SLP Top 5 Stillweine ProWein 2023

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Die ProWein 2023 in Düsseldorf war ein starkes Statement der international führenden Weinmesse. Leider hatte auch die Wine Paris einen Monat zuvor eine ziemlich starke Performance geliefert, und diese begreift sich immer stärker als Konkurrenzveranstaltung. Das hat Folgen vor allem für die französischen Aussteller. Deren Zahl ist selbst gegenüber dem Vorjahr noch einmal deutlich gesunken. Glücklicherweise blieb die starke Vorstellung der Union des Grands Crus de Bordeaux (UGCB) davon unberührt. Ansonsten präsentierten sich − von Deutschland einmal abgesehen − vor allem die USA und auch Italien (nicht zuletzt durch Importeure wie Schlumberger) mit Namen der allerersten Kategorie. Hier eine persönliche Auswahl:

1. Domaine Vincent Girardin Puligny-Montrachet Les Combettes 1er Cru 2020

Zwei Weinflaschen aus Burgund

Es gibt nur noch wenige große Burgunder auf der ProWein zu verkosten. Neben den noch Flagge zeigenden traditionsreichen Häusern Drouhin, Albert Bichot und Louis Latour (mit sehr gelungenen Corton Charlemagnes von 2020 und 2021) ist die 1980 gegründete Maison Vincent Girardin ein Newcomer. Aber dafür hat sie sich mit Weinen aus eigenen und gepachteten Lagen sowie aus zugekauften Trauben einen großen Ruf aufgebaut. Les Combettes stammt aus einer Premier-Cru-Lage in Puligy-Montrachet an der Grenze zu Meursault. Remington Norman schreibt, dass der dünne Boden von hier leichtere und blumigere Weine hervorbringt, als die nach Chassagne orientierten. Jedenfalls zeigt sich der Jahrgang 2020 gut entwickelt, lebendig und präzise. In seiner leicht reduktiven, sehr präzisen Art unterscheidet sich der Wein deutlich vom recht holzbetonten Girardin-Stil frührer Jahre (95 Punkte). Sehr gut auch der Blagny (eigentlich: Pièce sous le Bois) aus dem zu Meursault gehörigen gleichnamigen Örtchen.

2. Kellerei Terlan Grande Cuvée Terlano Primo 2020

Wein aus Südtirol

Den größten Wow-Effekt während der ProWein hatte ich bei der Kellerei Terlan, wo mir Verkaufsleiter Klaus Gasser mit viel Engagement die Produktionsspitzen vorstellte. Südtirol kenne ich als Weinbauregion gut – und den Sauvignon Quarz kannte ich schon aus einer Reihe von Jahrgängen (diesmal schier berstend von Aromatik 2021). Was ich aber hier zu verkosten bekam, hat nicht nur meinen Blick auf Weißburgunder verändert. Sowohl Pinot Bianco Riserva Vorberg von 2020 wie der sensationelle Pinot Bianco Rarity von 2010 (der eine eigene Geschichte wert wäre) zeigten sich komplex und geradezu leuchtend vor Frische. Vielleicht noch eine Spur Größe gewinnt der Pinot Bianco in der Assemblage mit Chardonnay and Sauvignon Blanc, zunächst als sehr trinkige Terlaner Cuvée, dann als reiche Riserva Nova Domus aus der Magnum sowie schließlich als Terlaner Grand Cuvée Primo 2020. Trotz oder besser wegen seiner 70 Prozent Pinot Bianco der für mich vielleicht beste italienische Weißwein ever: 97 Punkte.

3. Château Doisy Daëne Barsac 2020

Ein edelsüßer Sauternes

Ich liebe edelsüßen Riesling – und diese Liebe wird immer wieder erwidert. Ich liebe auch große Sauternes – aber das stößt leider weniger auf Gegenliebe. Nur wenige Grands Crus aus Bommes, Barsac oder Sauternes gefallen mir nach jahrzehntelanger Lagerung so gut wie eine große Auslese oder Beerenauslese von der Mosel oder aus dem Rheingau. Weil ich aber immer wieder für FINE – Das Weinmagazin nach Sauternes fahre, verliebe ich mich immer wieder aufs Neue – und das Tasting der Union des Grands Crus de Bordeaux gibt jedes Jahr wieder einen feinen Überblick über einige der besten Abfüllungen.

Bei Doisy Daëne hat es 2020 jedenfalls ganz am Ende der Ernte ausreichend Edelfäule gegeben, um einen Grand Vin zu produzieren, der der Appellation wert ist. Das Château ist im Besitz der Dubourdieu-Familie und wurde bis 2016 von Denis Dubourdieu geleitet, der die Weißwein-Produktion in Bordeaux revolutioniert hat. Heute leiten seine Söhne Jean-Jacques und Fabrice das Weingut, und der Jahrgang 2020 würde ihren Vater stolz machen: mit guter Säure, Konzentration und genügend Druck, dabei aromatisch nicht extravagant und überbordend, sondern präzise und mit innerer Glut. 96 Punkte

4. Château Smith Haut Lafitte 2020

Eine Flasche Bordeaux

Château Smith Haut Lafitte steht schon durch seine extravagante Architektur wie kaum ein anderes Weingut für die Erfolgsgeschichte der Weine von Pessac-Léognan der letzten Jahre. Für den Jahrgang 2020 kam das Château sogar auf das schwarze Sonderetikett aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Übernahme durch die Familie Cathiard. Dabei gehört der 1365 gegründete Cru Classé zu den ältesten Weingütern des Bordelais. Nach dem Kauf durch Daniel und Florence Cathiard wurde auf biologischen, teilweise biodynamischen Weinbau umgestellt und modernste Methoden in Weinberg und Keller wie Traubenreifemessungen per Drohnen oder Sortiertische mit Farbkameras eingeführt.

Das große Jahr 2020 war eine Bewährungsprobe für die „Biopräzision“, wie das Weingut seine Methode zwischen Bio und Hightech bezeichnet, und sie hat sie mit Bravour bestanden. 65 Prozent Cabernet Sauvignon, dazu 30 % Merlot, 4 Prozent Cabernet Franc und 1 Prozent Petit Verdot ergeben einen hoch konzentrierten, fast exotischen Wein, bei dem die Kaffee-Noten derzeit die Frucht fast völlig überdecken: 98 Punkte. Fast auf dem gleichen Niveau, aber vielleicht etwas klassischer waren Château Canon und Pichon Baron 2020.

5. Morlet Estate Cabernet Sauvignon 2018

Zwei Weine aus Napa Valley

Die Napa Valley Vintners hatten zumeist die Weine des Jahrgangs 2019 mitgebracht – und es war schon eine beachtliche Präsentation, die da in Halle 14 gezeigt wurde. Vermutlich das höchste Flaschenpreis-pro-Quadratmeter-Verhältnis in der ganzen Messe. Inglenook, Arkenstone, Viader, Corison, Chappellet, Shafer, Silver Oak, The Debate, Gallica, Alejandro Bulgheroni … und fast alle hatten ihre Top-Weine mitgebracht. Andere Klassiker in der Kalifornien-Präsentation wie Ridge nicht zu vergessen. Wessen Gaumen freilich auf Balance, Struktur und Frische geeicht ist, bekommt mit den immer deutlicher vom Klimawandel geprägten Jahrgängen zunehmend Probleme. 2019 war für mich in vielen Fällen, trotz wunderschöner Frucht und ultrafein polierten Tanninen, too much.

Umso glücklicher war ich über die Nachzügler, die noch den in Napa deutlich strukturierteren Jahrgang 2018 im Gepäck hatten. Der gebürtige Franzose und im Herzen der Champagne in einer Winzerfamilie groß gewordene Luc Morlet präsentierte neben der bemerkenswerten Oakville-Cuvée Cœur de Vallée aus 2020 seinen „großen“ Estate-Wein von 2018 aus St. Helena: Vielschichtig, kraftvoll, perfekt vinifizirt. Dass so ein Weltklasse-Wein, von dem es nur etwas mehr als 4.500 Flaschen gibt und der 99 Punkte im Wine Adcocate bekam, seinen Weg nach Düsseldorf gefunden hat, ist ein gutes Zeichen für die Messe. 98 Punkte.

© Feature Bild: Messe Düsseldorf / ctillmann

© aller übrigen Fotos: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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