Im Schatten des Gantkofel: Die Kellerei Andrian

Die älteste Genossenschaft Südtirols gehörte lange Zeit zu den kleinsten Kooperativen des Landes. Seit der Fusion 2008 mit der nur 2,5 Kilometer entfernten Cantina Terlan gilt die Devise der „zwei Seelen unter einem Dach“. In einer Präsentation im Berliner Restaurant Rutz Zollhaus zeigte das Weingut seine Stärken mit langlebigen, rebsortenreinen Premium-Weinen.

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Nicht erst seit den spektakulären Erfolgen des Terlaner-Schwesterweinguts mit Weinen wie dem Pinot Bianco Rarity oder der Grand Cuvée Primo stand die Kellerei Andrian etwas im Schatten ihres Nachbarn. Schon der Größenunterschied ist beträchtlich. In Andrian sind es ganze 60 Winzer mit 80 Hektar Weinbergen, darunter viele Hunderte Kleinstparzellen. Terlan ist gut zweieinhalbmal so groß. Auch Terroir, Sonnenexposition und Kleinklimata an den beiden gegenüberliegenden Hängen des Etschtals sind deutlich verschieden. In Andrian sind es kalkreicher Lehm und kantiges, weißes Dolomitgestein. In Terlan vorwiegend vulkanische Böden. Der Gipfel des Gantkofel und seine Fallwinde sorgen in Andrian für Nachmittagsschatten und eine um bis zu 14 Tage spätere Ernte. In beiden Weingütern aber greift das minutiöse, qualitätsorientierte Regime von Betriebsleiter Rudi Kofler und Agronom Simon Kompatscher hinsichtlich der Vertragswinzer. In aller Kürze zusammengefasst: erstklassige Traubenpreise gegen erstklassige Qualität.

Die Weißweine der Klassik-Linie

Die Basislinie in der Kellerei Andrian (oder italienisch Cantina Andriano) wäre eigentlich bei den meisten Weingütern schon eine „mittlere Linie“. Allerdings ist diese in sich noch einmal zweigeteilt: Den Weißweinen mit der einfachen Rebsortenbezeichnung Gewürztraminer, Pinot Grigio, Müller-Thurgau stehen drei Weine mit eigenen, dem Esperanto entlehnten Bezeichnungen zur Seite. Diese Weine, die „den Charakter der Herkunft besonders zum Ausdruck“ bringen, präsentierte Alexandra Erlacher für das Weingut in Berlin jeweils aus dem Jahrgang 2022. Der Pinot Bianco Finado zeigte sich noch etwas unruhig, durchgegoren und säurebetont, aber auch etwas neutral (86. P.). Der ebenfalls komplett im Edelstahl ausgebaute Sauvignon Blanc Floreado ist in seiner alpinen Kargheit ein Gegenbild zur kitschigen Sauvignon-Frucht aus Neuseeland (88 P.). Auch der „kleine Sommer“ Somereto Chardonnay sieht kein Holz, gewinnt aber durch Batonnage und Hefelager an Textur. Würzig, ein Hauch Süße und deutlich mehr Druck als seine Vorgänger (89 P.).

Die weißen Selektionsweine

Die beiden weißen Riserve des Hauses präsentierte Alexandra Erlacher mit dem jeweils aktuellen als auch einem gereiften Jahrgang. Beim Sauvignon Andrius standen sich 2022 und 2013 gegenüber. Prinzipiell wird der Wein im Edelstahl ausgebaut, bevor er teils im Edelstahltank (70 %) und teils im Tonneau (30 %, davon 30 % in Erstbelegung) lagert und reift. Der gerade abgefüllte 2022er-Jahrgang zeigt sich wie der Junior Floreado nicht zu fruchtbetont, dabei komplexer und mit etwas mehr mineralischer Salzigkeit (92 P.). Vom 2013er hatte das Weingut einst 1.000 Flaschen zurückgelegt. Schön gereift und mit einer an Riesling erinnernden Petrolnote, beeindruckte er durch seine intensive Kräutrigkeit (92 P.).

Beim Doran Chardonnay Riserva findet dagegen die alkoholische Gärung und der Ausbau auf der Feinhefe für zwölf Monate im Tonneau statt, bevor sich ein drei monatiges Reifelager im Edelstahltank anschließt. 2021 zeigt sich ziemlich cremig, mit noch deutlich präsentem Holz, einem schönen Mundgefühl und einer milden, geschmeidigen Säure (92 P.) 2017 ist jahrgangsbedingt schlanker und zeigt Steinfrüchte sowie etwas Kokos und Vanille in der Nase. Auch hier eine gute, aber dank lebendiger Säure etwas straffere Textur (93 P.)

Die Roten

Rutz-Sommelière Nancy Großmann

Der Pinot Noir Riserva Anrar hat den Namen von Andrian und Rarität. Sein Ursprung ist eine Einzellage auf 470 Meter in Pinzon nahe Neumarkt. Die gut 5.000 Flaschen stammen von einem einzigen Hektar, eng bepflanzt mit 8.000 gut 20 Jahre alten Weinstöcken burgundischer Herkunft. Der Wein vergärt im Edelstahl und wird in kleinen Eichenfässern ausgebaut. Seit er regelmäßig in Vergleichstests die Top drei von Italiens Spätburgundern erreicht, gehört er zu den Aushängeschildern des Weinguts. Der 2020er-Jahrgang zeigt eindrucksvoll, warum das so ist. Ein helles Rubinrot im Glas, im Bouquet Granatapfel und Sauerkirsche, dazu Piment, Gewürznelken und etwas Rauch. Am Gaumen frisch und transparent, mit präsenter Säure und tragenden, feingewobenen Tanninen (94 P.).

Den Lagrein Riserva Tor di Lupo hatte Alexandra Erlacher zu Hause gelassen. Schade, der Wein hatte in den 1980er-Jahren zu den erst Top-Lagreins überhaupt gezählt. Dafür hat sie vom Merlot Riserva Gant gleich zwei Jahrgänge mitgebracht: 2020 und 2016. Gant ist die Abkürzung des Hausbergs Gantkofel, wo auf 250 Meter Höhe die Trauben für gut 7.000 Flaschen geerntet werden. 2020 zeigt der Wein eine sehr konzentrierte Frucht − im Bouquet mit Cassis und Kirsche gar regelrecht „Rote Grütze“. Auch am Gaumen dicht und expressiv, dabei ohne jede Spur Süße (93 P.). Noch eindrucksvoller der gereifte Jahrgang 2016. Dem hatte 2019 Monica Larner vom „Wine Advocate“ noch etwas Überreife attestiert. Davon war hier nichts zu spüren, im Gegenteil. Noch jugendlich und etwas kühl in der Anmutung, zeigt der Wein beinahe etwas wie einen Pomerol-Touch. Am Gaumen vertikal und sehnig, mit einer mittleren Länge. Ein Klassiker von morgen (94 P.).

Das süße Finale und ein Wort zur Küche

Die große Tradition Südtiroler Gewürztraminer verkörperte der Juvelo Gewürztraminer Passito 2021. Der trägt die Bezeichnung Passito eigentlich nur für den italienischen Markt. Denn tatsächlich ist der im Dezember von am Stock geernteten und von Boytritis befallenen Trauben und mit 169 Gramm Restzucker versehene Wein eine veritable Trockenbeerenauslese. Die 1.300 produzierten Flaschen stammen von einer von nur einem Winzer bewirtschafteten Parzelle in Eppan-Berg von einer Höhe von gut 600 Metern. Wuchtig und recht direkt im Bouquet, mit Honig, Quitte, kandierten Aprikosen und einem Hauch Aceton. Nicht zu fett, bei mittlerer Säure und guter Länge (94.). Einen Artikel über diese Präsentation kann man nicht schließen, ohne ein paar Worte über das begleitende Essen zu verlieren. Nicht nur unterstrich dieses die hervorragende Food-Pairing-Fähigkeit Südtiroler Weine. Zudem präsentierte das Rutz Zollhaus – in Gerichten wie dem „Weißen Heilbutt & Sauerkrautschaum“ (Bild oben) − eindrucksvoll den Stand der neuen deutschen Regionalküche.

Bildrechte

Alle Abbildungen : Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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