Es war von Anfang an eine portugiesisch-französische Melange. Denn die Casa Rozès, die in diesem Jahr ihren 170. Geburtstag feiert, wurde 1855 in Bordeaux von Ostende Rozès gegründet. Dessen Sohn Edmond schuf 1930 die Marke „Porto Rozès“, aber während des Krieges zog sich das Haus aus Portugal zurück und sollte erst 1956 zurückkommen. 1974 verkaufte die Familie das Unternehmen. Nach einigen Stationen sollte es schließlich 1987 in die Hände des gerade gegründeten Luxuskonzerns LVMH übergehen. Ein Jahr zuvor, und hier wird die Geschichte etwas kompliziert, war die berühmte Abtei São Pedro das Águias (SPdA) in Duoro-Tal mit seiner Quinta in einem heruntergekommenen Zustand vom Champagnerhaus Vranken gekauft worden. São Pedro das Águias sollte Portweingeschichte schreiben, denn es war das erste Haus, das seine Portweine direkt aus dem Duoro-Tal versendete. Vor dem EU-Beitritt Portugals war das nur in Vila Nova de Gaia ansässigen Händlern gestattet.
Eine komplizierte Entstehungsgeschichte

Zwar verlor Besitzer Paul-François Vranken den Besitz 1996 wegen einer Scheidung, aber ihm blieben die Markenrechte an SPdA. Vranken kaufte dann 1999 Rozès von LVMH und fusionierte es 2002 mit SPdA. Damals bereits die entscheidende Figur: António Saraiva. Saraiva hatte in Bordeaux studiert und wurde 1988 Önologe und 1998 Generaldirektor von SPdA. Nach der Übernahme von Rozès wurde er Chef von S PR Vinhos, wie das fusionierte Unternehmens hieß, bis es 2005 wieder in Rozès umbenannt wurde. Rozès besaß ursprünglich keine Weinberge, aber Vranken erwarb von früh an Quintas in der Region. Die Krönung war Quinta do Grifo im abseits gelegenen Duoro Superior an der Grenze zu Spanien. Sie besitzt zwei Dutzend Hektar Weinberge der A-Klassifikation, der Spitze des bis F reichenden Systems am Duoro. 2005 wurde Quinta do Grifo mit zwei anderen Quintas zur Marke Terras do Grifo zusammengefasst. Von hier kommen die trockenen Weiß- und Rotweine der Gruppe.
Die Weißweine der Terras do Grifo

Den Beginn machen die Weißen, die alle aus autochthonen portugiesischen Rebsorten bestehen. Bei den hochwertigen Cuvées ab der Reserva kommt Malvasia Fina ins Spiel, in der Grande Reserva auch Arinto. Ein sehr guter Einstieg ist Essência 2024, den es nur in der Magnum gibt. Frisch, leicht, knochentrocken und leicht salzig ist das ein idealer Fischwein (88 P.). Unkompliziert, mit ausreichender Dichter und Säure auch der Branco 2023 mit ausgezeichnetem Preis-Leistungs-Verhältnis (86 P.). Anspruchsvoller, mit dezenter Hefe in der Nase und zarter Cremigkeit präsentiert sich die Reserva 2022 (88 P.).
Als nicht so stimmig empfand ich die Grande Reserva 2019. Sehr reifes Traubenmaterial, dazu starker Holzfasseinsatz: Der Wein zielt auf französische „Grand Vins“, ist aber nicht präzise genug (89–90 P.). Richtige Klasse hat dagegen Vinhas Velhas 2020. Der Wein stammt von sieben Traubensorten auf sehr Rebanlagen, die hier im gemischten Satz bepflanzt sind. Blassgelb mit grünen Reflexen, noch fast karg im aromatischen Ausdruck, aber sehr präzise, und mit feiner Mineralik (94 P.).
Die Rotweine der Terras do Grifo
Ebenfalls ausschließlich aus autochthonen portugiesischen Rebsorten werden die Douro-DOP-Rotweine von Terras do Grifo produziert. An erster Stelle sind das natürlich Touriga Nacional und Touriga Franca. Je nach Cuvée können aber auch Tinto Cão, Sousão oder Tinta Roriz dazukommen. Tinto 2021 zeigt sehr saubere rote und schwarze Früchte ohne jeden Anflug von Likör bei mittlerer Dichte und Länge (87 P.). Die Reserva 2020 ist dann in seiner Klasse ein ganz starker Wurf. Schwarze Früchte, Five Spices und etwas Menthol in der Nase, am Gaumen präzise und mit schöner Säure (90 P.).
Der aktuelle Jahrgang der Grande Reserva ist 2017. Auch hier gibt es ein eine schöne Frucht und viel Würze im Bouquet. Am Gaumen dann vielschichtiger, bei präsenter Säure, aber auch spürbarer bitterer Phenolik. Im Abgang dann etwas kurz (90 P.). Der Vinhas Velhas stammt ebenfalls aus 2017 und ist wie sein weißes Gegenstück ein Field Blend. Die 14,7 Prozent Alkohol sind spürbar, ebenso wie der 22-monatige Ausbau im französischen Holz. Es ist ein starker, komplexer Wein, der aber nicht völlig im Gleichgewicht ist und weniger überzeugt als der Branco (90 P.).
Die Portweine von Rozès
Von der enormen Vielfalt des Port-Portfolios von Rozès hatte António Saraiva nur einen kleinen Ausschnitt mitgebracht. Den Auftakt machten zwei Weine aus der Colors Collection, einer Einstiegslinie mit einer – zumindest aus Berliner Perspektive – etwas gewöhnungsbedürftigen Ausstattung. Tatsächlich präsentierte sich der rote Reserve sauerkirschig-hedonistisch, aber durch sein Tannin durchaus ausbalanciert. So etwas kann man tatsächlich auch „on ice“ trinken (85 P.). Über den White Reserve decke ich den Mantel des Schweigens: enorm cremig, aber mit spürbarem Alkohol, zu süß und ohne jede Harmonie. Aus einem anderen Universum stammt der Late Harvest 2022, der einzige Wein von Rozès aus einer einzigen Rebsorte: Malvasia Fina. Im Akazienholz ausgebaut, zeigt der Wein schwere weiße Blüten und Walnusshaut im Bouquet. Am Gaumen nicht zu süß und wirklich elegant. Mit einigem Potenzial zur Alterung (91 P.).
Den ersten Schritt ins „klassische“ Port-Universum beschreitet der Tawny Port Infanta Isabel 10 years old. Der ist recht süß, aber transparent und gut gemacht (88 Punkte). Fast zu groß – denn ich hätte doch gerne zumindest einen Vintage Port verkostet – war dann der Sprung auf den Abschluss der Verkostung. Dieser war der 2022 gefüllte Tawny Port Dom Rozès Aged 50 Years. Von ihm sagt António Saraiva, dass die jüngsten im Blend enthaltenden Ports 50 Jahre alt sind. Er kommt in einer eindrucksvollen 1-Liter-Flasche, die an das 18. Jahrhundert erinnert. Es gibt hier neben einem ganzen Fächer an Walnuss-Aromen immer noch erstaunlich viel intakte Frucht und eine schöne Säure (96 P.). Er ist ein stolzer Erbe einer Welt der oxidativen Weinproduktion, die am Douro einige ihrer beeindruckendsten Beispiele überhaupt hervorgebracht hat.
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Plakat: 1stDibs.com, Inc / Casa Rozès
Alle übrigen: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images