SLPs Top-10-Champagner auf der Wine Paris 2025

Nicht nur für Sur-la-pointe war es 2025 eine Premiere: 52.622 Besucher kamen in diesem Februar nach Paris, eine Steigerung von 28 Prozent. Und man muss sagen, gerade Gastgeber Frankreich präsentierte sich in den drei Stockwerken in Halle 7 spektakulär. Die Champagne befand sich, wie es sich gehört, ganz oben, dem Himmel am nächsten.

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149 Champagnerproduzenten meldete der Ausstellungskatalog der Wine Paris – eine Zahl, bei der man sich unmöglich einen Gesamtüberblick verschaffen kann. Statt möglichst vieler Degustation galt es also vielmehr, Schwerpunkte zu setzen. Mir kam es darauf an, mögliche Kandidaten für ein späteres ausführliches Porträt auf Sur-la-pointe auf den Zahn zu fühlen. Dann gibt es Verkostungen, die so nur auf der Wine Paris möglich sind. Häuser, die ich vermutlich auf der ProWein treffen werde, habe ich ausgelassen. Leider war ich bereits auf dem Weg zum Flughafen, als Denis Bunner seine spektakuläre Masterclass zu fünf Jahrgängen Champagne Bollinger La Grande Année in der Jéroboam abgehalten hat.

1. Champagne Fleur de Miraval ER4

Die erste Verkostung setzte die Messlatte bereits ziemlich hoch an: ER4 ist die aktuelle Edition des „Exclusivement Rosé“-betitelten Projektes dreier Partner. PPP steht für Péters-Perrin-Pitt. Also dem Champagnerproduzenten Rodolphe Péters in Le Mesnil-sur-Oger. Der Winzerfamilie Perrin aus dem Rhone-Tal. Und schließlich Hollywood-Star Brad Pitt. Ich hatte das Haus im letzten Jahr besucht und in einem Porträt (hier) auf Sur-la-pointe beschrieben. Kurz zusammengefasst: Die Rosés sind keine Lifestyle-Prickler, sondern hochkomplexe Champagner der Spitzenklasse. Ein Viertel Rotwein „de saignée“, ein Viertel Chardonnay des aktuellen Jahres, ein Viertel aus einer 2007 angelegten „beständigen Reserve“. Und ein letztes Viertel aus alten Vintage-Champagner in Magnumflaschen, die wieder „in der Kreislauf gehen“. Die erste Edition startete mit Grundweinen des Jahrgangs 2016. ER4 enthält nun die Ernte des großartigen 2019er-Jahrgangs. Das merkt man dem Champagner ebenso an wie die mit der Zeit komplexer werdenden Reserven. Wunderbare Frische und Trinkfreude, dabei vielschichtig und lang anhaltend (95+ P.).

2. Champagne Henriot L’inattendue 2018 Grand Cru

Die traditionsreiche Maison Henriot hat es in den letzten Jahren kräftig durchgeschüttelt. Gleich zweimal wechselte der Besitzer. Nach gut 200 Jahren in Familienbesitz kam der Négociant im September 2022 in den Besitz der Artémis-Gruppe der Milliardärsfamilie Pinault (u.a. Château Latour). Im März 2023 wurde das Haus dann freilich gleich wieder an die Gruppe Terroirs & Vignerons de Champagne (u.a. Champagne Nicolas Feuillatte) weitergegeben. Die hatte kurz zuvor Abelé und Castelnau erworben und verfolgt eine ausgesprochene Premiumisierungsstrategie. Dazu passt, dass seit 2020 Alice Tétienne, Ex-Champagne-Krug, als Cheffe de cave bei Henriot arbeitet.

Unlängst hat das Haus einige neue Cuvées vorgestellt, wie etwa den sehr gut gelungenen Vintage 2015. Mit dem Héméra 2013, der auf 2008 folgt, zeigt das Haus, dass es bei seiner Prestige Cuvée auf klassische, kühle Jahrgänge setzt. Cremig, komplex, mit mächtiger autolytischer Power, aber auch ein wenig schwer (93 P.). Überraschend strahlend aus dem warmen Jahrgang 2018: die neue Cuvée L’inattendue (die Unerwartetete). Sie erinnert daran, dass das Haus herausragende Chardonnay-Lagen besitzt (94 P.).

3. Champagne Lancelot-Pienne Chardonnay Marie Lancelot Grand Cru Cramant Extra-Brut

Wenn ein Mann mit dem Namen Lancelot eine Frau mit dem Namen Perceval (Parsifal) heiratet, könnte man meinen, man sei in die Welt mittelalterlicher Ritterepen versetzt. Im Champagnerhaus Lancelot-Pienne hat freilich der heutige Eigentümer Gilles Lancelot-Pienne tatsächlich vor einigen Jahrzehnten Céline Perceval geehelicht. Kein Wunder, dass manche Cuvées Namen wie „Table Ronde“ (nach der Tafelrunde von König Artus), „Perceval“ oder „La Dame du Lac“ (nach Viviane, der Ziehmutter des Ritters Lancelot) tragen.

Die Maison mit Sitz in Cramant hoch oben über einigen der besten Chardonnay-Lagen der Champagne konzentriert sich natürlich auf Blancs de Blancs. Weil durch Einheirat auch hochwertige Pinot-Meunier-Flächen in die Familie gelangten, finden sich im Einstiegsbereich auch zwei fruchtbetontere Blends. Die Spitze des Portfolios ist allerdings der Mono-Cru aus 55-jährigen Reben in Cramant, Marie Lancelot, aktuell aus dem Jahrgang 2018. Der Wein lässt nichts von der Hitze des Jahrgangs spüren. Weiße Blüten, Aprikosen und Limonen im Bouquet, am Gaumen dicht und kreidig-salzig, mit schöner Länge (94+).

4. Champagne Penet-Chardonnet Grand Cru Les Fervins 2011

Spricht man über Pinot Noir in der Champagne, dann kommt die Rede schnell auf Verzy. Weniger berühmt als Aӱ, Ambonnay oder Bouzy, wurde die Gemeinde erst 1985 zum Grand Cru erklärt (u.a. gemeinsam mit Le Mesnil-sur-Oger). Aber die teilweise nördlich ausgerichteten Weinberge im Nordosten der Montagne de Reims sind ein Gewinner der Klimakrise. Sie geben den Pinot Noirs weniger Kraft und Dichte, als Kühle, Struktur und Finesse. Kein Wunder, dass sie etwa ein Kernbestandteil der Vintage Champagner von Champagne Roederer sind.

Von den Winzern im Ort ist Penet-Chardonnet wohl der Wichtigste. Die Familie Penet ist hier seit dem 17. Jahrhundert nachgewiesen, Champagner wird seit den 1930er-Jahren produziert, seit 1967 heißt das Haus Penet-Chardonnet. Ein wichtiger Teil des Portfolios bilden die Einzellagen-Linie der besten Lieu-dits, darunter Les Fervins, Les Épinettes und Les Blanches Voies. Der Grand Cru Les Fervins 2011 Exra Brut ist ein Blend aus 70% Pinot Noir und 30% Chardonnay. Geerntet im schwierigen Jahr 2011, zeigt der Champagner dennoch aromatische Präzision, Komplexität und Länge, unterstrichen von einer (dank blockierter Malo) belebenden Säure (93 P.).

5. Champagne Franck Bonville Oger Grand Cru Blanc de Blancs Les Belles Voyes 2016

Avize, Oger und Mesnil. Keine Frage, wir sind hier im Herzen der Côtes des Blancs, bei den großen reinsortigen Chardonnay-Champagnern. Die ersten Weinberge kamen im Jahr 1900 in die Familie. Franck Bonville gründete das nach ihm benannte Haus in den Fünfzigerjahren. Heute leitet es sein Enkel Olivier, während sich dessen Neffe Ferdinand Ruelle-Dudel um Marketing und Vertrieb kümmert. Das Portfolio ist gewissermaßen dreigeteilt: Zwei Blancs de Blancs Grands Crus Non-Millésimés stehen an der Basis. Der eine jünger, der andere (Unisson) mit deutlich längerer Flaschengärung. Es folgt ein Vintage, aktuell 2016, ein Mono-Cru aus Avize (ganz hervorragend in Form: 94 P.). Die Linie Pur versammelt drei verschiedene Mono-Crus, Avize, Oger und Mesnil, ebenfalls Jahrgangschampagner.

Und dann gibt es die Einzellage Les Belles Voyes aus dem Grand Cru Oger, ebenfalls aus 2016. Diese Cuvée wird ausnahmeweise in burgundischen Pièces von 228 Litern vinifiziert. Sehr raffiniert, mit Aromen von Zitrus, Steinfrüchten, Gewürzen und Konditorcreme. Am Gaumen cremiger und verspielter als die übrigen Weine von Bonville, aber „très gourmande“ (95 P.).

6. Champagne Alfred Gratien Cuvée Paradis 2016

Ich bin ein großer Freund der Champagner von Alfred Gratien. Die Maison gehört zwar zum deutschen Henkell-Konzern, ansonsten verfolgt sie eine sehr traditionelle Produktionsweise. Dazu gehört das Blockieren der Malolaktik, ein Ausbau im Holz und ein möglichster Verzicht auf maschinelle Prozesse. Prestige Cuvée des Hauses aus Épernay ist die Cuvée Paradis. Bei ihr nennt man erst seit dem 2007er den Jahrgang auf dem Etikett, obwohl sie immer ein Vintage war.

Ganz aktuell ist der Millésime 2016, bei dem man ein Facelift des Labels vorgenommen hat, mit dem ich nicht sonderlich glücklich bin. Der Champagner jedenfalls aus dem sehr guten Jahrgang ist von bewährter Güte. Nicht mehr der „Old English Style“, wie es Serena Sutcliffe einmal genannt hat. Aber sehr klassisch, kraftvoll und sehnig. Sicher ein Langstreckenläufer, aber derzeit aber noch im Embryonalstadium (94 P.). Deutlich offener die Cuvée Paradis Rosé 2008. Der hat man im Barbie-Jahr 2024 eine pinke Kunststoffhülle spendiert, die die transparente Flasche schützen soll. Optisch ist das nicht das Paradies, sondern die Hölle! Eine erneute Verkostung folgt mit etwas Abstand, vielleicht auf der ProWein.

7. Champagne Georges Vesselle Confidence Bouzy Grand Cru 2012

Die Familie Vesselle blickt auf eine fünfhundertjährige Geschichte in Bouzy zurück, mit Ambonnay wohl die führende Grand-Cru-Gemeinde im Südosten der Montagne de Reims. Der namensgebende Gründer der Maison, Georges Veselle, war Bürgermeister von Bouzy und arbeitete auch als Weinbergsmanager für Häuser wie Mumm, Perrier-Jouët und Heidsieck Monopole. Heute steht das Haus unter Leitung der Söhne Eric und Bruno und bewirtschaftet 18 Hektar eigene Weinberge, allesamt Bouzy Grand Cru. Dazu kauft es die Trauben von einem weiteren Hektar hinzu. 90 Prozent entfallen auf die Signature-Rebe des Ortes, Pinot Noir, der Rest auf Chardonnay. Ein Ausbau im Holz findet nicht statt. Seit dem Jahrgang 1996 gibt das Haus besondere Jahrgänge als „Collection Millésimes“ heraus, seit 2008 heißt diese Cuvée Confidence. Der Jahrgang 2012 ist noch sehr jung, zeigt aber schon viel von seiner Vielschichtigkeit und trotz aller Kraft mit viel Finesse. Ein großartiger Spiegel dessen, wozu Champagner aus Bouzy fähig sind.

8. Champagne Paul Goerg Lady 2012

Zwei neue Top-Cuvées präsentierte Champagne Paul Goerg. Das aus der Kooperative La Goutte d’Or in Vertus hervorgegangene Haus zeigt seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Dynamik. 2021 hatte ich sie in meinem Champagnerbuch unter die „100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen“ aufgenommen. Auf Sur-la-pointe hatte ich mich ausführlich ihren „Parcellaires“ gewidmet (hier).

Mit der Cuvée Solera verbindet das Haus nun seinen Parzellen-Ansatz mit dem Einsatz einer (noch recht jungen) „beständigen Reserve“. Das ist kraftvoll und merklich vom Holz beeinflusst, mir persönlich fehlt es etwas an Finesse (91 P.). Erstmals verkosten konnte ich den Prestige-Champagner des Hauses, die Cuvée Lady – hier folgte auf 2007 und 2009 nun 2012. Dieses Jahr scheint bei Paul Goerg sehr gut geglückt zu sein, hatte doch schon der Vintage 2012 durch viel Klasse geglänzt. Die Cuvée Lady beeindruckt nun durch eine feine, fast luxuriöse Textur (94 P.). Hier hat sie gegenüber dem Vintage die Nase vorn, allerdings erreicht sie vielleicht nicht dessen salzige Präzision.

9. Champagne Pol Roger Cuvée Winston Churchill 2002 Vinothèque (Magnum)

Auch bei Pol Roger hat sich zuletzt viel getan. Der Fels der Tradition unter den großen Häusern in Épernay hat 2024 eine neue Produktionsstätte eingeweiht, die sich das Haus 50 Millionen Euro hat kosten lassen. Ich habe für Meininger und Sur-la-pointe darüber berichtet (hier und hier). Bei meinem Besuch mit dem deutschen Vertriebspartner Véritable letztes Jahr im Juni hat das Haus beim Dinner dann als Weltpremiere seine Vinothèque-Reihe präsentiert. Neben dem Rosé Vintage 1999 wurde damals die Cuvée Sir Winston Churchill aus dem gleichen Jahr serviert. Auf der Wine Paris öffneten Pol-Roger-Vorstandsvorsitzender Laurent d’Harcourt und Hubert de Billy aus der Besitzerfamilie himself eine Magnum Winston Churchill Vinothèque 2002. Goldgelb im Gas, mit lebendiger Perlage und weiniger Textur. Stark autolytisch geprägt, mit viel Brioche und dezenter Kräuterwürze. Sehr lang anhaltend am Gaumen, mit lebendiger Säure und faszinierender Salzigkeit (97+). Noch stärker als sein Vorgänger, das reine Champagnerglück.

10.Champagne Georges Vesselle Coteaux Champenois Bouzy Rouge 2016

Stillweine haben eine weitaus ältere Geschichte in der Champagne als die Schaumweine. Einst konkurrierten die Pinots Noirs der Region mit den roten Burgundern um die Gunst der Könige in Frankreich und der reichen Kaufleute in Flandern. Erst im 19. Jahrhundert, als der weltweite Export des moussierenden Champagners einen ersten Höhepunkt erreichte, verschwand ein Großteil dieser Weine. Von den Gemeinden, in denen der Stillwein der Region als Coteaux Champenois überlebt hat, ist Bouzy sicherlich der berühmteste. Heute gibt es hier eine eigene Bruderschaft und eine Akademie, die sich dem Bouzy Rouge widmet. Champagne Georges Vesselle hat diesen Wein seit jeher hergestellt, zeitweise machte er ein Drittel der Gesamtproduktion aus. Aktuell gibt es einen Non-Millésimé und einen Jahrgangswein. Den 2016er, den ich verkosten konnte, war ein ausgezeichneter Pinot Noir. Weder zu mager (wie gelegentlich) noch zu mollig-marmeladig (wie manche Weine aus Aӱ), sondern voller Wärme und Struktur (91 P.).

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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