Mitte 2018 hat Alice Paillard die Leitung der Maison Bruno Paillard von ihrem Vater übernommen. Der charismatische Gründer des Champagnerhauses ist zwar heute noch dessen Präsident, mischt sich aber nicht mehr ins Tagesgeschäft ein. Während er in den vergangenen Jahren im Messestand von Paillard auf der ProWein Besucher empfing, hat er 2023 die Bühne seiner Tochter überlassen. Die nutzt den Auftritt zu einer Masterclass zu einem der wichtigsten Cuvées der Maison: dem Blanc de Blancs. Zwar liegt der Stammsitz der 1981 gegründeten Maison am Stadtrand von Reims, in dessen Umkreis vor allem Pinot Noir und Pinot Meunier wachsen. Der größte Teil der 32 Hektar Rebberge der Maison liegen aber an der Côte de Blancs weiter südlich, dem Chardonnay-Paradies der Appellation: 1994 hatte Bruno Paillard einen ersten Weinberg in Oger gekauft, 2004 mit dem Weingut René Jardin in Mesnil-sur-Oger dann gleich 21 Hektar, zur Hälfte in Grand Cru-Lagen, übernommen.
Oger und Le-Mesnil-sur-Oger: die Stützpfeiler im Blend
Die Meisterklasse von Alice Paillard konzentriert sich auf genau diese beiden Säulen der Produktion insbesondere beim Blanc de Blancs. Weil schon ihr Vater ausgesprochenen Wert auf »pure« Champagner gelegt hat, werden die Grundweine bei Champagne Bruno Paillard getrennt nach Parzellen vinifiziert und immer als »Extra Brut« gefüllt. Die einfacheren Herkünfte werden im Edelstahl, die strukturgebenden Lagen dagegen, nach Einzellagen getrennt, im kleinen Eichenholzfass ausgebaut. Mehrere solcher Fassproben aus 2022 hat Alice Paillard nach Düsseldorf mitgebracht, darunter „Route de Oiry“ aus Oger und „Les Mussettes“ aus Le-Mesnil-sur-Oger. Letzterer liegt optimal am Mittelhang der Gemeinde, wie sein berühmter Nachbar „Chétillon“, von dem einige legendäre Einzellagen-Champagner entstehen. Gegenüber dessen kargen Verschlossenheit wirkt freilich der Wein aus Oger derzeit expressiver. Alice Paillard empfindet die Säure als mächtig – aber sie ist doch deutlich integrierter gegenüber Fassmustern, die ich 2016 mit Bruno Paillard in Reims verkosten konnte. Ein Zeichen des Klimawandels?
So sehr der parzellengenaue Ausbau zwar das Terroir-Prinzip respektiert, ist Bruno Paillard immer ein streitbarer Verfechter der Assemblage-Philosophie gewesen. Das bedeutet, dass die einzelnen Grundweine immer nur dienende Funktion im Blend haben – und nicht als separate Champagner ausgenbaut werden. Ein Grundsatz, den auch Alice Paillard respektiert. Eine Ausnahme freilich macht die Maison, seit Dreisternekoch Joël Robuchon Fassproben bei ihm probiert hatte. Der war von den Weinen aus Le-Mesnil-sur-Oger so angetan, dass er Paillard davon überzeugen konnte, einen Chardonnay als weißen Coteaux Champenois, also als Stillwein, für ihn auszubauen. Bis heute geht diese winzige Produktion fast ausschließlich in die französische Sternegastronomie. Wir bekommen zwei noch nicht abgefüllte Muster von Coteaux Champenois aus Oger und Le-Mesnil-sur-Oger aus 2020 zu verkosten. Der Oger ist jetzt deutlich ruhiger und ausgeglichener geworden, während der Le-Mesnil-sur-Oger an Statur gewonnen hat.
Die fertige Assemblage
Der Abschluss der Verkostung ist ein Blanc de Blancs von Champagne Bruno Paillard aus der Magnum, die im November 2015 degorgiert wurde. Für diese wurden je 40 Prozent Grundweine aus Oger und Mesnil wurden mit 20 Prozent Chardonnays anderer Herkünfte assembliert. Der sehr cremige Champagner ist wunderbar gereift. Mit Zitrus, gelben Steinfrüchten und Gebäcknoten erinnert er unverkennbar an die Côte de Blancs. Vor allem aber haben sich nach all den Jahren die Trauben aus Le-Mesnil-sur-Oger in der Aromatik durchgesetzt. Dessen markant kalkige Salzigkeit bleibt aber durch die Partner in der Cuvée in der Balance. Ein Plädoyer für die Kunst der Assemblage!
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Alle Fotos außer Bottle Shot: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images