Porträt: Champagne Penet-Chardonnet

2021 ist mein Buch „Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen“ erschienen. Damals fiel es mir schwer, unter den Hunderten erstklassig arbeitenden Champagnerproduzenten eine Auswahl zu treffen. Deswegen gibt es online auf Sur-la-pointe eine Fortsetzung! Teil 12 stellt einen Erzeuger mit beeindruckenden Lagen-Champagnern vor.

5 Minuten Lesezeit

Geschichte

Zwei Winzerfamiliengeschichten bündeln sich in den Champagnern unter dem Namen Penet-Chardonnet. Einmal die der Chardonnets (übrigens ein lokales Synonym für die Chardonnay-Traube), die bereits im 17. Jahrhundert in Verzenay Wein angebaut haben. Und die Familie Penet, die während der Französischen Revolution ihre ersten Weinberge in Verzy erworben hatte. Ab den frühen 1930er Jahre wurde Champagner produziert – und das mit einigem Ehrgeiz. 1951 kauften Gilbert und Désiré Penet einen Keller aus dem 19. Jahrhundert in Verzy aus dem Besitz der Maison Mumm. Gilberts Sohn Emile sollte dann Bürgermeister von Verzy werden. Bereits in den 1940er Jahren hatte er dort ein Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert mitsamt Weinkellerei erworben. Emile erweiterte den Weinbergsbesitz und war der erste in Verzy, der in den späten Fünfzigerjahren einen Traktor benutzte. 1967 führte die Heirat seines Sohnes Christian mit Marie-Louise Chardonnet die Weinberge beider Familien unter einem Dach zusammen. Es war das Gründungsjahr von Champagne Penet-Chardonnet.

Christian Penet baute dann in den Achtziger Jahre eine hochmoderne Kellere, die noch heute der Hauptproduktionsstandort des Weinguts ist. Sohn Alexandre wächst in diesen Jahren in das Weingut hinein, aber er entscheidet sich 1994 zunächst, an einer Pariser Eliteuniversität Ingenieurswesen zu studieren. Nach einigen Jahren im Berufsleben folgt noch mal der Wechsel an die Universität Reims, wo er mit einem Diplom in Weinbau und Önologie abschließt. Dem folgen zwei Jahre in den USA, wo er in Chicago einen MBA erwirbt. 2009 stirbt der Vater mit 63 Jahren, und der 37-jährige Sohn kehrt nach Verzy zurück und übernimmt das elterliche Weingut. Er organisiert die unternehmerischen Aktivitäten des Haues neu. Unter dem Dach La Maison Penet versammelt er nun neben Penet-Chardonnet auch die Champagnermarke Alexandre Pernet (aus zugekauften Trauben). Unterstützt wird er von seiner elsässischen Frau Martine, mit der er übrigens auch exzellenten Crémant d’Alsace unter dem Namen Comte de Grimm produziert.

Stilistik

Die Champagner von Penet-Chardonnet tragen den Begriff Grand Cru im Namen. Tatsächlich liegen von den sechs Hektar Rebfläche fünf in Verzy und einer in Verzenay. Sie sind zu zwei Dritteln mit Pinot Noir und zum Rest mit Chardonnay bepflanzt, ein typisches Verhältnis im Nordwesten der Montagne de Reims. Die Trauben von hier sind hochbegehrt, weil sie über enorme Frische und viel Struktur verfügen. Sie sind es vor allem, die den Stil von Penet-Chardonnet prägen. Seit seiner Übernahme des Hauses baut er von einzelnen Parzellen Einzellagen-Champagner aus. Kein Wunder, dass ihm auch die Bewirtschaftung der durchschnittlich 30 Jahre alten Reben wichtig ist. So ist die Maison doppelt nachhaltig zertifiziert (HVE und VDC). Chemische Dünger sowie Herbizide und Insektizide werden nicht verwendet, die Biodiversität gefördert. Kleine Pressen (unter anderem Coquard) und sehr viele verschiedene Gärbehälter aus unterschiedlichem Material ermöglichen einen parzellengetreuen Ausbau.

Im Keller hat Alexandre Penet zwei markante stilistische Entscheidungen getroffen. Einmal die Blockierung der malolaktischen Fermentation sowie eine sehr niedrige Dosage. Das hat zu Beginn seiner Tätigkeit vielleicht mehr schockiert als heute. Der britische Champagnerautor schrieb jedenfalls vor zehn Jahren von „real harcore Champagnes for aficionados“. Diese Wahrnehmung ist heute sicher anders. Der Großteil des Mosts vergärt jedenfalls in kleinen Emaille- oder Edelstahltanks, ein anderer Teil fermentiert und reift in Eichenfässern. Die Tirage, also die Füllung nach der ersten Gärung und der Assemblage, erfolgt erst nach acht Monaten. Dadurch werden physikalische oder chemische Behandlungen wie Filtration, Schönung, Kaltstabilisierung vermieden. Die Mindestzeit für die Flaschengärung wiederum liegt bei drei bis vier Jahren, bei den Einzellagenchampagnern auch deutlich länger. Vorbildlich ist die Dokumentation auf dem Rückenetikett. Es sind echte Manufaktur-Champagner, die nur einen Nachteil haben. Um noch einmal Tom Stevenson zu zitieren: „Der Preis spiegelt den Prestige Status wider“.

Portfolio

Die Basis des Hauses stellt die Hypothesis-Linie dar, die aus zwei Champagnern besteht: Hypothesis Grand Cru Extra Brut ist ein Multi-Vintage aus Verzy und Verzenay (65PN | 35Ch), bei der Basisjahrgang durch eine mehr als zehn Jahre alte „ewige Reserve“ ergänzt wird. Der 2025 vorgestellte Hypothesis Grand Cru Blanc de Noirs ist dagegen ein reinsortiger Pinot Noir und zudem ein Brut Nature. Neu war 2025 auch die Ersetzung der „Terroir & Sens“-Reihe durch Epitome, die eine verlängerte Flaschengärung bis zu sechs Jahre aufweisen. Ein zweites Merkmal ist die Reifung der 15 Jahre alten Solera-Reserve-Weine im Holzfass. Es gibt sie einmal als Epitome Grand Cru Extra Brut (70PN | 30Ch). Dann als Mono-Cru Blanc de Blancs aus Verzy Epitome Chardonnay Grand Cru Extra Brut. Und schließlich als Epitome Rosé Grand Cru Extra Brut, assembliert aus 2/3 Pinot Noir und 1/3 Chardonnay.

Im Herzen des Sortiments steht aber natürlich die Lieu-dit oder Einzellagenreihe des Hauses. Aktuell sind es fünf, allesamt Vintage-Champagner, alle Extra-Brut: Einmal im Stahl ausgebaute Les Fervins Verzy Grand Cru aus Pinot Noir und Chardonnay im gemischten Satz (70|30). Dann ebenfalls im Stahl ausgebaut Les Epinettes Verzy Grand Cru Blanc De Noirs. Dessen Gegenstück, allerdings im Holz vinifiziert, ist Les Blanches Voies Verzy Grand Cru Blanc de Blancs. Der zweite reinsortige Pinot Noir La Croix l’Aumonier Verzy Grand Cru Blanc de Noirs wird in 400- und 500-Liter-Holzfässern ausgebaut. Dessen Gegenstück aus der Nachbargemeinde ist Les Champs Saint Martin Verzenay Grand Cru Blanc de Noirs. Daneben sind noch als sogenannte L’Esprit Collection die Vintage-Mono-Crus Prestige Grande Réserve und Coline & Candice aus Verzy sowie Diane Claire aus Verzenay im Programm. Ersterer und Letzterer auch als sehr lang gereifte 2002er-Jahrgänge unter dem Titel „Private Collection“.

Verkostung

Hypothesis Grand Cru Extra Brut (Basis 2022, disg. 25.10.2024) ist ein sehr guter Einstieg. Fruchtig-frisches Bouquet mit Noten von Himbeeren und Brioche sowie dezent laktischen Noten. Am Gaumen kraftvoll, mit cremiger Mousse und zart bitteren phenolischen Anklängen. Die Säure ist recht weich, man spürt das reife Lesegut. Aber die Frische ist da und noch einige Monate Flaschenlagerung werden nicht schaden (91p). Hypothesis Grand Cru Blanc de Noirs (Basis 2022, disg. 25.10.2024) überrascht durch seine zart lachs-kupferfarbene Tönung. Manche Häuser machen hellere Rosés. Ansonsten Äpfel, Himbeeren sowie Gewürze und etwas Hefe in der Nase. Elegant, lebendig und pur am Gaumen, ein wunderschöner, schlanker Pinot Noir mit zarter Perlage (91+p). Epitome Chardonnay Grand Cru Extra Brut (Basis 2019, disg. 10.9.2024) legt eine Schippe drauf. Hell im Glas, mit Grapefruit und Limette im Bouquet. Im Mund weinig und cremig, man spürt den Holzeinsatz. Zugleich mit elektrisierender Säure, kreidig und mit einiger Länge (93p).

Große Freude bereitete das Trio der „Lieu-dits“, das Alexander Pernet nach Berlin geschickt hatte. Les Fervins Verzy Grand Cru 2011 (disg. 1.3.2023) von einer südöstlich ausgerichteten Lage bestätigte die Verkostung von der Wine Paris (hier). Mit Holunderblüte, Mandarinen und Mandeln sehr hedonistisch zu trinken. Viel Fülle und Frische am Gaumen , trotz des schwierigen Jahrgangs (93p). Les Epinettes Verzy Grand Cru Blanc De Noirs stammt aus einer historischen Parzelle der Familie. In dieser Abfüllung balanciert die nordwestliche Exposition der Lage den großzügigen Jahrgang 2012 aus. Das Resultat ist ein etwas zurückhaltenderer Champagner als der Fervins, mit eher rotbeerigen Aromen. Aber er wirkt bereits jetzt sehr distinguiert und elegant. Derzeit eher schlank im Auftritt, verfügt er dank seiner enormen Struktur über ein enormes Potenzial (94p). Les Champs Saint Martin Verzenay Grand Cru Blanc de Noirs, ebenfalls aus 2012 (23.6.2023), ist die Üppigste der drei. Dunkelgold mit einem Hauch Rosa im Glas, breiter, kraftvoller und vinöser, bei guter Säure und salzigem Finish (93–94p). Lässt sich sehr gut im Menü einsetzen.

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel

Mehr zum Thema und einführende Informationen:

Stefan Pegatzky: Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen.

240 Seiten, zahlreiche Abbildungen.

Wiesbaden: Tre Torri Verlag, 2001.

Ausgezeichnet als bestes Weinbuch des Jahres 2021 mit dem Deutschen Kochbuchpreis in Gold

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