Das begann schon bei der Verpackung. Oder besser den Verpackungen: Denn der Dom Ruinart 2010 kam in einer massiven, faltbaren Pappkarton-Konstruktion. In der wiederum die eigentliche Innovation des Hauses sichtbar wurde, das neue schneeweiße „skin case“. Das ist ein Mantel aus Faserform, also aus Recyclingpapier und -pappe, der sich wie eine zweite Haut um die Flasche schmiegt und die traditionelle Geschenkbox ersetzen soll. Erstmals von Ruinart 2020 für den Blanc de Blancs präsentiert, punktet er durch höhere Nachhaltigkeit und einen wesentlich besseren CO2-Fußabdruck. War die Form beim Blanc de Blancs noch recht unauffällig, hat die Schachtel nun die Form einer Skulptur angenommen: Wie ein aus dem Felsen der Champagne gebrochener Brocken Kalk repräsentiere sie die tiefe Verbundenheit des Dom Ruinart zu den Böden seiner Herkunft.
Mehr als nur ein Facelift
Überhaupt hat der gesamte Auftritt des Dom Ruinart ein Facelift erfahren. Das Etikett ist modernisiert und spiegelt mit seinem weißen, strukturierten Papier noch einmal den Kreideboden. Den Rücken ziert jetzt ein QR-Code, der zu einer von Frédéric Panaïotis moderierten Verkostungsanleitung führt. Und selbst die Champagnerkapsel, oder genauer die „plaque de muselet“, ist um einiges edler geworden. Vor allem aber traut sich die Maison endlich, die Bezeichnung „Extra Brut“ aufs Etikett zu nehmen: Denn obwohl die Dosage-Werte traditionell unterhalb der Brut-Grenzen lagen, hat man in vielen großen Häusern immer noch Angst, konservative Kunden zu verschrecken. Dass nun „Extra Brut“ auch von einer der Grandes Marques kommuniziert wird, ist ein gutes Zeichen für die Champagne insgesamt.
Kommen wir zum Wein: Dom Ruinart wurde 1966 mit dem Jahrgang 1959 zum ersten Mal als Prestige Cuvée präsentiert. Ungewöhn-licherweise war das ein Blanc de Blancs, aber es entsprach der Strategie des damaligen Direktors Bertrand Mure. Der hatte Ende der 1940er-Jahre seinen ersten Blanc de Blancs präsentiert und Chardonnay zum Rückgrat des Hauses gemacht. Anders als der um wenige Jahre ältere Comtes de Champagne von Taittinger ist der Dom Ruinart zumindest der heutigen Zeit komplett dem Edelstahl verpflichtet: »Wir hassen Sauerstoff, unsere Weine sehen niemals Holz«, ist dann auch der Grundsatz von Chef de cave Frédéric Panaïotis. Entsprechend erfolgt der Kampf gegen Oxidation auf jeder Stufe: von den geschlossenen pneumatischen Pressen und dem Ausbau in Inox bis hin zum Einsatz von Stickstoff-Gas, um Sauerstoff fernzuhalten. Denn Frische und Eleganz sind das A und O von Ruinart.
»Wir hassen Sauerstoff, unsere Weine sehen niemals Holz«
Frédéric Panaïotis.
Der neue Jahrgang
Diesen Weg verfolgt Dom Ruinart 2010 noch konsequenter als seine Vorgänger. Bereits seit 1998 hatte man sich im Haus mit dem Verschluss der Champagnerflaschen während der zweiten Gärung, der sogenannten Flaschengärung, beschäftigt. Während dieser Zeit waren die Flaschen traditionell mit Korken verschlossen, die eine Metallklammer fest an das Glas band. In den 1970er-Jahren wurde der Kork immer häufiger durch moderne Kronenkorken ersetzt. Man war der Meinung, dass dieser Verschluss weniger Sauerstoff durchließe, also die Reifung der Weine weniger beschleunige.
Bei Ruinart, dessen Spitzenweine teilweise zehn oder mehr Jahre auf der Hefe lagen, kamen Zweifel an dieser Theorie auf. So begann man mit Langzeittests, bei denen sich herausstellte, dass in den ersten Jahren tatsächlich der Kronenkorken Vorteile aufwies, die sich aber nach etwa sechs Jahren egalisierten. Ältere Weine schützte Kork mit zunehmendem Alter dagegen immer besser. Mit dem Jahrgang 2010 zog Ruinart hieraus die Konsequenz und stellte beim Dom Ruinart wieder auf Korken um – was mit einigem Aufwand verbunden war. Denn nun musste das Degorgieren wieder mit Hand durchgeführt werden und jeder Korken sensorisch geprüft werden.
Frédéric Panaïotis jedenfalls schwärmt von der neuen Methode: Die Weine wären komplexer und verfügten darüber hinaus über mehr Spannung. Die Innovation trifft jedenfalls 2010 auf Grundweine eines kühlen und regen-reichen Jahrgangs, der schwach für Pinot Noir, aber überraschend gelungen für Chardonnay ausgefallen ist. Doch auch Letzteres gilt nur mit Einschränkungen: So enthält der 2010er Dom Ruinart nur gut 10 Prozent Chardonnay von Ruinarts historischen Kernlagen in Sillery in den nördlichen Montagnes de Reims. Dagegen dominiert diesmal die Côte de Blancs (Le-Mesnil-sur-Oger, Avize, Chouilly und Cramant) mit 90 Prozent in der Assemblage. Noch zeigt sich der Champagner in der Nase dezent, mit Aromen von weißen Plattpfirsichen, Haselnüssen und Biskuit. Eine gute Säure, zarte Bitternoten und die feine, lebhafte Mousse stützen eine reiche, cremige Textur (95 Punkte).