Das Gold der Genossen: Die Premium-Cuvées von Feuillatte

Die 1986 unter dem Namen Nicolas Feuillatte ins Leben gerufene Champagnermarke des größten Kooperativenverbundes in der Appellation ist für ihre fruchtbetonten, zugänglichen Champagner im Basissortiment bekannt. Dabei gibt es in ihrem umfangreichen Sortiment auch ausgesprochene Premium-Linien. Kellermeister Guillaume Roffiaen hat vier Top-Cuvées jüngst in einem Live-Online-Tasting vorgestellt.

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Der Erfolg von Nicolas Feuillatte ist spektakulär: 1986 präsentierte sich die Champagnermarke zum ersten Mal unter diesem Namen, heute ist sie Marktführer in Frankreich und der drittgrößte Produzent weltweit. Dabei stammen die Champagner von der größten Genossenschaftsvereinigung der Region, Terroirs & Vignerons de Champagne (TECV). Das ist erst einmal nicht das, was wir im Kopf haben, wenn wir an exquisiten Schaumwein denken. Doch mit dem ultramodernen Produktionszentrum in Chouilly hat TECV Maßstäbe gesetzt. Mit dem Zukauf der Marken Castelnau, Abelé 1757 und zuletzt Henriot zeigt, dass das Unternehmen ganz auf Premiumisierung setzt. Dazu gehören auch die Cuvées von Nicolas Feuillatte, mit denen das Haus auf den Off-trade zielt, insbesondere die gehobene Gastronomie. Bei ihren Einstiegchampagnern legt Feuillatte – bei allem Bekenntnis zu Frische und Eleganz – Wert auf die Zugänglichkeit, was häufig durch einen hohen Pinot-Meunier-Anteil erreicht wird. Doch der teilweise exquisite Lagenbesitz von TECV erlaubt auch die Produktion von lagerfähigen Top-Cuvées.

Die Vintages

„Wir sind jünger als die Grandes Marques“, stellt Guillaume Roffiaen gleich zu Beginn fest, „aber dank unserer Stärken in der Traubenbeschaffung sind wir in der Lage, es mit ihnen aufzunehmen.“ Für lagerfähige Top-Champagner sei Nicolas Feuillatte zwar nicht bekannt, aber tatsächlich spielt das Haus bei einigen Cuvées in der gleichen Liga. Als Beweis hat er zunächst die beiden Grands Crus Millésimes mitgebracht, beide aus dem Jahrgang 2015. Zum einen der Blanc de Blancs, zum anderen das Gegenstück, der Blanc de Noirs. Beide, so Roffiaen, sind von einem ausgeprägten Nord-Süd-Kontrast geprägt, dass den Champagnern ihre Besonderheit gibt. So enthalte der Blanc de Blancs zwar zur einen Hälfte klassische Grand Crus der Côte des Blancs wie Avize, Cramant, Oger, Chouilly und Le Mesnil-sur-Oger. Aber zur anderen Hälfte solche aus Aӱ und Ambonnay. Während Erstere dem Blend Floralität und Zitrusnoten hinzufügten, brächten Letztere Struktur und Langlebigkeit.

Umkehrt stünden im Blanc de Noirs den Pinot Noirs der südlichen Montagne de Reims wie Aӱ, Ambonnay, Bouzy und Tours-sur-Marne solche aus dem Norden aus Verzy und Verzenay gegenüber. Erstere sind für reife und würzige (im Falle von Bouzy sogar pfeffrige) Aromen verantwortlich. Durch Verzy und Verzenay dagegen kämen auch Leichtigkeit und Delikatesse in den Blend. Jedenfalls hat das Haus die Schwierigkeit des kontrastreichen Jahrgangs 2015 bestens gemeistert. Traten doch vielfach grüne Aromen wegen vorzeitiger Lese aus Sorge vor Überreife auf. Der Grand Cru Blanc de Blancs 2015 zeigt weiße Blüten und helle gelbe Früchte im Bouquet. Am Gaumen fasziniert er durch pure Frische und außerordentliche Lebendigkeit (92p). Im Grand Cru Blanc de Blancs 2015 findet sich mehr von der Reife des Jahrgangs. Hier finden sich Mirabellen, Honig und Brioche in der Nase. Er ist weicher in der Säure und cremiger, mit etwas dunklerem Charakter (91p). Bemerkenswert, dass beide Vintage-Champagner eine bemerkenswert lange Reifezeit von neun Jahren zuteilwurde.

Palmes D’Or

Um Kontrastausgleich geht es auch bei der Prestige Cuvée des Hauses: Palmes d’Or. Hier treffen Chardonnay-Grands-Crus auf Pinot-Noir-Grand-Crus. Und weil beide über ausgeprägte Persönlichkeit verfügten, benötigt es bei ihrer Assemblage eines „Diplomaten“, wie Roffiaen es ausdrückt. In diesem Fall sind es Chardonnays aus Montgueux im Süden der Champagne, wo Böden wie in Sancerre vorherrschen. Würden sich diese zunächst mit tropischer Fruchtaromatik präsentieren, verwandeln sie sich nach etwa acht Jahren zu einem „Kitt“, der Chardonnays und Pinots miteinander verbände. Deswegen komme der Palmes d’Or auch nie vor zehn Jahren Reife in den Handel und bestehe jeweils aus 50 Prozent Pinot Noirs und Chardonnays, wovon 43 Prozent von der Côte des Blancs und 7 Prozent aus Montgueux stammten. Palmes D’Or 2008 jedenfalls bestätigt die Ausnahmestellung des kühlen, spätreifen Jahres. Limonenzeste, Haselnüsse und „strukturiererter Honig“, wie es Roffiaen nennt, in der Nase. Am Gaumen mit brillanter Säure und schöner Salzigkeit (94p).

Bei Palmes D’Or 2009 lerne ich noch einmal einiges durch den Kellermeister. In meinen Augen dank des sonnigen Jahrgangs reich und großzügig, aber auch nicht spektakulär (93p), sieht ihn Roffiaen noch im Babystadium. Während viele Häuser den Jahrgang 2008 erst nach 2009 präsentiert hätten, hätten ihn Proben von Reserveweinen vor gut fünf Jahren überzeugt, dass 2009 (überraschenderweise) über deutlich mehr Potenzial verfüge. Sei 2008 jetzt auf dem Plateau, würde 2009 noch mindestens für 12 Jahre Potenzial haben. Hoch interessant auch Roffiaens Exkurs zur Dosage. Denn tatsächlich spielt in seinen Augen die Angabe des Zuckergehalts kaum eine Rolle. Vielmehr geht es hier um das, was die Rezeptur der Dosage ausmache. Dieser letzte Bestandteil des Blends vermag nämlich noch einmal letzte Unvollkommenheiten der Assemblage ausgleichen. Beim 2009er seien etwa folgende Weine in der Dosage enthalten: Ein Non-malo Meunier von 2014, ein Malo-Chardonnay von 2016 sowie Pinot Noir von 2018. Auf die Frage nach der Dosage antworte Roffiaen daher stets: Genau das, was es braucht.

Post scriptum

Im Inneren der Kapsel des Palmes D’Or hat Nicolas Feuillatte einen Satz von Roland Barthes aus den „Mythologien“ abgedruckt, der so schön ist, dass ich ihn hier zitiere: „Un peu de savoir, un peu de sagesse, et le plus de saveur possible.“ Zu Deutsch: „Ein wenig Weisheit, ein wenig Wissen und so viel Geschmack wie möglich“.

Zu den Bildern

Bild 1: Chef de cave Guillaume Roffiaen während des Live-Online-Tastings in Chouilly

Bild 3: Der Vorgänger Palmes d’Or 2006 im Vergleich zu seinem Nachfolgejahrgang 2008

Bildrechte

Stefan Pegatzky / Time Tunnel

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