Porträt: Domaine Alexandre Bonnet

2021 ist mein Buch „Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen“ erschienen. Damals fiel es mir ausgesprochen schwer, unter den Hunderten erstklassig arbeitenden Champagnerproduzenten eine Auswahl zu treffen. Deswegen gibt es online auf Sur-la-pointe eine Fortsetzung! Teil 3 widmet sich einem Betrieb im äußersten Süden der Appellation: der Domaine Alexandre Bonnet.

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Geschichte

Es gibt Grenzorte, an denen einfach etwas endet und die ganz wesentlich das Land repräsentieren, zu dem sie immer schon gehörten. Und solche, in denen die Zugehörigkeit zu einer Seite immer wieder wechselte, und deren Kultur in zwei Richtungen zugleich zu blicken scheint. Les Riceys, die südlichste Gemeinde der Champagne, gehört entschieden in die zweite Kategorie. Historisch war sie ein Zankapfel zwischen Champagne und Burgund. André Jullien ordnete Les Riceys 1816 in seiner „Topographie“ zwar den Weinen der Champagne zu. Aber es sind die Rotweine aus Riceys sowie den umliegenden Gemeinden, die er − als einzige des Departments Aube − als Premier Crus klassifiziert. An erster Stelle unter den empfohlenen Lieu-dits nennt er La Forêt, dazu später. Zu den berühmten Rosés aus Les Riceys schweigt er. Der Legende nach sollen sie ein Favorit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. gewesen sein – eine eigene Appellation gibt es jedenfalls seit 1947.

1919 dürfen die Weine der Aube zum ersten Mal die Bezeichnung Champagner tragen. Für die Region ein Befreiungsschlag und der Beginn einer regelrechten Gründerwelle. 1934 pflanzte dann auch ein gewisser Lucien Noble seine ersten Rebstöcke in Les Riceys. Seine Tochter heiratet einen René Bonnet, und ihre Kinder Serge und Alain geben dem Unternehmen 1973 schließlich den Namen Alexandre Bonnet, unter dem sie eigene Champagner abfüllen. In den 1990er-Jahren erweitern sie ihre Basis als Négociants und verarbeiten nun Trauben von gut 200 Hektar Rebfläche. Nachdem aus der Familie niemand das Geschäft weiterführen will, übernimmt 1998 die Champagnergruppe Lanson-BCC. Unter der Leitung von Arnaud Fabre wurde die Geschäftstätigkeit 2019 dann aufgeteilt. Einmal der Handel unter der Maison Alexandre Bonnet (MAB unter der Marke Ferdinand Bonnet). Sodann die Domaine Alexandre Bonnet (DAB) als Récoltant Manipulant, der nur eigene Trauben verarbeitet. Parallel gab es einen Relaunch in Erscheinung und Portfolio.

Stilistik

Zunächst einmal gibt der in der Champagne ungewöhnliche Name Domaine Auskunft über das eher burgundische Selbstverständnis des Hauses. Mit „Domaine“ aber soll nach Auskunft von Präsident Arnaud Fabre aber auch eine gewisse Betriebsgröße signalisiert werden. Tatsächlich unterscheiden die 47 Hektar Rebfläche Alexandre Bonnet deutlich von typischen Winzerchampagner-Produzenten mit deutlich weniger Besitz. Der Anteil an Pinot Noir am Rebspiegel liegt bei DAB bei eindrucksvollen 93 Prozent. Das hat dazu geführt, dass zweitweise sechs Cuvées des Hauses zu 100 Prozent aus dieser Rotweintraube produziert wurden, inklusive eines weißen Coteau de Noirs. Die Anlage einer Parzelle mit den sieben alten Rebsorten der Region sowie die zunehmende Bedeutung des Pinot Blancs haben das etwas modifiziert. Dennoch spielt der Pinot Noir nach wie vor eine überragende Rolle ein. Nicht weniger als zehn Varianten, sowohl Reben mit lockerbeerigen Trauben aus der Champagne wie kleinbeerige aus Burgund, teilweise als Klone, teilweise in Massenselektion gewonnen, werden kultiviert.

Der Weinbergsbewirtschaftung wird gegenüber der Kellerarbeit Vorrang eingeräumt. Die Herausarbeitung des besonderen Terroirs von Les Riceys, dem „Grand Cru der Côte des Bar“, mit seinen steilen Weinbergen aus Kimmeridgian-Kalkstein, steht an erster Stelle. Entsprechend ist das Weingut zweifach zertifiziert (HVE und VDC). Ein Drittel der Fläche steht in Konversion zum biologischen Anbau. Der Ausbau erfolgt nicht-interventionistisch. Die Erträge sind niedrig, die Trauben werden auf Rüttelpulten noch einmal selektioniert. Jede Parzelle wird separat in kleinen Stahltanks vinifiziert, und für jede Cuvée nur der Saft der ersten Pressung verwendet. Teilweise wird nach dem Schwerkraft-Prinzip, das heißt ohne mechanisches Pumpen gearbeitet. Die malolaktische Gärung läuft vollständig an und es werden ausschließlich Zero- oder Extra-Brut-Dosagen verwendet. Die Schweflung ist minimal. Seit der im Burgund ausgebildete Irvin Charpentier als Chef de Cave verantwortlich ist, wird auch mit dem Holzfass-Ausbau experimentiert.

Portfolio

Dank ihrer Herkunft ist die Domaine Alexandre Bonnet in der Lage, Weine aus drei verschiedenen AOCs zu produzieren: Champagner, Champagner-Stillweine, die sogenannten Coteaux Champenois, sowie einen Rosé de Riceys. Letzterer stammt traditionell aus der nach Süden exponierten Einzellage La Fôret unterhalb des Waldes von Riceys-Bas. Etikettiert als La Fôret wird der Rosé aber erst seit 2017, vermutlich wegen des Erfolges, den Olivier Horiot mit seinen Einzellagen-Rosés aus Les Riceys hatte. Es folgen zwei Coteaux Champenois in weiß und rot. Rouge Les Riceys aus 100 Prozent Pinot Noir ebenfalls aus La Fôret. Blanc Les Riceys als Cuvée aus weiß gekeltertem Pinot Noir aus der Parzelle Hardy im Osten sowie Chardonnay aus der Lage En Vigneron im Westen von Les Riceys.

Das Champagnersortiment besteht einmal aus den drei Blends Blanc de Noirs, Blanc de Blancs und Rosé. Diese stammen alle aus Trauben aus Les Riceys und den umliegenden Gemeinden. Darüber dann bis zum Jahrgang 2018 die beiden Einzellagen-Champagner La Fôret Rosé (als Vintage mit 100 Prozent Pinot Noir) sowie La Géande 7 Cépage aus allen sieben zugelassenen (traditionellen) Rebsorten der Champagne, ebenfalls als Millésime. 2019 wurden diese in Les Contrées umbenannt und nicht mehr als Single-Plot-Champagner etikettiert. Der Rosé Les Contrées 2019 enthält nun auch etwas Pinot Blanc aus der Parzelle Hardy. Und Les Contrées 7 Cépages 2019 – aus Chardonnay, Blanc Vrai (Pinot Blanc), Beuret (Pinot Gris), Pinot Noir, Pinot Meunier, Petit Meslier und Arbanne – stammt nun wohl nicht mehr ausschließlich aus La Géande.

Verkostung

Sechs teilweise sehr individuelle Weine konnte ich probieren. Es begann mit dem Rosé de Riceys La Forêt 2020 von mittlerweile gut 50 Jahre alten Reben. Der Wein wurde drei bis vier Tage mit teilweiser Kohlensäuremaischung vinifiziert und zu einem Viertel im Holzfass vergoren. So entsprach er kaum dem üblichen Rosé-Image. Stattdessen ein kräftiges, leicht kühles Hellrot im Glas und zunächst etwas verhalten. Mit etwas Luft dann Kirsche und leicht erdig-würzige Aromen. Am Gaumen noch ziemlich jugendlich-straff und mit guter Säure. Öffnete sich dann aber mit dem Essen, braucht aber durchaus noch etwas Zeit (91 P.). Der Blanc de Blancs Extra Brut (Grundjahrgang 2019 mit etwa 36 Monaten auf der Feinhefe, deg. 06/01/2023) blendet ungewöhnliche 50 Prozent Pinot Blanc mit 50 Prozent Chardonnay. Blass gelb mit feiner Perlage. Im Bouquet gelbe Rosen, Aprikose, Apfel, Birnen und weiße Mandeln. Zart cremig, dezent salzig und unangestrengt (92 P.).

Der „einfache“ Rosé Extra Brut ist zu 100 Prozent ein Pinot-Noir-Champagner und wird nach der Assemblage-Methode erzeugt. Durch die geringe Dosage wirkt er sehr pur, durch die kurze Zeit der Flaschengärung (24 Monate) aber zunächst auch etwas „schaumig“. Die Aromatik wird von roten Johannisbeeren und Trockenkräutern beherrscht. Am Gaumen bei guter Säure recht fleischig (90 P.). Der Blanc de Noirs Extra Brut (deg. 04/04/23) ist sicher so etwas wie der Signature-Champagner des Hauses. In der Nase komplex – Apfel, Mandarine, Kiwi, weiße Blüten, Honig, Mandeln und Baiser –, zeigt er am Gaumen starke Länge und Präsenz (93 P.). Les Contrées 7 Cépages Extra Brut 2019 (deg. 12/06/23) zeigt sich deutlich reifer in der Aromatik. Noten von Quitte, rotem Apfel, Panettone, etwas Honig und Vanille im Bouquet, am Gaumen auch Salzkaramell. Eher stoffig und voluminös als elegant, mit relativ niedriger Säure und spürbarer, leicht bitterer Phenolik (92 P.).

Les Contrées Rosé Extra Brut 2019 (deg. 23/06/23) ist dann sicherlich der ungewöhnlichste Wein im Portfolio. Ein Rosé de Saignée, also von mazeriertem, „ausgeblutetem“ Pinot Noir, assembliert mit etwas Pinot Blanc (!). Der ist spektakulär schon in der Farbe: ein Rot mit Blau-Braun-Schimmer wie von Pflaumensaft. In der Nase Granatapfel, Sauerkirschen, gelbe Pflaumen und Mandeln. Mit Lufteinfluss auch Birne, gebratene Quitte und Walnuss. Die gute Säure und ein gutes Maß Phenolik machen den Rosé trotz eines eher schlanken, delikaten Körpers zu einem hervorragenden Essensbegleiter. Ein erster Versuch mit Wildlachs schlug fehl, ein zweiter mit Gänsekeulen (!) war perfekt (94 P.). Man wird sehen, wie sich die Stilistik der Domaine unter dem neuen Kellermeister verändert. Wird Holz eine größere Rolle spielen? Werden länger gereifte Champagner mit stärkerem Autolyse-Charakter wichtiger werden? Es lohnt sich in jedem Fall, die Domaine Alexandre Bonnet im Auge zu behalten!

Bildrechte

 Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

Mehr zum Thema und einführende Informationen:

Stefan Pegatzky: Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen.

240 Seiten, zahlreiche Abbildungen.

Wiesbaden: Tre Torri Verlag, 2001.

Ausgezeichnet als bestes Weinbuch des Jahres 2021 mit dem Deutschen Kochbuchpreis in Gold

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