsmaterialien. Manche Produzenten hatten sogar interne, unverkäufliche Muster mitgebracht, um ihre Erfahrungen mit Messebesuchern zu teilen. Cognac Ferrand etwa. Das Haus ist an sich ja schon bekannt dafür, neue Pfade einzuschlagen. Etwa der 1840 Cognac Pierre Ferrand Original Formula 1er Cru Grande Champagne. Der wurde mithilfe eines Historikers im Stile eines Cognac von vor der Reblauskrise kreiert. Zur Messe stellte die Maison dann Jahrgangs-Muster aus ganz unterschiedlichen Hölzern und von verschiedenen Rebsorten vor. Eindrucksvoll etwa ein 2015er aus 100 Prozent Colombard in Fasstärke. Zur Nachahmung empfohlen!

Bildrechte:

Beitragsbild: © BCB / FRBMedia

Alle übrigen Photos: Stefan Pegatzky / TimeTunnel Images

Kommentar

Your email address will not be published.

Zuletzt gepostet