2016 erschien in der Reihe SZ Gourmet Edition, die in Kooperation von Süddeutscher Zeitung und Tre-Torri-Verlag entstanden war, der Band „Das Beste vom Geflügel“. Der redaktionelle Teil stammte von mir und umfasste neben einer Einführung zu Themen wie Fleischqualität, Hygiene und einer Geschichte der Hühnerhaltung vor allem einen Überblick über Geflügelarten und historische bzw. moderne Hühnerrassen. 2022 wurde der Band neu konzipiert und erschien als „Geflügel“ in der renommierten Teubner Edition. Als Auszug an dieser Stelle die Texte über die vier Entenrassen:
Pommernente
Enten sind nach den Hühnern das wohl am engsten mit dem Menschen verbundene Geflügel. Sie wurden aber erst verhältnismäßig spät domestiziert, in Europa wohl um die Zeitenwende. Alle Hausenten stammen von der Stockente ab (Anas playtyrhynos) – die als „Wildente“ zum Wildgeflügel zählt − und weisen, wenngleich größer, schwerer und behäbiger, vielfach noch immer deren charakteristisches Gefieder auf. Die Weibchen sind grau-braun und die Erpel glänzen im Prachtgefieder, insbesondere mit dem markanten grünmetallischen Hals und dem violett-blauen Spiegel quer über dem Flügel.
In Europa war die Zucht von Enten als Wirtschaftsgeflügel nie so bedeutend wie die Gänsezucht. Dennoch gab es, gerade in Norddeutschland, Regionen, in denen lokale Landschläge überregionale Bedeutung erlangten, wie in Mecklenburg, um Braunschweig oder in Schleswig-Holstein. Pommernenten gelten als älteste noch existierende deutsche Zuchtrasse − rein aus europäischen Landschlägen, ohne die Einkreuzung asiatischer Rassen entstanden − mit ihrem charakteristischen weißen Brustfleck („Latz“) in den Farben Blau und Schwarz. Wie auch die anderen aus alten Landschlägen hervorgegangenen Entenrassen wurde sie von den Bauern der Region, dem bis 1815 schwedischen Pommern (daher auch der alte Name: Schwedenente), wohl seit dem 18. Jahrhundert und ab etwa 1850 planmäßig auf Legeleistung und Mastfähigkeit gezüchtet. Sie ist also eine klassische Zweinutzungsente, die ausgewachsen bis drei Kilogramm schwer werden kann und deren Fleisch als ausgesprochene Delikatesse gilt. Als Weideente eignet sie sich nicht zur Massentierhaltung, die Bestände sind, nicht zuletzt durch Krieg und deutsche Teilung, stark zurückgegangen, heute gilt die Rasse als akut gefährdet.
Rouenente
Ein Kenner hat einmal geschrieben: „In jeder Geflügelkategorie besitzt Frankreich eine einstimmig im Ausland anerkannte Rasse. Für die Hühner ist es die Bresse, für die Gänse die von Toulouse und für die Enten die von Rouen.“ Tatsächlich sind Rouennaiser Enten die am perfektesten zur Mastente selektionierte Form der wilden Stockente, auf Französisch „Canard colvert“ (von „col vert“ = „grüner Hals“). Tatsächlich trägt sie auch auf vollendete Art deren Wildfarben zur Schau.
Diese normannischen Enten sollen bereits im 16. Jahrhundert aus schweren Landschlägen auf Masse gezüchtet worden sein. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erreichten die Erpel Gewichte von 3,5 Kilogramm. Da sie aber durch einige moderne Rassen verdrängt zu werden schienen, wurden sie um 1910 von dem Züchter René Garry durch Einkreuzungen von Wildenten mit dem Zuchtziel „Volumen“ quasi „regeneriert“. Rouen-Clair-Erpel erreichten 1920 bereits Gewichte von 4,5 Kilogramm. Wesentlich häufiger aber werden Jungenten („Canetons“) vermarktet, die in acht bis zehn Wochen auf 2 bis 2,5 Kilogramm gemästet werden.
Das Fleisch ist außergewöhnlich wohlschmeckend und seine Qualität wird wohl von dem keiner anderen Ente übertroffen – auch wenn es Gourmets gibt, die die Frühmastenten aus Duclair, 20 Kilometer westlich von Rouen gelegen, bevorzugen (die übrigens, mit dem dunklen Federkleid und dem weißen Latz, wesentlich zur Kreuzung der Pommernente beigetragen zu haben scheinen). Die besten Qualitäten werden als Blutenten („Canards au sang“) auf den Markt gebracht – eine Praxis, die in Deutschland verboten ist. Dabei wird die Ente nicht geschlachtet, sondern erstickt, wodurch das Blut im Körper verbleibt. Man muss für sich entscheiden, ob man das ethisch akzeptiert. Aber rein kulinarisch ist es eine Sensation: tiefrotes Fleisch von einer sensationell zarten Saftigkeit und Aromatik. Eine der berühmtesten Zubereitungsformen für Entenfleisch überhaupt, „Canard à la Rouennaise“, wird mit diesen Canards au sang zubereitet – mithilfe einer klassischen Entenpresse, die das ganze Aroma der Entenkarkasse an die Sauce weitergibt.
Pekingente
Die Domestizierung der Stockente zur Hausente fand in China wohl noch 1.000 Jahre vor der in Europa statt. Dabei entstanden verschiedene Rassen, die sich vor allem durch ihre aufrechte Körperhaltung von den europäischen Landenten unterscheiden, deren Rückenlinie eher in der Waagrechten verläuft. Während die steil aufragenden, fast pinguinartigen Laufenten in Asien vor allem als Legeenten geschätzt werden, wurde aus der 1872/73 in die USA und England (Deutschland 1877) gelangten Pekingente die wirtschaftlich wichtigste klassische Mastentenrasse der Welt.
Die USA, England und Deutschland erkannten von Anfang an die überlegeneren Zuchteigenschaften der asiatischen Rasse gegenüber denen der einheimische Landschläge und formten jeweils eigene nationale Zuchtrichtungen. Dabei war die amerikanische zunächst die mit Abstand erfolgreichste. Die sogenannte „Deutsche Pekingente“ spielte als Nutzgeflügel nur bis Mitte des letzten Jahrhunderts eine Rolle, seitdem nur noch in der Rassezucht, das heißt als Ziergeflügel. Wichtigste Erfolgsfaktoren waren neben der Wirtschaftlichkeit und enormen Mastfähigkeit bis zu 4,5 Kilogramm Gewicht auch die sehr hohe Qualität der Daunen, die an die von Gänsen heranreichte. Darüber hinaus wurde das weiße Federkleid vom Verbraucher bevorzugt, da dunkle Federn „unappetitliche“ Stoppeln hinterlassen.
Pekingenten haben in der Zucht die alten regionalen Rassen fast völlig verdrängt und werden heute auch in der Freilandhaltung gerne eingesetzt – teilweise unter dem Namen der alten Landschläge. In Deutschland zeigen insbesondere die Vierländer und Oldenburger Enten deutlich die Pekingenten-Genetik. Vor allem aber werden sie heute in großem Maßstab weltweit intensiv in Bodenhaltung gemästet –- als Standardprodukt in sechs bis sieben Wochen und mit einem Mastendgewicht von 3,5 Kilogramm. Der wichtige Brustmuskelanteil ist dabei, insbesondere beim Weltmarktführer, der Cherry-Valley-Ente, extrem optimiert (früher bei 10, heute bei 18,3 %), bei gleichzeitiger Reduzierung des Fettanteils.
Flugente
Es entbehrt nicht der Ironie, dass die Entenrasse, die ein „barbarisch“ in ihrem Namen trägt, eigentlich eine Haustierform ist. Denn die Warzen- oder Türkenente, wie die Barbarie-Ente früher in Deutschland hieß, ist die bereits von indigenen Völkern domestizierte Form der südamerikanischen Moschusente, die ihren Namen einem mehrteiligen Höcker an der Schnabelwurzel verdankt, der ein an Moschus erinnerndes Fett absondert. Populär geworden ist die Warzenente aber vor allem durch den Namen „Flugente“ – und natürlich ihr im Vergleich zu Landenten sehr mageres, dunkles und saftiges Fleisch.
Barbarie-Enten, die in den verschiedenen Farbvarianten weiß, grau, dunkel bis wildfarbig existieren, sind das Superschwergewicht der internationalen Entenmast. Dabei zeigt sich bei ihnen ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus: Ausgewachsene Weibchen erreichen bis zu fünf, Erpel bis zu sieben Kilogramm. Obwohl erste Tiere bereits im 16. Jahrhundert nach Europa gelangten, dauerte es eine geraume Zeit, bis die überragenden Zucht- und Masteigenschaften der Rasse entdeckt wurden. Insbesondere Frankreich wurde im 20. Jahrhundert ein Zentrum der Flugentenzucht. Heute bestehen 75 bis 80 Prozent der dortigen Mastentenproduktion aus reinrassigen Barbarie-Enten und sie dominieren viele traditionelle Zuchtregionen, wie etwa die Bresse und das Challanais in der Vendée (Herkunft der berühmten Challans oder Nantaiser Enten). Dort haben sie die einheimischen Landschläge fast völlig verdrängt. Beste Qualitäten stammen aus Freiland-, der Großteil der Produktion freilich aus Intensivtierhaltung. Der weltweite Zuchttiermarkt wird fast vollständig von den verschiedeneren Varietäten des Anbieters Grimaud beherrscht.
Ebenfalls als Flugenten kommen die Mulardenenten auf den Markt (von Französisch: mulard, Maulesel), eine Kreuzung großer Warzenerpel mit schweren weiblichen Pekingenten (teilweise auch anderen Hausenten wie Rouenenten). Als Hybridtiere sind sie unfruchtbar, finden aber etwa in Frankreich häufig in der Mast Verwendung und eignen sich neben der Fleischerzeugung auch gut für die Stopfleberproduktion.
Geflügel
Redaktioneller Teil: Stefan Pegatzky
Teubner Edition
232 Seiten, Format: 22 x 28 cm, Hardcover, zahlreiche Abbildungen