Création No. 1: die neue Prestige Cuvée von Moët & Chandon

Dom Pérignon war einmal die Prestige Cuvée von Moët & Chandon. Dann wurde die Marke in eine eigenständige Maison umgewandelt. Nun hat Moët & Chandon einen neuen Spitzen-Champagner vorgestellt, die Collection Impériale Création No. 1. Im November hat sie Kellermeister Benoit Gouez im Berliner KaDeWe vorgestellt. Anlässlich dieser Präsentation sprach Stefan Pegatzky mit ihm über den neuen Champagner und dessen Vorgeschichte.

7 Minuten Lesezeit

Das Ziel war klar: Collection Impériale Création No. 1 sollte nichts weniger als die Quintessenz des Stils von Moët & Chandon sein. Den Weg dorthin bezeichnet Benoit Gouez als Haute Œnologie, eine Analogie zu Haute Couture. Tatsächlich ist die Cuvée ein Brut nature – ein Novum bei Moët & Chandon. Der Blend besteht aus 40 Prozent Pinot Noir, 40 Prozent Chardonnay und 20 Prozent Meunier. Die allerdings stammen aus ganz völlig unterschiedlichen Quellen: 42,5 Prozent bilden Weine des Basisjahrgangs 2013, dann im gleichen Anteil Reserven der Jahrgänge 2012, 2010, 2008, 2006 und 2000. Und schließlich kommen 15 Prozent aus bereits degorgierten Flaschen des Jahrgangs 2004 – was bei einer Gesamtproduktion von 70.000 Flaschen immerhin 10.000 Bouteillen entspricht, die noch einmal geöffnet und erneut verarbeitet wurden („remise en cercle“).

Benoit Gouez, primus inter pares

SP: Sie sind der Chef de caves der größten Maison der Champagne, Moët & Chandon. Wie gehen Sie persönlich damit um?

BG: Als ich zum Chef de caves ernannt wurde, war ich ein bisschen stolz und ein bisschen besorgt, denn es ist eine große Verantwortung. Aber ich arbeite mit einem Team, ich arbeite mit Leuten, die mir mittlerweile teilweise seit mehr als 20 Jahren zur Seite stehen. Und dann stütze ich mich auf mehr als 280 Jahre Erfahrung bei Moët & Chandon. Wir haben große Trümpfe, wie etwa unsere Weinberge … Also ist die Basis letztendlich sehr solide. Außerdem ist die Champagne ein Dorf, es ist eine sehr kleine Region, wir kennen uns untereinander. Es gibt eine Vereinigung der Chefs de Caves, eine Gruppe von aktuellen und ehemaligen Kellermeistern: die Association Amicale de Chef de caves de Champagne. Wir empfinden uns als Freunde, nicht als Konkurrenten.

Selbst wenn ich einem Kollegen alles über Moët & Chandon erzähle, wird niemand in der Lage sein, das genau zu reproduzieren. Denn wir haben unsere eigenen Weinberge, unsere eigene Traubenzulieferer, unsere eigene Art, das Erntedatum zu bestimmen, unsere eigenen Hefen, unsere eigene Art, die Gärung zu steuern, unsere eigene Art zu verkosten, eine bestimmte menschliche Sensibilität, die für jedes Haus einzigartig ist. Wir konkurrieren beim Traubenangebot und auf den Märkten, aber dazwischen gibt es keinen Wettbewerb. Bei dieser Vereinigung führe ich also den Vorsitz, nicht weil ich der Kellermeister des größten Hauses bin, sondern aus Respekt vor dem, was wir in den letzten 20 Jahren geleistet haben.

Innovation als Schlüssel

In der Vergangenheit war Moët & Chandon vielfach die Lokomotive für Innovation in der Champagne …

Auch wenn wir das größte Weingut sind, sind wir auf Traubenlieferungen angewiesen, auf lokale Partner. Die Champagne braucht Moët & Chandon und Moët & Chandon braucht die Champagne. Wir sind sehr eng miteinander verbunden. Ich pflege zu sagen: Solange du Kunden hast, bist du im Recht. In der Champagne haben also alle recht. Manche sind nach meinem Geschmack, manche nicht. Bin ich mehr im Recht als andere? Nein, ich glaube nicht. Wir hatten die Möglichkeit, unseren Besitz zu erwerben und einen Stil zu entwickeln, der sehr populär und ziemlich universell ist. Aber ich empfinde das nicht als Last. Vielleicht liegt das an der Tatsache, dass ich nicht aus einer Winzerfamilie stamme. Für mich bedeutet das, dass ich nicht die Last der Tradition auf meinen Schultern trage.

Man muss auch akzeptieren zu scheitern. Wenn man nicht scheitert, dann, weil man nicht genug Risiken eingeht.

Benoit Gouez, Chef de Cave

Auch der Umstand, dass ich meine Karriere in der Neuen Welt begonnen habe, in Kalifornien, Australien, Neuseeland, hat mir geholfen, meine Augen zu öffnen. Heute versuche ich, sie so weit wie möglich offen zu halten. Es ist so einfach, in eine Position zu kommen, dort zu bleiben und sich zu verschließen. Doch man muss versuchen, zu experimentieren, zu diskutieren und auch zu akzeptieren, dass man scheitert. Wenn man nicht scheitert, dann, weil man nicht genug Risiken eingeht. Auch bei Moët & Chandon muss man sich dazu trauen. Nicht weil man der Anführer ist, sondern um sich weiterzuentwickeln. Darum geht es bei der Collection Impériale. Als ich anfing, interessierten sich nicht allzu viele Leute dafür. Brauchen wir so etwas wirklich? Aber nichtsdestotrotz haben die Leute mich machen lassen.

Remsise en cercle oder die dritte Fermentation

Sprechen wir über die „remise en cercle“, das erneute Einspeisen bereits gefüllter Champagnerflaschen in den Herstellungsprozess, der wohl ungewöhnlichste Part bei der Produktion des Création No. 1. Wie sind Sie das erste Mal darauf gestoßen?

Das war 1996 bei [meinem Vorgänger] Dominique Foulon. Foulon bereitete für die Feiern zum Jahr 2000 eine Limited Edition „Esprit du siècle“ vor. Das war eine Cuvée in Magnums, die einige der charakteristischsten Jahrgänge des 20. Jahrhunderts enthält. Dabei griff er auf die ältesten Reserven des Hauses zurück. Von einigen Jahrgängen aber gab es nur noch gefüllte Flaschen. Die wurden dann geöffnet und der Inhalt mit den übrigen Weinen geblendet. Im Jahr 2000, als wir „Esprit de siècle“ vorstellten, war ich einer der wenigen Winzer, die an der Verkostung teilnahmen, und ich war begeistert von dem Konzept und dem Einfluss der alten Jahrgänge auf den endgültigen Blend. Ich fing an, über die verschiedenen Ausbauarten nachzudenken, um noch einen Schritt weiterzugehen.

Der Vorgänger MCIII

Das war die Vorbereitung für den Moët & Chandon MCIII, den eigentlichen Vorläufer der Création No. 1.

Ich hatte einige Weine im Tank und in Eichenfässern. Obwohl wir 1964 die Vergärung in Eichenfässern eingestellt hatten, haben wir weiterhin einige Reserveweine in Eichenfässern für den Liqueur de dosage ausgebaut. Dazu hatten wir Weine in der Flasche. Also habe ich mir gesagt: Okay, was habe ich? Ich habe welche im Stahltank, im Eichenfass und in der Flasche. Was passiert, wenn ich sie blende? Die erste Cuvée habe ich auf der Grundlage des Jahrgangs 1998 kreiert, der war aber viel zu leicht für so ein ambitioniertes Konzept. Das war im Jahr 2000. Dann habe ich 2002 einen Verschnitt mit dem Basisjahrgang 2000 gemacht, den ich ebenfalls nicht befriedigend genug fand. Der dritte war dann auf der Grundlage des 2003ers, und der wurde 2015 als MCIII 00.14 veröffentlicht, und sollte der Erste einer neuen Reihe sein. Die wurde dann aus verschiedenen Gründen eingestellt. Einmal war der Name nicht gut, dann war das Packaging nicht gut …  Wobei: Einige liebten die Verpackung mit dem massiven Verschluss. Aber sobald die Flasche ausgetrunken war, war der unnütz. Und dann war der Preis war zu hoch und schließlich war auch die Geschichte, die mit dem Wein kam, ein bisschen zu komplex. An sich wurde der Champagner gut bewertet. Aber viele sagten: Er ist wie ein großer weißer Burgunder mit Bläschen.

Stefan Pegatzky beim Launchevent des MCIIIIch erinnere mich, beim Pariser Launch wurde der MCIII in großen Spiegelau-Burgunder-Gläsern serviert …

Ja, man hatte den Eindruck, das ist kein Champagner, es ist ein Wein aus der Champagne. Zunächst war ich zufrieden, aber dann kam ich zur Überzeugung, dass wir als eine führende Maison der Champagne durch große Champagner Anerkennung finden sollten und nicht durch große Burgunder mit Sprudel, und dass wir uns von diesem Ziel ein wenig zu weit entfernt hatten. Ich denke nun, Collection Impériale verkörpert viel stärker die eigentliche Champagner-Idee. Auch wenn er recht weinig und ein guter Essensbegleiter ist, ist er definitiv ein Champagner. Drei Punkte machen die entscheidenden Unterschiede aus. Zunächst: 2003 [beim MCIII] war breit, reich und kraftvoll, 2013 [beim Création No. 1] dagegen ist voller Energie, lebendig und frisch. Zweitens: Zehn Jahre zuvor waren die Eichenfässer, in die wir zu der Zeit investiert hatten, noch jung und besaßen viel mehr Eichencharakter. Zehn Jahre später waren die Fässer neutraler und dienten im Wesentlichen der Textur. Und drittens: Der MCIII war ein Extra brut, die Collection ist ein Brut nature. Letztlich habe ich jedenfalls das Gefühl, dass Collection Impériale Création No. 1 mehr dem Geist der Champagne entspricht. Aber er ist eine Weiterentwicklung des MCIII, der ein sehr wichtiger Versuch war und aus dem wir viel gelernt haben.

Das neue Kapitel

Wie ging es dann weiter nach der ersten Edition des MCIII?

Nun, ich hatte bereits zwei Cuvées auf der Flasche, eine auf der Basis von 2006 und eine von 2010. Und ehrlich gesagt, sie waren beide gut. Der 2006er wurde degorgiert, er hätte als nächster MCIII auf den Markt kommen sollen. Aber unmittelbar danach haben wir beschlossen, das Projekt einzustellen. Aber ich habe etwas davon zurückbehalten. Und dann gibt es den von 2010, der super gut ist, aber nie degorgiert wurde. Das war eben ein schlechtes Timing. Er hätte schon vor fünf Jahren auf den Markt kommen sollen, aber wir waren damals noch nicht bereit. Die Cuvée, bei der sowohl die Qualität des Weins und das Timing gepasst hat, war der 2013er. Mit dem Timing ist das wie im richtigen Leben, man kann gute Ideen haben, aber die Leute sind noch nicht bereit dafür.

Was ist aus diesen Versuchscuvées geworden?

Die Hauptcharge, die wir mit Kronkorken verschlossen hatten, wurde wieder in den Kreislauf gegeben [„remise en cercle“]. Aber ich hatte auch Magnums gefüllt und Flaschen mit Naturkorken verschlossen. Die habe ich aufbewahrt, sodass wir in der Lage sind, eines Tages eine vertikale Verkostung von all den verschiedenen Versuchen zu machen. Derzeit möchte ich mich auf die Création No. 1 konzentrieren, aber ich habe alle Proben aufbewahrt, um sie in Zukunft einmal zu verkosten.

Eine Création Nr. 2 ist bereits in Produktion?

Tatsächlich reifen vier weitere Créations bereits in unseren Kellern.

Gibt es leichte Änderungen im Konzept?

Bislang folgen sie alle dem gleichen Prinzip: Es sind Multi-Vintage-Champagner mit unterschiedlichen Reifegraden. Was sich ändert, sind der jeweilige Jahrgang der Basisweine, die Jahrgänge der Reserven, die wir verwenden, die Anzahl der Jahrgänge und deren Proportionen. Aber das Konzept des Multi-Vintage, bei dem die Reserveweine aus verschiedenen Welten stammen, wird beibehalten – zumindest für die nächsten vier Créations, die kommen werden. Für die zukünftigen werde ich vielleicht ein bisschen weiter gehen, weil ich nun durch das Feedback und die gute Rezeption des Création No. 1 das nötige Vertrauen gewonnen habe.

Weitere Teile des Interviews von Stefan Pegatzky mit Benoit Gouez finden sich auf bei Meiningers Sommelier. Die Bilder sind im November 2024 im Berliner (KaDeWe) sowie im Sommer 2024 in der Maison in Épernay und 2015 während des Launchevents des MCIII  in der Pariser Börse entstanden. Die auf den Bildern zu sehende Design-Verpackung – eine Hommage an die Kalkböden der Champagne – stammt vom Künstler Daniel Arsham und ist auf 85 Stück limitiert. Mehr hier.

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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