
Es war die 46. „Große Raritäten-Verkostung“, die Armin Diel, der legendäre Weinkritiker und ehemalige Weingutsbesitzer organisiert hatte. Und die allererste, die dem Champagner gewidmet war. Diel hat sich nach der Übergabe des Schlossguts Diel an Tochter Caroline auf hoch exklusive Weinreisen & Verkostungen verlegt (mehr hier). Dabei greift er bei seiner Auswahl auf exzellente Kontakte im Burgund und in Bordeaux zurück. Dass die Maison Taittinger nun eine kleine Serie mit Verkostungen zu Top-Champagnerhäusern eröffnet, zeigt, wie hoch diese bei ihm im Ansehen steht. Damit traf er sich freilich mit meinen eigenen Vorlieben, und so war ich überaus dankbar, dass Armin Diel mich zu diesem Anlass an die Nahe eingeladen hatte. Nach der Veranstaltung bot er mir an, unsere Verkostungsnotizen zusammenzufassen. Tatsächlich waren wir beide überrascht, wie nahe wir mit unseren Urteilen beieinander lagen. Zum ersten Mal also bei Sur-la-pointe sind die anschließenden Bewertungen ein Gemeinschaftswerk.
Tasting 1: Verlust und Wiedergeburt 2005 bis heute
Der Zeitraum von 2005 bis zum aktuellen Jahrgang 2013 beinhaltet einige große Comtes-Jahrgänge. Die Bewertungen der beiden jüngsten Jahrgänge sind vielleicht etwas konservativ. Aber 2012 und 2013 präsentierten sich derzeit unglaublich jung und sollten in jedem Fall noch etwas reifen. Interessanterweise hat der Bruch in der Tradition zwischen 2005 und 2007 der Kontinuität der Champagner keinen Schaden zugefügt. Damals fiel die Maison aus Reims, deren Wurzeln bis ins Jahr 1734 zurückgehen, für kurze Zeit an eine US-Investmentfirma. 2007 konnte die Familie das Unternehmen durch eine enorme Kraftanstrengung zurück erwerben (mehr dazu hier). Heute steht mit Vitalie Taittinger erstmals eine Frau an der Spitze des Hauses.
2013: Lebhafte Perlage, ausdrucksstarkes Bukett, Ingwer, Pfirsich und Ananas, ausgesprochene Hefenote. Verhaltene Säure sehr gute Struktur. Noch etwas Babyspeck, leicht exotischer Nachhall (95 Punkte).
2012: Sehr jugendlich anmutendes Bukett, erinnert an blanchierte Mandeln und kandierte Zitrusfrüchte, Steinfrüchte, Williams Christ Birne. Noch recht verschlossen, belebendes Säurespiel (94 Punkte).
2011: Strohgelbe Farbe mit dezent goldenen Reflexen. Im Duft Reineclaude, Süßholz und Baiser, Honig, frisches Brot, klare Frucht, würzige Noten. Kühl am Gaumen, mittlere Länge (92 Punkte).
2008: Mittelgelbe Farbe mit Goldreflexen. Duftet nach Orangenblüte, Nüssen, Brioche. Großartiges Säurespiel, und Minze, hat sein erstes Plateau erreicht. Vielschichtig, salziges Finish, prächtiger Nachhall (97+ Punkte).
2007: Goldgelbe Farbe, dezente Mousse. Erste Reifeanmutung im Duft, weiße Blüten, Birne, Rosinen, Aprikose, etwas Rauch und Anis. Fruchtsüße am Gaumen, mittlere Dichte, gute Säure, recht elegant (94 Punkte).
2006: Dichte goldgelbe Farbe, dezente Perlage. Duftet nach Mandarine, Zitronentörtchen und Sauerteig. Damtige Textur, generöse Fruchtfülle, feines Säurespiel, glänzender Solist (96 Punkte).
2005: Blassgelbe Farbe, klassisches Bukett: Buttercrème, Toastnoten, Apfel, Haselnuss, salzige Note. Dicht am Gaumen, präsente Säure. Passt brillant zu Krebs- und Fischgerichten, ein archetypischer Comtes (95 Punkte).
Tasting 2: Die klassische Ära 1971 bis 2004
Die Jahre vor 2005 unterscheiden sich schon klimatisch von der Gegenwart durch ihren – mit Ausnahme von 2003 – kühleren und längeren Vegetationsverlauf. Zudem markiert 2004 den letzten Jahrgang der Maison als klassisches Familienunternehmen der Taittinger-Dynastie.
2004: Nicht die Sinnlichkeit wie 2006, nicht die Dichte wie 2005. Etwas grüner Apfel, Birne und Toast, frisch und pur, mittlere Eleganz, gute Säure. Eine der größten Erntemengen in der Geschichte des Comtes (93 Punkte).
2002: Blassgoldene Farbe, generöses Bukett: kandierte Früchte und Konditorcrème, ergänzt durch Zitrusfrüchte, Birne und Mandeln. Perfekte Balance, alterslose Schönheit, großes Reifepotential (98 Punkte).
1998: Willkommene in der Welt des gereiften Champagners: goldgelbe Farbe, getrocknete Aprikose, Brioche und Honig. Sehr gute Struktur, außergewöhnliche Finesse, leicht salzig. Perfekter Speisebegleiter, ideal zu weißem Geflügel (95 Punkte).
1997: Goldgelbe Farbe, feines Mousseux. Duftet nach Akazienblüte, abgeriebener Zitronenschale und Kaffee. Ausgewogener Körper, bestens gereift, strukturiert und elegant, schöne Säure, salziger Nachhall (95 Punkte).
1995: Goldgelbe Farbe, verhaltene Mousse. Die erste Flasche hatte deutlich Kork, die zweite zeigte vegetale Noten, Teeblätter, heller Tabak. Verhaltene Frucht, Vanillenoten im passablen Abklang (89 Punkte).
1988: Tiefes Goldgelb, kaum noch Perlage. Malzige Sherrynoten, kaum mehr Frucht, durchaus noch intakt, aber deutlich über dem Höhepunkt. Feinherbe Noten im Abklang (88 Punkte).
1971: Ins Bräunliche gehendes Goldgelb. Duftet nach Anis, Lakritze, stark gereift, deutlich Chardonnay am Gaumen, fein-herber Abklang. Etwas für Liebhaber von Oldtimern mit H-Kennzeichen (88 Punkte).
Tasting 3: Taittinger Comtes de Champagne Grands Crus Rosé Brut
Noch exklusiver als der klassische Blanc ist der Comtes de Champagne Rosé. Er wurde 1972 mit dem Jahrgang 1966 als Gegenpart zum weißen Comtes präsentiert. Wie jener wird er in der charakteristischen Antikflasche aus dem 18. Jahrhundert gefüllt. Ursprünglich dominierte Chardonnay mit 70 gegenüber Pinot Noir zu 30 Prozent die Assemblage, heute ist das Verhältnis genau umgekehrt. Die Rotweine stammen aus der Montagne de Reims (Mailly, Ambonnay und Bouzy), wobei zwischen 12 und 16 Prozent aus Bouzy als rote Stillweine vinifiziert werden. Die Chardonnays stammen von Grands-Crus-Gemeinden von der Côte des Blancs. Die Dosage liegt bei etwa 9 Gramm. Nach wie vor gilt der Comtes Rosé als der langlebigste Champagner der Maison.
2006: Kirschen, Johannisbeerlikör, ein Hauch Botrytis, fleischiger Körper. Passt gut zu Lamm- und Kalbgerichten (91 Punkte).
2009: Lachsrosa mit Bernsteinreflexen, deutlich feiner als der 2006er. Sinnliches Bukett, viel rote Waldbeeren, Blutorange, Sauerkirsche, etwas Brioche, nuancierte Frucht, feine Textur (94 Punkte).
2012 : Dunkles Lachsrot mit Kupferreflexen. Noch jugendlich anmutendes Bukett, feiner Pinot-Charakter, Erdbeere, Mandarine, Gewürze, reichhaltig am Gaumen. Derzeit steht die Dosage etwas im Vordergrund (94 Punkte).
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Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images