Geschichte
Die Wurzeln des Champagnerhauses Franck Bonville gehen auf die Jahre um 1900 zurück. Damals erwarb Alfred Bonville kurz nach der Reblauskrise einige Weinberge in Oger und der nächsten Umgebung, dem Ursprung der Familie Bonville. Gemeinsam mit seinem Sohn Franck erwarb er dann 1937 ein Weingut mit mehrstöckigen Kelleranlagen aus dem 19. Jahrhundert im Zentrum von Avize. Die Weine wurden zunächst an Négociants verkauft. Unmittelbar nach dem Krieg wurden dann erste Champagner unter dem Label „Champagne Bonville Père et Fils“ abgefüllt. Ab der 1959er Ernte lief die Produktion dann unter „Franck Bonville“. Gilles Bonville und seine Frau Ingrid, die nächste Generation, modernisierte die Produktion in den Siebzigerjahren. Zunächst ersetzten Emaille-Tanks die Holz-Bottiche, in den 1990er Jahren hielt dann Edelstahl Einzug in den Keller. Der Keller wurde vergrößert und zwei 8.000 kg-Pressen gebaut. In dieser Zeit begann Champagne Franck Bonville, nach Deutschland und Belgien zu exportieren.
Olivier Bonville absolvierte nach einem Weinbaustudium und Abschluss in Önologie in Reims zunächst Stationen in Korsika und Deutschland .1997 stieg er in der vierten Generation im elterlichen Weingut ein. In den 2000er-Jahren wurde die Rebfläche vergrößert. Mit seiner Frau Delfine Cazals (vom Champagnerhaus Claude Cazals) gründete er 2006 das kleine Handelshaus Champagne Camille Bonville. Ab 2011 wird nachhaltig produziert, seit 2016 HVE-zertifiziert. Zur Zeit wird die Bewirtschaftung schrittweise auf biologisch umgestellt. 2020 stieg schließlich der Schwiegersohn Ferdinand Ruelle-Dudel im Betrieb mit ein. Der hatte zunächst Luft- und Raumfahrt studiert und einige Jahre bei Airbus gearbeitet. Schließlich packte ihn der Weinvirus und führte ihn auf einen Crash-Kurs einmal um die Welt. Heute leiten Ferdinand Ruelle-Dudel und Olivier Bonville den Betrieb gemeinsam. Wobei Letzterer im Wesentlichen für die Champagnerproduktion ist und Ersterer den Verkauf und Marketing verantwortet. Dazu gehörte nicht zuletzt der bemerkenswerte Marken-Relaunch 2022.
Stilistik
Die Champagner von Franck Bonville werden stark durch ihr Terroir bestimmt. Das meint hier: das Zentrum der Côte des Blancs. Über etwa 80 Parzellen in vier Grand-Cru-Gemeinden, insgesamt 15,35 ha, erstreckt sich hier der Weinbergbesitz der Familie. Avize ist mit 6,32 das Schwergewicht, und die Parzellen sind über Anhöhe und Hanglagen verteilt. Von hier stammen sehr strukturierte, mineralische Grundweine. Oger folgt fast gleichauf mit 5,97 Hektar. Auch hier verteilt sich der Besitz auf unterschiedliche Mikro-Terroirs, die im Ausdruck exotischer und großzügiger ausfallen. Bei den 2,26 Hektar in Cramant handelt es sich dagegen ausschließlich um Lagen an der Grenze zu Avize. Daher werden die Weine nicht separat als Cru gefüllt, sondern fließen in den Brut Grand Cru. Anders dagegen die 0,80 Hektar in Le Mesnil-sur-Oger. Diese liegen in drei Lieu-dits an der Grenze zwischen Hang und Ebene, wo die Meereslehmböden besonders aromatisch sind. Deswegen fließen sie ausschließlich in die Cuvée Pur Mesnil.
Geerntet wird recht spät „Reife ist wichtiger als Säure“, gilt hier als Motto. Dem Terroir-Ansatz entsprechend, wird schonend gepresst und die Grundweine parzellenweise ausgebaut. Lange Zeit dominierte dabei Edelstahl. Allmählich hielten kleine, gebrauchte 228 Liter Fässer aus Meursault und 600 Liter demi-muids Einzug, in denen nun die Dosage (de tirage und d’expédition), aber auch einige Reserveweine reifen. Die Einzellagen-Cuvée Les Belles Voyes wird komplett im Holz ausgebaut. Das Weingut möchte in Zukunft das Instrument Holz verstärkt einsetzen, um komplexere Cuvées zu produzieren. Die malolaktische Gärung erfolgt grundsätzlich. Die Flaschengärung beträgt knappe zwei Jahre bei der Basis-Cuvée, bei Unisson und der Pur-Reihe dagegen viereinhalb Jahre. Beim Vintage und der Cuvée Parcellaire wird sie auf sechseinhalb Jahre ausgedehnt. Die Dosage liegt zwischen 1,7 und maximal 5,8 Gramm, ist also immer Extra-Brut. Geradezu vorbildlich ist die Transparenz auf dem Rückenetikett. Die Pur-Reihe vermerkt sogar die jeweiligen Daten für Presszeitpunkt, Tirage und Dégorgement.
Portfolio
Bis vor wenigen Jahren gab es noch zehn Cuvées bei Champagne Franck Bonville. Nach einem Brand-Relaunch ist das Portfolio auf sieben Abfüllungen geschrumpft, allesamt Blanc de Blancs Grand Cru. Der Rosé ist zur Handelsmarke Odysée 319 gewechselt. Das ist nur konsequent, da der Pinot Noir von Paul Déthune aus Ambonnay stammt. Ansonsten ist der der Blanc de Blancs Brut Grand Cru heute die Basis-Cuvée des Hauses. Wie alle anderen Champagner im Sortiment ein reinsortiger Chardonnay, hier aus drei Jahrgängen. Im Übrigen gibt es nur Mono-Crus bei Franck Bonville. Das beginnt beim Unisson Grand Cru mit Trauben ausschließlich aus Avize (jeweils hälftig aus aktuellem Jahrgang sowie aus dem Vorjahr). Dies ist sozusagen der Signature Champagne des Hauses. Danach folgen ausschließlich Vintage Champagner. An erster Stelle steht der klassische Millésime Grand Cru, bei dem nur das Rückenetikett vermerkt, dass es sich ebenfalls um einen Mono-Cru aus Avize handelt.
Mono-Crus aus Avize, Oger und Mesnil bilden die Pur-Linie, von denen es gerade einmal jeweils 2.000 Flaschen gibt. Sie wurde mit dem Jahrgang 2012 eingeführt wurde und steht aktuell bei 2018. Pur Mesnil 2018 ist eine Komposition aus dem Parzellen Les Coullemets, Les Zalieux, Le Tilleul und Les Hautes Mottes. Beim Pur Oger ist der Lieu-dit Les Rumignies bestimmend. Er liegt im Zentrum einer Senke, die fast wie ein natürliches Amphitheater, das markante Terroir von Oger definiert. 2018 ergänzen ihn Partien von Les Noyerots am Fuße des Hügels. Pur Avize schließlich, der jüngere Bruder des Millésime, ist eine Auswahl von Parzellen aus der Mitte des Hangs, dem „Herzen des Terroirs“. Konkret: Les Avats, Les Chapelles und Les Maladries. Les Belles Voyes schließlich stammt aus einer Einzellage in Oger. Die Rebstöcke von hier liegen am oberen Hang von Oger. Sie sind die ältesten des Weingutes und gehören zum historischen Familienbesitz.
Verkostung
Den Beginn macht der Grand Cru Brut (dég. 9/24), aktuell komponiert aus 2022 (40%), 2020 (40%) und 2018 (20%). Ein schöner Aperitif-Champagner, der die heißen Jahrgänge seiner Grundweine durch Phenolik ausbalanciert. Blassgelb im Glas, mit lebhafter Perlage. Pfirsich, Mango, etwas Joghurt und Biskuit in der Nase. Am Gaumen bei weicher Säure mittelgewichtig, ausgewogen und mit zarten Bittertönen (90 P.). Unisson (deg. 6/2024) vereint dagegen mit 2018 und 2017 zwei komplementäre Jahrgänge. Die Aromatik ist stärker von der Hefe geprägt, dazu kommen Zitrus, Ananas und Mandeln. Die Textur ist cremiger, dichter und ingesamt um einiges komplexer (91–92 P.). Pur Avize 2018 ist ganz frisch und kommt in dieser Abfüllung (deg. 11/2024) erst in Kürze in den Handel. Der Champagner ist noch unruhig, etwas Joghurt-Aroma verfliegt aber rasch. Die Nase ist floral, aber auch mit Zitrus und auch einem Hauch Ananas sowie Brioche. Am Gaumen aromatisch noch verschlossen, strukturiert und recht weinig, aber mit bemerkenswertem mineralischen Hintergrund (92 P.)
Pur Mesnil 2018 teilt mit dem Avize das reife Lesegut, das Degorgierdatum und die dezente Perlage. Aromatisch trennt dagegen einiges die beiden Champagner. Hier tritt etwas Apfel zum Bouquet sowie etwas Orangenmarmelade. Dieser leicht „dunkle“ Touch trifft auch einem aromatisch-salzigen Fond am Gaumen. Die Säure ist weich, aber man spürt ein Potenzial, das sich noch entfalten wird (93 P.). 2016 war für Chardonnay kein einfaches Jahr, aber Millésime 2016 (deg. 9/24) zeigt sich geradlinig, präzise und perfekt balanciert. Lebendige, aber feine Mousse, Aromen von Sternfrucht, grünem Apfel und Gewürzen. Am Gaumen eher elegant als ausdrucksvoll, aber durchaus mit Tiefe. Sehr stimmig (94 P.). Les Belles Voyes 2016 (deg. 2/24) unterscheidet sich schon durch die dunkel-goldenen Reflexe im Glas von seinen Geschwistern. Oxidative Nase mit Pfirsich, Toast, Röstmandeln und etwas Münster-Käse. Am Gaumen kraftvoll und cremig, bei guter Säure (93–94 P.). Ein schöner Essensbegleiter!
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