Porträt: Champagne Bernard Lonclas

2021 ist mein Buch „Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen“ erschienen. Damals fiel es mir ausgesprochen schwer, unter den Hunderten erstklassig arbeitenden Champagnerproduzenten eine Auswahl zu treffen. Deswegen gibt es online auf Sur-la-pointe eine Fortsetzung! Teil 2 der Fortsetzung widmet sich einem Pionier in der wenig bekannten Region des Vitryat: Bernard Lonclas.

5 Minuten Lesezeit

Geschichte

Der Weinbau um die Stadt Vitry-le-François hat eine lange Tradition. Ende des 17. Jahrhundert, das zeigen alte Aufzeichnungen, waren Weinberge in keiner der Gemeinden und Städte der Champagne prozentual so verbreitet wie hier. Mit den Hungerunruhen zwischen 1764 und 1770 wenige Jahre vor der Französischen Revolution begann der Niedergang des Weinbaus um Vitry, aber der französische Historiker Henry Vizetelly zählte 1882 noch 2.465 Hektar Reben in der Region, immerhin gut 15 Prozent des Weinbaus im Département Marne und etwa ein Drittel der Weinberge um Reims. Den Todesstoß versetzte dem Weinanbau der im Osten der Champagne gelegenen Gegend schließlich die Reblausplage zwischen 1890 und 1900. Eine Zeitlang sogar nicht mehr in den Appellationsgrenzen enthalten, wurde das Vitryat erst 1974 wieder in das Anbaugebiet aufgenommen und es begann eine erste Welle mit Neuanpflanzungen von Weinbergen. Nach einer zweiten Welle in den 1990er-Jahren sind heute wieder 480 Hektar unter Reben.

Der Gründer des nach ihm benannten Champagnerhauses, Bernard Lonclas, ist der Sohn eines Bauern aus dem Dorf Bassuet, neun Kilometer nordöstlich von Vitry, die wichtigste Weinbaugemeinde der Region. Schon früh vom Traum beseelt, Winzer zu werden, erlernt er den Weinbau im nahen Avize. Mit gerade einmal 17 Jahren erwirbt er seine erste Parzelle: den gerade 55 Ar großen, mit Chardonnay bepflanzten Lieu-dit „La Touaille“ an den Südosthängen von Bassuet. Mit seiner Frau Line gründet er dann 1976 das nach ihm benannte Champagnerhaus, 1979 verkauft er seine ersten Cuvées. Mittlerweile wird er von seinen beiden Töchtern Aurélie und Mathilde unterstützt. 2011 gewinnt sein Weingut eine Goldmedaille bei einem Wettbewerb um die besten Chardonnays der Welt – ein Erfolg nicht nur Lonclas persönlich, sondern für die ganze Region. 2019 wurde Champagne Lonclas für die Lounges der Fluglinie American Airlines ausgewählt. Sie sind nun Botschafter des Vitryat in der ganzen Welt.

Stilistik

Der Rebbesitz von Champagne Bernard Lonclas ist kontinuierlich angewachsen und umfasst nun 12 Hektar auf 27 Parzellen. Fast alle finden sich in den acht Gemeinden der Côteaux Vitryats: Bassu, Changy, Vavvray le Grand, Lisse en Champagne, Saint Amand sur Fion, St Lumier en Champagne, Vitry en Perthois und natürlich in ihrer Heimatgemeinde Bassuet. Hier besitzt die Familie auch Flächen direkt hinter dem Weingut in den besonders begünstigten Lieu-dits Les Loges und Les Fours. An dieser Stelle finden sich in gut 150 Meter Höhe an den rückwärtigen Hängen über Bassuet und dem Flüsschen Le Flon Durchbrüche von turonischer Kreide. Diese bildet hier Hanglagen von bis 15 Prozent Gefälle mit Süd bis Südost-Exposition – mit ausgezeichneten Bedingungen für Chardonnay.

Diese besondere turonische Kreide hat ihren Namen übigens von Tours bzw. der Tourraine und wird dort Tuffeau genannt. In der Champagne gibt es sie ansonsten nur noch in dem ganz isoliert gelegenen „Gotenhügel“ Montgueux bei Troyes. Im Übrigen gehören Champagne Lonclas noch kleine Parzellen in der Aube (Pinot Noir), der Vallée de la Marne (Pinot Meunier) und dem Massif St. Thierry (Pinot Noir). Um den Bedarf zu decken, kauft das Haus die Ernte von etwa 33 Hektar hinzu, vor allem Chardonnay aus den Côteaux Vitryats, etwas Pinot Meunier aus dem Vallée de la Marne and Pinot Noir aus Venteuil und dem Massif St. Thierry dazu. Insgesamt besteht der Rebspiegel aus 85 Prozent Chardonnay, 10 Prozent Pinot Meunier und 5 Prozent Pinot Noir.

Champagne Lonclas bewirtschaftet seine Weinberge umweltbewusst und nachhaltig und wird aller Wahrscheinlichkeit nach 2024 sowohl die VDC- sowie die HVE-Zertifizierung erreichen. Um seinen ökologischen Fußabdruck zu vermindern experimentiert das Haus seit 2010 mit einer verringerten Pflanzdichte der Reben. Der Nachhaltigkeit kommt auch zugute, dass sich fast alle eigenen Reben im Umkreis von gut zehn Kilometer um das Weingut befinden. Gepresst wird schonend in kleinen Coquard-Pressen von 4,000 Kilo Fassungsvermögen. Fermentation und Ausbau finden in 60 temperaturgesteuerten Edelstahl-Tanks statt, die malolaktische Gärung verläuft vollständig. Die Reserveweine werden nur aus alten Rebstöcken hergestellt und lagern mindestens drei Jahre lang in Edelstahlbehältern. Die Fülldosage ist beim Einstiegssegment recht hoch, bei den Blancs de Blancs dagegen deutlich niedriger. Das Degorgierdatum wird löblicherweise auf dem Rückenetikett vermerkt. Gegen die Klimaerwärmung wurden jüngst Tanks zur kalter Vorklärung des Leseguts angeschafft. Zudem wurde der Keller erweitert, um eine Rotation von mehr als drei Jahrgängen Champagner zu gewährleisten.

Portfolio

Acht Champagner bietet Bernard Lonclas an. Zunächst als Einstieg die fruchtbetonte Cuvée Sélection Brut (Chardonnay 20 %, Pinot Meunier 50 % und Pinot Noir 20 %, 11g/L Dosage) sowie auf besonderen Kundenwunsch hin– mittlerweile ist er nach Verkaufszahlen die Nummer zwei im Sortiment – eine Cuvée Prestige (2/3 Chardonnay, 1/3 Pinot Meunier) als Extra Brut mit 15 Gramm/Liter (und als Demi Sec mit 36 Gramm/Liter) Dosage und einer etwas niedrigen Säure. Auf dieser Cuvée beruht auch der Rosé Brut, bei dem die Grundweine der Cuvée Prestige mit 15 Prozent Rotwein vor der zweiten Fermentation assembliert werden. Auch er steht mit 12 Gramm/Liter Dosage im süßeren Bereich des Brut-Spektrums. Trockener ist dann mit 8,5 Gramm pro Liter Dosage der Millésime Brut. Er reift mindestens sechs Jahre lang im Keller und ist ein Blend aus 80 Prozent Chardonnay und 20 Prozent Pinot Meunier.

Die zweite Hälfte des Angebots sind ausschließlich reine Chardonnay-Champagner, beginnend mit einem klassischen Blanc de Blancs Brut (8 g/L Dosage, auf Wunsch auch als Demi-sec mit 30g/L). Dann gibt folgen zwei Blancs de Blancs ausschließlich von eigenem Traubenmaterial von alten Reben. Grand Brut (mit 9 g/L Dosage) sowie Extra-Brut mit lediglich 5 Gramm pro Liter Dosage. Der Vintage Blanc de Blancs Extra-Brut schließlich stammt zu 100 Prozent aus besten Lagen der Côteaux Vitryats und wird nur in den besten Jahrgängen erzeugt. Für die Zukunft ist geplant, eine Bio-Cuvée und einen im Holz ausgebauten Champagner zu lancieren.

Verkostung

Meine erste Begegnung mit Champagne Lonclas stammt von der ProWein 2022, wo mich die Champagner überzeugten und ich einiges über die Geschichte des Weinguts lernen konnte. Zur ausführlichen Nachverkostung sandte mir das Haus dann vier Muster. Die Cuvée Prestige (deg. 23/01/23) überrascht dabei durch eine schöne Frische und harmonische Komposition. Die ungewöhnliche Assemblage aus ein Drittel Chardonnay und zwei Drittel Pinot Noir überzeugt sehr. Und dank des großartigen, lebendigen Jahrgangs 2019, aus dem die Grundweine für diese Cuvée stammen, ist auch die erhöhte Dosage gut eingebunden (89 P.). Weniger glücklich war ich mit dem Blanc de Blancs Brut (deg. 15/11/22), der nicht verbergen konnte, dass der Großteil der Weine aus dem Hitzejahrgang 2018 stammen. Da sind viele gelbe Steinfrucht- und hefige Noten im Bouquet, aber mir fehlte hier doch die Spannung (87 P.)

Deutlich spannender wird es bei den Top-Weinen. Der Blanc de Blancs Grand Brut (deg. 16/11/22) wird vom Basisjahrgang 2017 sowie Reserve-Weinen getragen und durfte fünf Jahre im Keller reifen. Hier sind neben der Chardonnay-typischen Aromatik (Blüten, Zitrus) auch bereits feine autolytische Noten wie Toast und Brioche schmeckbar. Das problematische Jahr 2017 wurde hier souverän bewältigt. Schöne Säure und integrierte Dosage (91 P.) Der Blanc de Blancs Extra-Brut aus dem sehr klassischen und eleganten Jahrgang 2014 ist sicher der Höhepunkt des aktuellen Sortiments. Der Dosage-Zeitpunkt ist hier nicht vermerkt, aber die zweite Flaschengärung dürfte mindestens sieben Jahre gedauert haben. Damit spielt der Champagner in der Liga der Prestige Cuvées. Eine schöne Chardonnay-Aromatik auch hier, die etwas weicher und fruchtiger ausfällt als in der nahen Côte de Blancs. Sehr feine Mousse, transparent und vielschichtig am Gaumen und mit guter Länge, das gefällt (92 P.). Übrigens: die Champagner haben ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis!

Bildrechte

Fotos: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

Mehr zum Thema und einführende Informationen:

Stefan Pegatzky: Champagner: Die 100 wichtigsten Maisons, Winzer und Kooperativen.

240 Seiten, zahlreiche Abbildungen.

Wiesbaden: Tre Torri Verlag, 2001.

Ausgezeichnet als bestes Weinbuch des Jahres 2021 mit dem Deutschen Kochbuchpreis in Gold

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