
Die Berliner Master Class des Weinguts von Hövel verdankte sich einer überraschenden Personalie. Nachdem bekannt geworden war, dass Paul Truszkowski dem Berliner Weinhandel Lebewohl gesagt hat, um bei von Hövel als Gutsdirektor einzusteigen, war es nur eine Zeitfrage, bis Rieslinge von der Saar endlich auch in Berlin ein Ausrufezeichen setzen würden. Die große Bühne gehörte freilich Eigentümer und Winzer Max von Kunow und seinen 24 Weinen. Von Kunow ist in siebter Generation für das Oberemmeler Weingut verantwortlich, das 1803 aus dem Klostergut St. Maximin entstanden war. Das Herz des Portfolios bilden 5,8 Hektar der Monopollage Oberemmeler Hütte und 2,85 Hektar im legendären, einen Kilometer entfernten Scharzhofberger. Natürlich bildeten diese Weine dann auch den Kern der Meisterklasse. Aber von Kunows Präsentation ging weit darüber hinaus. Seine Einblicke in die Weingeschichte etwa wären wie die Reflexionen über die Mikrobiologie der Reben einen eigenen Artikel wert.
Das trockene und halbtrockene Sortiment
Die Präsentation begann mit zwei Riesling-Sekten, wobei der Cremant Brut (Weißburgunder und Riesling aus alten Anlagen) den Riesling Brut deutlich ausstach. Hier liegt noch einiges an Potential brach, schließlich hat von Kunow in Reims gelernt und verfügt über perfekte Kalkhöhlen als Reifekeller. Zudem standen Saar-Sekte einst an der qualitativen Spitze der deutschen Schaumweinproduktion. An der Spitze ihrer Kategorie längst angekommen sind jedenfalls die trockenen Gutsweine. Die „einfachen“ Saar-Rieslinge trinken sich sowohl jung (hier 2023) wie als noch erhältlicher „Library-Release-Vintage“ 2016 hinreißend. Hier ist das schöne Wort vom „Quellwasser“ am Platz, es sind zarte, sehr reintönige Weine mit heller, frischer Säure. Und das bei gerade einmal 10 bis 11 Prozent Alkohol! Die 2023er Ortweine aus Oberemmel beziehungsweise Krettnach verweisen dann schon markanter auf ihr Terroir. Kräuterwürzig, säurebetont und noch etwas verhalten der Oberemmeler vom blauen Schiefer. Dunkler und mit mehr Schmelz der Krettnacher, wo sich grauer Schiefer mit Vulkangestein vermengt.
Ein faszinierender Flight waren die beiden Großen Gewächse Hütte und Scharzhofberger, beide aus dem Jahrgang 2022. Es war Max von Kunow, der sich nach der Übernahme des Weinguts von seinem Vater 2010 den konsequenten Ausbau trockener Spitzenweine auf die Fahne geschrieben hatte. Heute werden sie in dieser Kategorie an der Saar wohl von keinem anderen Betrieb übertroffen – zumindest nicht 2022. Oft hat die Hütte hier die Nase vorn, in diesem Jahr steht der Scharzhofberger an der Spitze. So klar und präzise, und doch auch vielschichtig und mit enormen inneren Reserven ausgestattet. Es ist ein Zeichen für die Qualität des Sortiments, dass der Schritt zum populärsten Wein des Sortiments problemlos gelingt. Der Saar Riesling feinherb von 2023 ist enorm stimmig und der perfekte Sommerwein. Deutlich mehr Tiefe freilich hat der feinherbe Wiltinger 2023 (aus der Lage Klosterberg). Dagegen erschließt sich mir der Sinn des 2020er Weißburgunder feinherb nicht.
Die Klassiker: Hütte versus Scharzhofberg
Den Einstieg in das restsüße Sortiment machen zwei ausgesprochen feine Saar Kabinette von 2021 und 2023. Wobei „feinfruchtig“ tatsächlich das bessere Adjektiv ist, denn Süße ist hier kaum spürbar. Danach folgen die Kabinett-Lagen-Vertikalen zu Hütte und Scharzhofberg. Kabinett zu erzeugen, so ist von Kunow überzeugt, ist eine Kunst. Denn es gäbe im deutschen Wein keine Qualitätsstufe, die so gut die Herkunft eines Weins verrate. Gleich vier Jahrgänge des Hütte Kabinetts gibt es dann zu verkosten. Von 2016 geht es über 2017 und 2021 zu 2022. Sehr prägnant zeigt sich hier die Herkunft vom blauen Schiefer mit der kühlen Kräuterwürze der gut belüfteten und sehr steilen Höhenlage (bis 280 Meter). Selbst der älteste Wein des Quartetts verkostet sich fast alterslos, während 2022 noch spürbaren Babyspeck aufweist. Natürlich kann man so etwas jung trinken. Aber wer gereifte Kabis mag, sollte sich unbedingt einige von Hövel/Kunows Hütte-Rieslingen einlagern und sie erst mal vergessen.
Der folgende Flight dreier Scharzhofberger Kabinette aus 2023, 2021 und 2018 faszinierte kaum weniger. Aber er zeigt einmal, dass Hitzejahre wie 2018 zu Restzuckerwerten führen können, die für die Balance eines Saar-Kabinetts eine Herausforderung sein kann. Und andererseits beim Versteigerungswein von 2021, dass aus dem Scharzhofberg unter den richtigen Umständen absolute Weltklasse entstehen kann. In der Verbindung von aromatischer Dichte und filigraner Struktur war dies der Wein des Tages. Im direkten Vergleich der Scharzhofberger und der Hütte Spätlese aus 2022 überzeugte Letzterer wegen seiner klassischen Stilistik, Ersterer dagegen durch einen ungewöhnlich kraftvollen Auftritt. Die 2010er Scharzhofberger Auslese zeigte sich ungewöhnlich reif in Farbe und Aromatik. Der Wein aus einem privaten Keller war vermutlich nicht perfekt gereift. Enorm viel versprechend die 2023er Hütte Auslese. Sie wird gemäß der Hausstilistik ohne Botrytis-Trauben erzeugt – weshalb es hier auch keine edelsüßen Weine gibt. So aber bleibt der Wein bei aller Opulenz spannungsvoll und transparent.
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Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images