SLPs Top-5 auf der ProWein 2022

Für den Weinliebhaber ist die ProWein die ganze Weinwelt in einer Nussschale. Industrieware für Discounter findet sich ebenfalls wie Entdeckungen von ambitionierten Jungwinzern. Traditionell ist auch das Premiumsegment stark vertreten.

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Die Fine-Wine-Fraktion war dieses Jahr wegen der Pandemie und ihrer Folgen nicht ganz so stark vertreten wie noch 2019 und den Jahren zuvor. Dennoch hatten viele Spitzenwinzer ihre ganze Kollektion mitgebracht. Einige griffen sogar tief in die Schatzkiste und präsentierten wahre Raritäten. Hier ist eine Auswahl meiner 5 Topweine in Düsseldorf 2022.

Château Haut-Bailly 2019

Eine Flasche Chauteau Haut-Bailly 2019

Traditionell findet montagsmorgens die Präsentation der Union des Grands Crus de Bordeaux mit der Vorstellung des aktuell in Flasche gefüllten Jahrgangs statt: dieses Jahr also 2019. In meinen Augen hatte diesmal Haut-Bailly aus Pessac-Léognan knapp die Nase vorne vor Pichon-Baron und Léoville-Poyferré. Der Haut-Bailly der neueren Zeitrechnung ist immer ein dichter, sehr komplexer Wein mit einem raffiniert feinem Tannin-Management. Dieses Jahr ist die Frucht beinahe schmerzhaft intensiv und erinnert an ganz große Napa-Weine. Dabei ist der Wein wunderbar balanciert und bleibt in seiner Eleganz unverkennbar ein Franzose.

Brunello di Montalcino Biondi-Santi 2015 Riserva

Eine Flasche Brunello di Montalcino Biondi-Santi 2015 Riserva

Der neue Besitzer des Weinguts, die französische Luxuswaren-Holding EPI, präsentierte auf der ProWein parallel Brunello 2016 und die Riserva 2015 Riserva. Es sind Weine des Übergangs: Jacopo Biondi-Santi hat 2015 zum letzten Mal die volle Kontrolle über die Produktion innegehabt, während 2016 die finale Assemblage bereits nicht mehr in seiner Hand lag. So wenig das gegen den herausragenden Nachfolger sagt, ist der 2015 doch ein Vermächtnis: ein Schlussstein in einer Historie, in der Familiengeschichte zugleich Weingeschichte war. Tatsächlich ist der Wein ein Monument, kraftvoll in den Tanninen und der Säure, dabei voller und eleganter als in früheren Zeiten und erstmals mit dem für Biondi-Santi hohen (aber gut eingebundenen) 14,5 % Alkohol. (Zur Nachverkostung)

Champagne Besserat de Bellefon Réserve 1986

Eine Flasche Champagne Besserat de Bellefon Réserve 1986

Das Champagnerhaus hatte lange Jahre eine Durststrecke und ist noch immer in Deutschland schwach repräsentiert. Dabei hat die Maison eine große Vergangenheit und geht spätestens seit 2018 qualitativ in die Offensive. Durch die Entscheidung für einen geringeren Flaschendruck und einen Stopp der Milchsäuregärung steht sie zudem einzigartig dar. Aus der raren Vintage Collection präsentierte Besserat de Bellefon den 1986er-Jahrgang, der 2019 degorgiert wurde und somit über 30 Jahre auf der Hefe lag. Das Resultat ist ein wunderbares Plädoyer für gereifte Champagner: mit vollem Bouquet von Nüssen und schwerem Hefegebäck, vielschichtig, vinös und fast ölig am Gaumen, bei guter Frische und minutenlangem Nachhall.

Chappellet Cabernet Sauvignon Pritchard Hill 2018

Eine Flasche Chappellet Cabernet Sauvignon Pritchard Hill 2018

Das Napa Valley hatte einen sehr starken Auftritt in Düsseldorf 2022, und es wurden Weine präsentiert, deren Preise mittlerweile die sprichwörtlichen astronomischen Höhen erreicht haben und in Europa kaum mehr aufzufinden sind. Mein Favorit war der Pritchard Hill vom Pionier-Weingut Chappellet. Dessen gleichnamige Gründerfamilie hatte bereits 1967, als zweites neues Weingut nach der Prohibition im Napa Valley überhaupt, mit dem Weinbau begonnen. Der Pritchard Hill oberhalb des Lake Hennessey ergibt ausgesprochene „Mountain Wines“: etwas kühler als unten im Tal, dafür mit einer enormen Würzigkeit und Konzentration. Die Zeit wird zeigen, ob dieser mit Frische und einer phantastisch puren Frucht gesegnete Wein an die größten seiner Vorgänger-Jahrgänge anschließen und dann eine dreistellige Bewertung erhalten wird.

Château Musar 1960

Eine Flasche Chateau Musar 1960

Welches Land ist schon krisenerprobter als der Libanon? Die Familie Hochar jedenfalls lässt sich auch in diesem Jahr nicht davon abhalten, mit ihren Weinen nach Düsseldorf zu reisen – ein Glücksfall für jeden Liebhaber komplexer, unorthodoxer Weine. Dass Musar-Weine reifen müssen, bevor sie Kult werden, ist dabei vielen Sammlern bekannt. Mit der kleinen Vertikale 2016, 2000 und 1998 demonstriert das Verkaufsdirektor Marc Hochar auch in Düsseldorf eindrucksvoll. Als er dann aber eine Karaffe des 1960er-Jahrgangs (2012 neu verkorkt und etikettiert) hervorzaubert, ist das Weinglück vollkommen. Der Wirbelsturm aus jugendlicher Individualität ist balsamischer Weisheit gewichen, komplexe tertiäre Schichten aus Leder und Tabak stehen neben feinster Altersüße und verwehenden mürben Fruchtnoten. Schlicht eine Sensation!

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