Eleganz aus Épernay: Die Maison Perrier-Jouët

Traditionell stellt Séverine Frerson die aktuelle Cuvée des Belle Epoque von Champagne Perrier-Jouët im gemeinsamen Online-Tasting vor. Für den Jahrgang 2016 ist sie nun aber persönlich nach Berlin gereist, das erste Mal überhaupt als Chef de cave des traditionsreichen Champagnerhauses. Wir haben die Präsentation zum Anlass genommen, einmal in das gesamte Portfolio von Perrier-Jouët einzutauchen.

6 Minuten Lesezeit

Vor sieben Jahren ist Séverine Frerson von Piper-Heidsieck zu Perrier-Jouët gewechselt. Dort arbeitete sie zwei Jahre an der Seite des leitenden Kellermeisters Hervé Deschamps, bevor sie dann 2020 dessen Nachfolgerin wurde. Sie ist erst die Nummer acht in der langen Reihe von Chefs de cave seit 1811. Und die erste Frau in dieser Funktion bei Perrier-Jouët.

Ein Abend in Berlin

Séverine Frerson
Séverine Frerson

In vielen Maisons ist heute der Kellermeister zugleich der Botschafter des Hauses. Das liegt nicht nur an unserer Zeit, die gerne Produkte mit Menschen verbindet. Sondern auch daran, dass ein jüngerer Chef de cave vielfach gar nicht seine eigenen Cuvées präsentiert, sondern die seiner Vorgänger. Und wenn Séverine Frerson, die mittlerweile auch schon ein „Dienstalter“ von sieben Jahren aufweisen kann, den Belle Epoque vorstellt, dann war sie gerade einmal für dessen Fülldosage verantwortlich. Aber sie repräsentiert natürlich den Stil des Hauses, wie ihn vor ihr Hervé Deschamps verkörpert hatte. Deswegen wird sich auch in zwei Jahren, wenn Perrier-Jouët den Jahrgang 2018 des Belle Epoque vorstellen wird, keine Revolution ereignen. Immerhin konnte Frerson im Berliner KaDeWe nicht nur den Belle Epoque 2016 vorstellen, sondern auch die aktuellen Editionen des Grand Brut und des Blason Rosé. Und die liegen – von der Ernte bis zur Füllung – mittlerweile komplett in ihrer Verantwortung.

Anders als der etwas professorale Deschamps, den man erst aus der Reserve locken musste, gab sich Frerson in Berlin jedenfalls kommunikativ und neugierig. Es war ihr sichtlich ein Anliegen, im Gespräch mit den Gästen etwas über deren Liebe zum Champagner und deren Ansicht zur neuen Cuvée zu erfahren. Tatsächlich hatten die Besucher schon beim Grand Brut (20% Chardonnay, 40% Pinot Noir, 40% Meunier) allen Grund, guter Laune zu sein. Die Einstiegscuvée des Hauses präsentiert sich aktuell in sehr guter Form. Zitrus, Äpfel, etwas Aprikosen und tatsächlich eine Textur, die, wie Frerson es beschreibt, an Wildleder erinnert. Das ist präzise gemacht und animierend (90–91p.). So spiegelt die Cuvée etwas von der Aufbruchsstimmung bei Perrier-Jouët wider. Schließlich ist erst im Herbst 2024 ein neuer Holzfasskeller eingeweiht worden, der für die Produktion einer neuen Generation von Chardonnay-Weinen bestimmt ist. Zudem setzt das Haus in den Weinbergen zunehmend auf regenerative Landwirtschaft.

Der neue Jahrgang 2016 von Belle-Époque

Der Belle Epoque 2016 (50Ch|45PN|5PM) stammt aus einem Jahr mit kühlem, verregnetem Frühling, der von einem heißen Sommer gefolgt wurde. Das verbindet ihn mit seinem Vorgänger, der aus einem außergewöhnlich heißen Jahrgang stammt. Der wurde von Perrier-Jouët bemerkenswert gut bewältigt (mehr hier). Zu den Grundweinen des 2016er-Jahrgangs äußert sich das Haus nur zurückhaltend. Séverine Frerson hat darauf hingewiesen, dass sie speziell Pinot Noir aus zwei Grand-Cru-Gemeinden ausgewählt hat: Verzy und Mailly-Champagne. „Insbesondere die Pinot Noir-Trauben aus Mailly-Champagne zeichnen sich durch eine Eleganz und Finesse aus, die perfekt mit unserem charakteristischen Chardonnay aus den Grand Cru-Terroirs der Côte des Blancs harmoniert“, sagt sie. „Sie unterstreichen daher die zarte blumige Struktur des Weins, anstatt sie zu überdecken.“ Üblicherweise bilden jedenfalls Chardonnays aus Avize und Cramant das Rückgrat bei den weißen Trauben. In manchen Jahren werden diese durch benachbarte Grands Crus der Côte des Blancs ergänzt. Der Pinot Meunier stammt üblicherweise aus Dizy.

2016 ist nun der sechste Jahrgang der Cuvée mit der berühmten Art-Déco-Anemone in Folge (zu ihrer Geschichte mehr hier). Gegenüber dem 2015er-Jahrgang ist der aktuelle Belle Epoque freilich weniger hedonistisch und verschwenderisch. Das macht die Cuvée durch mehr Struktur, eine erfrischende innere Kühle und eine größere Präzision wett (94-95p.). Verkostet man, wie in Berlin, Grand Brut und Belle Epoque 2016 nebeneinander, so frappiert deren stilistische Ähnlichkeit. Natürlich ist die Prestige Cuvée dank ihres hohen Chardonnay-Anteils floraler und weist durch ihr deutlich längeres Hefelager mehr Brioche-Noten auf. Aber es ist doch eine identische Handschrift zu erkennen, die beide Cuvées miteinander verbindet. Geht man nach der Prestige Cuvée wieder zum Grand Brut zurück, erweist sich allerdings doch der Klassenunterschied. Die fröhliche Unmittelbarkeit des Grand Brut wirkt angesichts der Eleganz und der seidigen Textur des Belle Epoque fast ein wenig vorlaut. Aber das Bessere ist immer der Feind des Guten.

Perrier-Jouët und die Liebe zum Chardonnay

Nicht nur die Cuvée Belle Epoque, das Haus Perrier-Jouët als Ganzes gehört zu den Maisons, deren Stilistik vom Chardonnay bestimmt ist. Das schlägt sich auch darin nieder, dass auf 56 Prozent der eigenen Rebfläche Chardonnay angebaut wird – durchschnittlich sind es in der Champagne nur 30 Prozent. Tatsächlich sind Pinot-Noir-dominierte Champagner eher voll und kräftig, während Chardonnay-basierte Weine meist floral, fokussiert und delikat sind. Verhältnismäßig spät hat Perrier-Jouët dann auch reinsortige Blanc de Blancs erzeugt. Den Beginn machte Hervé Deschamps 1993, dem Jahr, in dem er zum Chef de cave von Perrier-Jouët befördert worden war. Mit Blick auf das Jahr 2000 kreierte er den ersten Jahrgang Belle Epoque Blanc de Blancs in gerade einmal 12.000 Flaschen. Die Trauben stammten aus Cramant, dem Grand Cru von der Côte des Blancs, das als Rückgrat aller Belle-Epoque-Cuvées gilt. Genauer: aus den für ihre Chardonnay-Qualität berühmten Parzellen Bourons Leroy und Bourons du Midi.

Wegen ihrer Seltenheit (und ihres Preises) war (und ist) diese Cuvée auf dem Markt nahezu unsichtbar. Es sollte bis zum Jahr 2017 dauern, bis Perrier-Jouët dann einen klassischen Blanc de Blancs Brut ohne Jahrgang auf den Markt brachte. Hier stammt der Chardonnay nicht nur aus Cramant, sondern aus gut 20 Gemeinden von den Côtes de Blancs, der Montagne de Reims und dem Vallée de la Marne. Sur-la-pointe hat über beide Cuvées ausführlich in FINE – Das Weinmagazin geschrieben, zuletzt 2017 anlässlich der Erstpräsentation des Blanc de Blancs in Tokio. Deswegen war ich gespannt auf den aktuellen Vergleich.

Tatsächlich präsentiert sich der Blanc de Blancs dichter und mit schönerer Textur als noch bei seiner Premiere. Mit Aromen von Zitronenkuchen, reifen Birnen und Panettone wirkt er schon im Bouquet sehr harmonisch. Am Gaumen setzt sich der Eindruck einer sanften Geschmeidigkeit fort, mit weicher Säure und präsenter Fruchtsüße (91p.) Ihm gegenüber präsentiert sich der Belle Epoque Blanc de Blancs 2014 Brut als völlig anderer Wein. Dieser repräsentiert in seiner puren, mineralischen und zugleich schlanken wie zupackenden Art sozusagen die Winzer-Seite von Perrier-Jouët. Mit weißen Blüten, Zitrusfrüchten, Anis und gerösteten Mandeln zeigt er neben einer wunderbaren Frische auch vielschichtige autolytische Aromen. Sicher ist das eher ein Champagner für Fortgeschrittene. Aber als Ganzes ist er überaus elegant, nicht zuletzt wegen seiner wunderbar feinen Perlage (95p.).

Rosés à la Haute Gamme

Ganz eigene Wege geht Perrier-Jouët auch beim Rosé. Mit den beiden ersten Cuvées geht es zunächst ganz traditionell los. Der jahrgangslose Blason Rosé Brut ist ein klassischer Assemblage-Rosé, das heißt, dass vor der Flaschengärung weiß gekelterten Grundweinen etwas roter Stillwein hinzugefügt werden. Auch hier macht das Haus keine Angaben, aber seriöse Quellen sprechen von je 25% Chardonnay und Meunier sowie 50% Pinot Noir, bei 15% Rotweinen. Der Prestige-Edition Belle Epoque Rosé Brut geht es ähnlich wie dem Blanc de Blancs. Angesichts des Bekanntheitsgrades der klassischen Assemblage weiß kaum jemand, dass es sie überhaupt gibt. Ihre Komposition geht vom klassischen Belle Epoque aus, wobei hier 11 Prozent Rotweine vor der Tirage hinzugefügt werden. Darüber hinaus hat Perrier-Jouët diese Linie benutzt, um ein paar sehr limitierte Sonder-Cuvées vorzustellen. Den Anfang machten die beiden saisonalen Cuvées Belle Epoque Edition Première 2007 und Edition Automne 2005. Das waren nicht „bloß“ Künstlereditionen, sondern echte Varianten.

In diesem Jahr nun stellte das Haus den Belle Epoque Florescence 2015 Brut vor. Mit seiner Komposition aus 50% Chardonnay (übrigens nicht aus Cramant!) und 50% Pinot Noir sowie 11% Rotwein aus Les Riceys weicht er ziemlich deutlich vom klassischen Belle-Epoque-Schema ab. Es ist der erste Jahrgang einer Serie und soll langfristig der dritte Rosé-Champagner des Hauses sein. Verfügbar ist er freilich nur exklusiv für Club-Mitglieder von „Le Cercle by Pernod“.

Wie aber verkosten sich die drei Rosés nebeneinander? Blason Rosé Brut, in der sogenannten Blason-Flasche (nach der ersten Prestige-Cuvée des Hauses Blason de France), zeigt sich überzeugend von der fruchtigen Seite. Lachsrot im Glas, im Bouquet rote Beeren sowie Pfirsich, geriebene Mandeln und Baiser. Die Himbeere setzt sich am Gaumen fort, dazu etwas Würze. Das ist sehr gut gemacht, vielleicht etwas vordergründig, aber schön zu trinken (90p.). Deutlich heller im Glas, mit goldenen Reflexen im Zartrosa, präsentiert sich Belle Epoque Rosé Brut 2014. Auch hier finden sich Erdbeeren und Himbeeren in der Nase, aber frischer und vermählt mit Blüten, dezent laktischen Noten sowie Brioche. Am Gaumen dann lebendig und frisch, vielschichtig und mit langem Abgang (94-95p.). Der kupferfarbene Belle Epoque Florescence 2015 Brut knüpft dagegen schon optisch an den Blason Rosé an. Die Nase tendiert Richtung Sauerkirsche, am Gaumen kraftvoll, reich und dicht, fast cremig. Eine eher hedonistische Rosé-Interpretation (94p.).

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Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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