Nur noch zwei Stationen – neben Berlin auch Hamburg am Folgetag – und nur noch, neben dem Gemeinschaftsstand von Kierdorf Wein, 16 Einzelaussteller. Die derzeitige Krise im Champagnermarkt ging auch an der der Falstaff Champagner-Gala nicht spurlos vorbei. Wobei die Hauptstadt froh sein kann, dass der Event im feinen Capital Club am Berliner Gendarmenmarkt insgesamt nach wie vor so erfolgreich ist. Und die Stadt anders als Stuttgart, Frankfurt, München, Düsseldorf, Wien oder Hamburg als Standort Jahr für Jahr „gesetzt“ ist.
Wie in den Jahren zuvor berichte ich nicht über Champagner, die erneut präsentiert wurden und die ich bereits vorgestellt habe. Das betrifft etwa Laurent-Perriers großartigen Grand Siècle Itération 26, die spannenden Meuniers von Pannier, Leclerc Briants Abyss 2017 und die fein gereifte Pommery Cuvée Louise 2005. Für das Kierdorf-Sortiment gelten die Sätze aus dem Vorjahr: spannende Häuser, aber eben jeweils nur die Einstiegscuvées. Diesmal, auch im Preis, besonders überzeugend: Les Quatres Terroirs Blanc de Blancs Grand Cru Brut von Pertois-Moriset aus Le-Mesnil-sur-Oger.
1. Champagne Valentin Leflaive Oger Les Peignottes 20 3.0 Grand Cru Blanc de Blancs Extra Brut
Wohl die spannendste Entdeckung auf der diesjährigen Champagner-Gala: Champagne Valentin Leflaive. Das Haus wurzelt in einem Gemeinschaftsprojekt von Olivier Leflaive aus Puligny-Montrachet mit Champagne De Sousa aus Avize in 2015. 2020 erhielt Valentin Leflaive seinen offiziellen Status als Négociant in Oger. Wie kaum ein anderes Haus transportiert es die burgundische Philosophie in die Champagne. Dies bedeutet vor allem eine Qualitätspyramide in drei Stufen. An der Basis die Cuvées, in der Mitte verschiedene Crus (in Burgund: Villages) und an der Spitze die Lieu-dits. Der Code auf dem Label steht für den Jahrgang sowie die Dosage. Von jeder Stufe gab es in Berlin eine Probe. Die elegante Cuvée Sigma 20 | 4.0 als reiner Chardonnay von der Côte des Blancs (91 P.). Der frische und vielschichtige Verzenay Blanc de Noirs 20 | 3.0 (93 P.). Und schließlich der kristallklare, enorm fokussierte Oger Les Peignottes 20 | 3.0 (95 P.).
2. Champagne Louis Roederer Vintage 2016 Brut
Roederer erzeugt drei klassische Vintages. Einen traditionellen Brut, einen Rosé und einen Blanc de Blancs. Aus 2016 kam Ersterer als letzter auf den Markt. Wie seit einiger Zeit üblich, dominieren Pinot-Noir-Trauben aus Verzy den Blend (68 Prozent). Weil die Gemeinde zur Montagne de Reims gehört, nennt ihn das Hauss „Vin de Montagne“. Dazu kommen freilich 32 Prozent Chardonnay-Trauben aus Chouilly. In Zukunft, so hatte Chef de Cave Jean-Baptiste Lécaillon angekündigt, wird die Maison Roederer ihren Vintage Brut vielleicht als Blanc de Noirs, als reinen Pinot-Noir-Champagner ausbauen. Vintage 2016 jedenfalls ist ein außergewöhnlicher Erfolg. In gewisser Weise ist er eine Synthese aus dem schlank-eleganten 2014er und dem kraftvoll-generösen 2015er Jahrgang. Sehr frisch (nur 5 Prozent der Cuvée haben die malolaktische Gärung durchlaufen) und mit der hinreißend kühlen Frucht der Pinot Noirs von der Nordseite der Montagne de Reims (94 P.).
3. Champagne Yann Alexandre Grande Réserve Premier Cru Brut
Hoch erfreulich war in diesem Jahr auch der erstmalige Auftritt von Champagne Yann Alexandre auf dem Stand seines Deutschland-Importeurs Champagne24. Der Winzer aus Courmas liefert Trauben für so bedeutende Häuser wie Krug und Gosset, produziert aber auch eigene Cuvées. Den neben dem Brut noir als Entrée in Berlin präsentierten Meunier-geprägten Roche Mère Brut Nature hatte ich bereits in meinem Champagner-Buch vorgestellt. Grande Réserve Brut Premier Cru machte sogar einen noch stärkeren Eindruck. Er stammt aus Weinbergen in der Petite Montagne de Reims, konkret den Gemeinden Coulommes-la-Montagne und Ville-Dommange. Basisjahrgang ist 2015, dazu kommen 30 Prozent Reserveweine. Der Blend steht aus 50% Pinot Noir, 45% Chardonnay und 5% Meunier. Die erste Gärung findet im Holzfass statt, die Flaschengärung beträgt sieben Jahre. Produziert werden lediglich 1.800 Flaschen. Das Resultat ist cremig und vielschichtig und besitzt eine prägnante Fruchtsüße (bei nur 6 Gramm Dosage) (92 P.).
4. Champagne Laurent-Perrier Millésime 2015 Brut
Laurent-Perrier hat zuletzt mit neuen Cuvées wie dem Blanc de Blancs Brut Nature und dem Héritage für Aufsehen gesorgt. Dagegen ist der Millésime fast etwas in den Hintergrund getreten. Sieht man einmal von der unvergleichlichen Rosé-Prestige-Cuvée Alexandra ab, ist dieser der einzige Jahrgangschampagner im traditionsreichen Haus aus Tours-sur-Marne. Für einen „Standard-Vintage“ wird er zudem recht selten produziert. Die Vorgänger zum aktuellen 2015er waren 2012 und 2008. Brut Millésimé 2015 ist wie stets ein Blend aus 50 Prozent Chardonnay und 50 Prozent Pinot Noir. Der Chardonnay stammt von der Côte des Blancs (Chouilly, Oger, Cramant, Oiry), der Pinot Noir von der Montagne de Reims (Tours-sur-Marne, Aÿ, Tauxières, Verzenay, Ambonnay). Die Weine sehen kein Holz, durchlaufen die Malo und reifen acht Jahre lang. Ein sehr klassischer, generöser Vintage-Champagner: gelbe Früchte, Zitrus und Brioche. Am Gaumen elegant, cremig und konzentriert (93 P.).
5. Champagne Boizel Joyau de Chardonnay 2007 Brut
Über Boizel habe ich an dieser Stelle schon wiederholt geschrieben (hier und hier). Seit Florent Roques-Boizel das Steuer des Hauses übernommen hat, weht im Haus an der Avenue de Champagne in Épernay ein neuer Wind. Der Deutschland-Importeur FrischeParadies präsentierte dankenswerterweise neben einigen Standards auch das ein oder andere „Schätzchen“. Zum einen den feinen, aber im Gegensatz zum Nachfolger 2013 etwas unscheinbaren Grand Vintage 2012. Vor allem aber Joyau de Chardonnay 2007 Brut. Seit 1961 bildet diese Serie, damals noch als Joyau de France, die Prestige-Linie des Hauses. Der Chardonnay stammt von vier Gemeinden von der Côte de Blancs: Avize, Le Mesnil-sur-Oger, Oger und Vertus. Mittlerweile mit deutlich über zehn Jahre Lagerung, zeigt der Champagner die Aromatik einer Biskuitrolle mit Limonen-Sahne-Füllung (93 P.). Das erreicht nicht die spektakuläre Qualität des Joyau 2008, wird aber allen Liebhabern reicher, fast dekadenter Champagner große Freude bereiten.
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