Manchmal zählt jeder einzelne Meter. Die Landschaft um das Dörfchen Pomerol im französischen Bordelais kennt kaum Höhenunterschiede. Doch die Weinpreise eines Weinguts auf 35 Meter über dem Meeresspiegel unterscheiden sich von denen auf 20 Meter gut und gerne um eine zusätzliche Null vor dem Komma. Kommen noch einmal fünf Meter hinzu, sind es bereits zwei Nullen – womit wir dann im Tausend-Euro-Bereich wären. Vielleicht nur noch im burgundischen Vosne-Romanée verwandeln sich geologische Unterschiede auf kleinstem Raum derartig dramatisch in finanzielle Differenzen wie im Pomerol. Kein Wunder, dass der Begriff Terroir auf den führenden Châteaux der Appellation nicht nur ein Marketing-Schlagwort ist.
Im Herzen von Pomerol
„Dies ist das goldene Herzstück von Pomerol“. Olivier Trégoat, Technischer Direktor der Rothschild-Domänen, deutet mit dem Finger auf ein grünes Rechteck. Auf der Karte an der Wand zeigt es die Parzelle Dubuch im Nordosten des Weinguts, durch die wir noch vor einer Stunde hindurchspaziert sind. Dort stehen die höchstgelegenen Rebzeilen des Weinguts. Kiesel wie in den Nachbarparzellen finden sich dort kaum mehr, und die Erde ist weniger bräunlich als grau gefärbt. Es scheint nur eine unscheinbare Kuppe zu sein, ist aber eine geologische Extravaganz: ein Überbleibsel 35 Millionen Jahre alter Tonformationen, die einstmals die ganze Region prägten. Während das übrige Land bis auf eine Höhe von gut 35 Metern während der vor gut einer Million Jahre einsetzenden Eiszeiten durch mehrere unterschiedliche Schichten aus Schwemmwasser-Sedimenten, zunächst während der Günz-Eiszeit aus Kieseln, danach vornehmlich durch Sand bedeckt wurde, blieb an der höchsten Stelle eine Formation von gut 12 Hektar reinen, beinahe blau gefärbten Tonbodens zurück. Dieser weist einen hohen Anteil an Smektiten auf, sogenanntem quellenden Ton, der ein höheres Wasserrückhaltevermögen besitzt als die Illit-Tone im Westen des Plateaus. Für Reben unbezahlbar.
In der sanften Terrassenlandschaft des Pomerol bildet das auch „Boutonnière de Pétrus“, also Knopfloch von Château Pétrus genannte, mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbare Hügelchen heute den Scheitelpunkt. Der Boden gleitet von hier sanft in alle Himmelsrichtungen zu den vier durch Flüsse markierten landschaftlichen Grenzen der Region: der Dordogne, der Isle, der Barbanne und des Tallas. Die jeweilige (Höhen-)Lage des Weingutes innerhalb dieser Terrassen entscheidet über dessen finanziellen Wert. An der Spitze steht natürlich Château Pétrus, auf dessen Gebiet sich die nach ihm benannte, nur wenige Meter hohe Erhebung vornehmlich erstreckt. Weniger bekannt ist, dass auch die Châteaux Vieux-Château Certan und La Conseillante Anteile daran haben – und Château L`Évangile mit seiner mehr als 2 Hektar großen Parzelle Dubuch.
Das Terroir von L‘Évangile

Dass wir uns diese Situation nicht im Weinberg selbst, sondern anhand einer ausführlichen Bodenkarte im Maßstab 1:2500 ansehen, hat einen besonderen Grund: Olivier Trégoat ist selber ein ausgesprochener Spezialist in Sachen Bodenkartierung, hat er doch während seines Studiums mit dem führenden Terroir-Experten des Bordelais, Cornelis van Leeuwen von der Universität Bordeaux zusammengearbeitet und zahlreiche Artikel mit ihm veröffentlicht. Trégoats Doktorarbeit bestand in einer vergleichenden Bodenstudie der im „Club acht“ organisierten Bordelaiser Spitzenweingüter, zu denen unter anderem Château Lafite, aber auch die L`Évangile Nachbarn Château Pétrus und Château Cheval-Blanc gehören. Anschließend beriet er unter anderem als Gründer der Firma „Olivier Trégoat Viti-Development“ zahlreiche Weingüter zu Fragen der Weinberggeologie und -bewirtschaftung – nicht zuletzt die Rothschild-Familie.
2015 wechselte Trégoat fest in die Dienste von DBR und übernahm die Technische Direktion der Weingüter außerhalb des Bordelais (neben China im Languedoc, in Chile und in Argentinien), im Juli 2020 dann die Technische Leitung der Châteaux Paradis Casseuil (Entre-deux-mers), Rieussec in Sauternes and L`Évangile. Mit Trégoat, der neben der Bodenkunde insbesondere auch zu Fragen der Wasserversorgung von Reben und deren Stickstoffhaushalt sowie zum Laubmanagement gearbeitet hatte, hatte DBR einen der führenden Weinbauexperten seiner Generation an Bord geholt.
Die Güte der Böden von Château L`Évangile war aber natürlich auch schon vor der Ankunft von Olivier Trégoat bekannt. Tatsächlich ist das Weingut eines der ältesten in Pomerol und wurde bereits 1741 als Besitz der Libourner Familie Léglise unter dem Namen „Fazilleau“ urkundlich erwähnt. Auf der Belleyme-Karte von 1785 sind als nördliche Nachbarn Certan und Gazin, als südliche die heute zur Appellation Saint-Émilion gehörende Anwesen Cheval-Blanc und Dominique verzeichnet, aber auch Conseillante, das heute westlich an Château L`Évangile angrenzt. Nach der Revolution wurde das gut 13 Hektar große Anwesen an den Rechtsanwalt Pierre-Raymond Isambert verkauft, der auch Eigentümer von Château Trotte Vielle in Saint-Émilion werden sollte und Fazilleau ganz unbescheiden in „Domaine L`Évangile“ umbenannte: das Evangelium.
Die Weinhändler von Libourne
1862 wurde das Weingut dann von Jean-Paul Chaperon erworben, der aus einer renommierten Libourner Händlerfamilie stammte. Er investierte in das Weingut und ließ 1874 das kleine Schloss im Stil des Zweiten Kaiserreiches sowie einen kleinen Park errichten. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Bereits in der 1868er-Ausgabe des Bordeaux-Almanachs Cocks & Féret – der ersten, in der das Pomerol aufgenommen wurde – ist das Weingut als „Premier Cru de Pomerol“ verzeichnet. Zudem wird notiert, dass „dieses Gewächs in guten Jahren … die höchsten Preise erzielt, welche in Pomerol bezahlt werden.“ Durch die Heirat von Chaperons Tochter Louise mit Louis Ducasse, dem Besitzer von Château Larcis-Ducasse in Saint-Émilion, fiel L`Évangile schließlich an eine Familie mit eminenter historischer Bedeutung, hatte doch ein „Präsident Ducasse“ gut 30 Jahre zuvor mehrere Teile aus dem Besitz von Château Figeac erworben und daraus Château Cheval-Blanc geformt.
Bis zum Zweiten Weltkrieg blieb die Qualität von L`Évangile an der Spitze der Appellation. Im Féret von 1900 und 1929 rangiert das Weingut auf dem dritten Rang hinter Château Pétrus und Vieux Château Certan, in der Klassifikation der Courtiers von 1941 in der siebenköpfigen Spitzengruppe direkt hinter Pétrus. 1947 wurde schließlich ein legendärer Wein auf L`Évangile erzeugt, der noch heute zu den Ikonen des Pomerol zählt. Als das Weingut 1956 wie die ganze Region Opfer der verheerenden Frostkatastrophe wurde, reagierte die Familie rasch und übertrug Louis Ducasse, dem Enkel des gleichnamigen Vorfahren, die Leitung.
Unter ihm, der von der Gleichrangigkeit von L`Évangile mit Pétrus überzeugt war, wurden zwei Drittel der Weinberge neu bepflanzt und die zuletzt etwas unregelmäßige Qualität wieder gesteigert. Aus heutiger Sicht kaum zu fassen, aber bereits die 1959er und 1961er Weine aus größtenteils sehr jungen Reben gehören erneut zu den ganz großen Exemplaren dieser Jahrhundertjahrgänge. 1982, nach dem Tod von Ducasse, übernahm dessen bereits 78-jährige Witwe Simone Ducasse die Direktion, die umgehend und mit einigem Erfolg Michel Rolland als Berater verpflichtete. 1990 allerdings verkaufte die ohne Nachkommen gebliebene Simone einen 70prozentigen Anteil an Château L`Évangile an den Lafite-Zweig der Rothschild Familie unter Eric de Rotschild, 1998 dann die verbliebenen 30 Prozent.
L`Évangile und die Familie Rothschild
Der neue Eigentümer sorgte im Jahr darauf erst einmal mit einem Paukenschlag, indem er keinen 1991er L`Évangile abfüllte, sondern stattdessen den neuen Zweitwein Blason de L`Évangile vorstellte. Zudem wurde behutsam investiert, insbesondere in neue Barriques. Mit der vollständigen Übernahme und der Installierung des Technischen Managers von Lafite und Duhart-Milon, Dominique Befve, als erstem Technischen Direktor des Weinguts wurde dann richtig Gas gegeben. Ab 1998 wurden die Weinberge zum großen Teil neu angelegt und 2004 − mittlerweile hatte Jean-Pascale Vazart, der Château Le Bosq aus dem Dornröschenschlaf geweckt hatte, Dominique Befve, der als Gutsdirekter zu Château Lascombes in Margaux gewechselt war, abgelöst – wurde der Weinkeller komplett neu nach dem Gravitationsprinzip angelegt, wobei der Barriquekeller mit seiner kreisrunden Architektur prägnant an den von Château Lafite erinnert.
Trotz der umfangreichen Neuanpflanzungen dieser Jahre lag das Augenmerk in diesen Jahren vor allem auf Önologie und Kellertechnik. So definierte Dominique Befve sein Rezept mit dem Satz: „Auf L’Évangile hatten wir ein großartiges Terroir, nachdem wir auch großartige Technologie hinzufügten, produzierten wir auch großartige Weine.“ Tatsächlich wurden in diesen Jahren einige großartige Weine erzeugt (wie 2000 und 2009), doch gingen in den Nullerjahren die wesentlichen Impulse für die Weinwelt von einer Rückkehr zu Weinberg und Terroir aus und drängte sich allmählich der Begriff Klimawandel in den Vordergrund. Als Saskia de Rotschild 2016 zunächst die Stellvertreterin ihres Vaters Eric wurde und diesen dann 2018 als Vorstandsvorsitzende der Domaines Barons de Rothschild ablöste, wurde rasch deutlich, dass für sie neben dem Erhalt der Rothschild-typischen Delikatesse und Alterungsfähigkeit der Weine die Themen Vitikultur und Nachhaltigkeit im Zentrum stehen würden, mit einigen Folgen für die Weingüter der Gruppe, nicht zuletzt auch Château L`Évangile. Für die Position des Technischen Direktors der Rothschild-Gruppe war der Terroirspezialist Olivier Trégoat die perfekte Besetzung.
Olivier Trégoat und sein Team

Bereits nach zwei Ernten unter seiner Leitung zeigte sich, dass sich Château L`Évangile in ausgezeichneter Verfassung befand. Das lag auch daran, dass Trégoat ein ausgezeichneter Teamplayer ist. Den täglichen Ablauf auf dem Weingut als Estate Manager etwa verantwortet die von Trégoat im September 2020 an Bord geholte Juliette Couderc (die zuvor beim chinesischen Weingut Long Dai von DBR gearbeitet hatte). Sie ist auch für den Kontakt zur wichtigen Forschungs- und Entwicklungsabteilung verantwortlich, die – unter Leitung der aus Kolumbien stammenden Manuela Brando – an der Optimierung sämtlicher Stellschrauben in Weinberg und Keller der Rothschild-Weingüter arbeitet. Was andernorts gerne zu Kompetenzgerangel führt, ist für die Crew auf L`Évangile ein zusätzlicher Motivationsschub. Kein Wunder, wird doch hier, unter Einsatz hochqualifizierter Mitarbeiter und erheblicher Ressourcen sowie in Kooperation mit zahlreichen universitären Forschungsabteilungen, nicht nur um höchste Weinqualität, sondern auch um nichts weniger als die Zukunft des Weinbaus insgesamt gerungen.
2021 jedenfalls wurde die Bio-Zertifizierung des Weinguts abgeschlossen. In den mittlerweile 22 Hektar umfassenden Weinbergen wird darüber hinaus biodynamisch gearbeitet und mit den entsprechenden Präparaten gearbeitet, wichtige Schritte im Keller wie die Flaschenfüllung verlaufen im Takt des Mondkalenders. „Wesentliche Arbeiten im Weinberg“, sagt Juliette Couderc, „stehen heute bei uns in Verbindung mit dem Klimawandel, insbesondere im Zusammenhang mit dem Wassermangel im Boden. Wir tun alles, um die Frische und Spannung zu erhalten, die das Markenzeichen von Château L`Évangile sind.“ Das ist auch aus dem Grund so wichtig, als das Pomerol das heißeste Weinanbaugebiet des Bordelais ist und die meisten Reben auf dem Weingut nach den Wiederanpflanzungen noch recht jung sind und mit ihrem wenig entwickelten Wurzelsystem nur eine geringere Widerstandsfähigkeit gegen Wassermangel aufweisen.
Weinbau im Zeichen des Klimawandels
Daher wird in Fragen der Rebzeilenbegrünung mit Botanikern gearbeitet, die die Pflanzenarten im Weinberg katalogisieren und auf eventuelle Auswirkungen auf den Wasserstress der Rebe untersuchen. Um den Boden nicht zu verdichten, wurden zunächst (erfolglose) Versuche der Bewirtschaftung mit Drohnen durchgeführt, mittlerweile wird mit Pferden gearbeitet. Einzelne Rebzeilen dienen zu Experimenten mit unterschiedlichen Laubwänden und auf Rebblätter wird versuchsweise eine Art „Sonnencreme“ aufgetragen, eine Emulsion auf der Basis von Tonstreuseln, um die frühzeitige Reife der Reben hinauszuzögern. Auf einer weiteren Parzelle werden unterschiedliche Unterlagswurzeln für die Reben getestet, zudem wurde 2018 mit der Highend-Rebschule Lillian Bérillon ein Massenselektionsprojekt gestartet, für das aus dem letzten Bestand alter Cabernet-Franc-Reben rund 80 Stöcke ausgewählt wurden.
Natürlich wird bei L`Évangile auch über die Rebsorten-Zusammensetzung der Assemblage nachgedacht. Unverändert ist der Merlot – insbesondere in Kombination mit der Wachstum und Reife verzögernden Unterlagsrebe Riparia Gloire – die erste Wahl für die Tonböden des Hochplateaus von Pomerol. „Aber wir beobachten beim Merlot aktuelle Alkoholwerte um 14,5 bis zu 15 Prozent und eine starke Farbstoffzunahme“, sagt Olivier Trégoat. „So wird der Anteil von Cabernet Franc im Blend vermutlich weiter zunehmen.“ Heute liegt das Verhältnis von Merlot zu Cabernet Franc bei 80 zu 20 – in Jahren wie 2018 entspricht dies sogar dem Blend des Grand Vin, anders als zehn Jahre zuvor, als Merlot oft mit deutlich mehr als 90 Prozent dominierte. 2019 kam erstmalig in der Gutsgeschichte ein halbes Prozent Cabernet Sauvignon von einer kürzlich bepflanzten Parzelle hinzu.
Eine neue Stilistik
„Darüber hinaus“, fügt Trégoat hinzu, „sind heute für uns auch sandigere Lagen interessant, die leichtere, elegantere Weine produzieren.“ Dieses Ziel verfolgten nicht zuletzt auch die Weinbergzukäufe der letzten Jahre. Zwar wurde von Château Croix de Gay mit einer gut 6 Hektar großen Parzelle in westlicher Nachbarschaft von Château Lafleur auch noch einmal klassisches Ton-Kiesel-Terroir vom Hochplateau von Pomerol erworben. Doch kamen um das Reben-Herzstück des Weinguts um das Anwesen herum − die Parzellen Dubuch, Le Cuvier und Pipeaude – auch die gegenüber gelegenen, aber eigentlich zur Appellation Saint-Émilion gehörigen Plots „La Bréole“ (von Château Dominique) und „Jean Faure“ (vom gleichnamigen Weingut) sowie die etwas weiter nördlich gelegenen „Petit Chantecaille“, „Chantecaille“ und „Les Petites Jouailles“ hinzu, also geologisch sehr vielfältige, tendenziell eher kieselig-sandige Böden. Zuvor nur per Ausnahmegenehmigung nutzbar, ergänzen sich seit der gesetzlichen Eingemeindung dieser Lagen in die Appellation Pomerol von 2021 auf L`Évangile“ auch offiziell die Leichtigkeit des Sandes mit der Struktur von Kies und der Kraft des Lehms im Dienst der Balance.
Auch die Maßnahmen im Keller stützen das übergeordnete Ziel von Frische und Spannung. Selbst hier ist Olivier Trégoat der klassischen Methodik ein Stück weit voraus. „Ursprünglich war der neue Fermentationskeller auf die parzellengenaue Vinifikation ausgelegt. Doch die genaue Kartierung der Lagen hat uns gezeigt, dass die Situation viel komplexer ist.“ Weil eine Parzelle eben nicht unbedingt einer Bodenformation entspricht, wird heute „intra-parcellaire“ geerntet, also innerhalb der Plots noch einmal nach unterschiedlichen Böden und entsprechendem Reifezustand der Beeren separat gepflückt – wobei die jeweiligen Trauben dann mit denen gleichen Datums von vergleichbaren Böden gemeinsam nach einer Nacht Kühlung bis 4 Grad in einem der 20 Zement- oder einigen wenigen Edelstahltanks fermentiert werden.
Anpassungen im Keller
Dem Erhalt der Frische dient auch die Senkung des Anteils von neuem Holz beim Weinausbau. Traditionell stammen in den Rothschild-Domänen gut 80 Prozent der Barriques von der hauseigenen Küferei, dazu spielt man auf L`Évangile auf einer ganzen Klaviatur unterschiedlicher Produzenten wie Darnajou, Séguin Moreau, Berger et Fils, Allary oder Raoux. Dabei hat man den Neuholzanteil von zuletzt auf 50 Prozent gesenkt, dazu ist das Aromenprofil der verwendeten Hölzer, etwa bei Ana Venus, auf Eleganz und nicht Opulenz ausgelegt. Gut 7 Prozent des Weins wird zudem in 320 Liter Amphoren des italienischen Produzenten Tava ausgebaut. Um noch mehr Nuancen heraus zu kitzeln, überlegen Trégoat und Couderc, einen Teil der malolaktischen Gärung in größeren Holzgebinden ablaufen zu lassen, zudem laufen Versuche mit gutseigenen Hefen.
Vor der obligatorischen Verkostung verrät Olivier Trégoat verschmitzt, dass das Team von Château L`Évangile im Jahrgang 2020 als Erste in Pomerol mit der Ernte begonnen hätte. Welchen Weg das Weingut in den letzten zehn Jahren gegangen ist, zeigt dann ein Vergleich: Der noch zu 100 Prozent im Neuholz ausgebaut 2010er, von ultrareifem Lesegut stammend und mit über 15 Prozent Alkohol ausgestattet, präsentiert sich mit üppiger Wucht und leicht liköriger Aromatik. Dagegen zeigt sich der 2016er deutlich strukturierter, aber auch seidiger und ausgewogener in seiner Balance. Der viel gepriesene 2020er, von dem es freilich weniger als 30.000 Flaschen Grand Vin geben wird, wird erst im Frühjahr 2023 gefüllt werden. Für Juliette Couderc ist er bereits heute viel versprechend: „Es ist eine Assemblage von kraftvollen Parzellen vom Plateau mit anderen, die lebendiger und spannungsreicher sind. Ich denke, das Schlüsselwort von 2020 ist Balance.” An diesem Jahrgang wollen Trégoat, Couderc und ihr Team gemessen werden.
Der Artikel ist ein redigierter Wiederabdruck eines Artikels aus FINE – Das Weinmagazin 1/2022.
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