Ein großer Champagner erreicht die Vollkommenheit nur durch die Harmonie seiner Bestandteile: Insbesondere durch die Assemblage verschiedener Herkünfte und Traubensorten. Gegen dieses Dogma hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts zuerst Champagne Salon aufbegehrt. Er ist der wohl erste kommerziell produzierte Blanc de Blancs. Dazu ein Mono Cru, also aus einer einzigen Gemeinde stammend, und immer als Vintage produziert. Im 20. Jahrhundert wurden lediglich 37 Jahrgänge produziert, im 21. Jahrhundert werden es auch wegen der guten Jahrgänge deutlich mehr werden. Nichtsdestotrotz sind die Preise auf dem Sekundärmarkt explodiert. Wenn ein Jahrgang wie 2008 dann lediglich in 8.000 Magnums und im Rahmen eines „Limited Edition Œnotheque Case“ auf den Markt kommt, kühlt das die Situation nicht gerade ab. Für die Vertikale an diesem Abend im Restaurant „The Cord“ in Berlin hatte FWH Fine Wine Handel so einiges an Mühen und Kosten auf sich genommen. Der Lohn war ein wahrhaft denkwürdiges Tasting.
Champagne Salon und sein Stil
Der Mythos von Salon beginnt mit seinem Gründer Eugène-Aimé Salon, der unweit von Le-Mesnil-sur-Oger in der Champagne geboren wurde. Er machte als Pelzhändler in Paris Karriere und wurde um die Jahrhundertwende eine große Nummer des Pariser Nachtlebens. Inspiriert durch seinen Schwager, einem Kellermeister an der Côte des Blancs, kommt er auf die Idee, einen Champagner zu kreieren. Der Premierenjahrgang 1905 wird ein großer Erfolg und durch den exklusiven Vertriebspartner „Maxim’s“ ist in der Champagner in der Pariser High Society bald buchstäblich „in aller Munde“. Nach dem Tod Aimé Salon wechselt das kleine Champagnerhaus mehrmals den Besitzer (in meinem Champagnerbuch kann man die interessante Geschichte nachlesen), bis es 1989 die Laurent-Perrier-Gruppe übernahm. Einige Produktionsschritte erfolgen deswegen heute auch nicht mehr in Le-Mesnil, sondern in Tour-sur-Marne.
Nach wie vor stammen die Trauben für den Salon aus 20 teilweise sehr alten Parzellen aus Mesnil-sur-Oger, gemäß der Formel, die Salons Schwager noch vor dem Krieg entwickelt hat. Wobei eine davon – „Le Jardin“ − im Besitz des Hauses ist und die Trauben der anderen 19 von einer kleinen Kooperative aus dem Ort stammen. Lediglich der heute so genannte „Clos de Mesnil“ fiel 1971 nach dem Verkauf der Lage an die Maison Krug weg. Der frühere Ausbau im Holz ist seit Jahrzehnten dem im Edelstahl gewichen. Dies ist zusammen mit der Blockierung der malolaktischen Gärung und einer etwa zehn Jahre dauernden Flaschengärung eines der stilistischen Hauptmerkmale von Champagne Salon. Produziert wird nur eine einzige Cuvée, und die eben nur in sehr guten Jahren. Ansonsten werden die Grundweine vom Schwesterhaus Delamotte verwendet. Ältere Jahrgänge werden gelegentlich in einer länger gereiften und geringer dosierten „Late Disgorged“-Version angeboten.
Die Verkostung
Mit dem ersten Trio startete das Tasting bärenstark. 2013 zeigte grüne Reflexe im Glas, die Nase noch karg mit viel Zitrus, Apfel und Brioche, die Perlage zart. Laserscharf bei schlankem, sehnigem Körper dagegen die Säure, die unmittelbar daran erinnert, dass die Malo bei Salon geblockt wird. Ein Rohdiamant aus einem kühlen Jahr, den die Zeitzehnte zu einem strahlenden Juwel schleifen werden. Ganz anders 2012: cremig, üppig und voller Druck, aber mit noch etwas spürbarem Babyspeck. 2008 in der Magnum erneut so stark wie bei der großen 2008er-Verkostung. Der 2007er irritierte mich dagegen durch eine fast rohe Säure, die derzeit völlig neben dem Wein steht. Eine Flasche, die ich für mein Champagnerbuch verkostet hatte, war ganz anders. Damals notierte ich: „sehr schönes Säurerückgrat, bei fast üppigem Mundgefühl“. 2006 aus einem polarisierenden Jahrgang (aus dem Œnothèque Case des 2008ers) zeigte sich recht reif und wirkte mangels Präzision in dieser Reihe eher unspektakulär.
2004 war bei allem Reichtum und Opulenz nahtlos gefügt und sehr präzise. Ganz grundsätzlich zeigt der zunächst unterschätzte Jahrgang derzeit seine ganze Größe. 2002 und 1999 verkörperten dagegen deutlicher das klassisch-cremige Stilideal der Jahrtausendwende mit vergleichbar hoher Dosage. 1997 dagegen war wieder ein Höhepunkt: Voll entwickelt, aber überaus vital, spannungsreich und dennoch voller Balance. Ein Wunder an Komplexität dann 1996. Bei aller Reife noch ein Hauch an Primärfrucht, am Gaumen weinig und mit nur noch zarter Perlage. Aber aromatisch voll entfaltet, dabei sehr pur und mit präsenter Säure.
Nach dem vom Kork beeinträchtigen 1995er (der gleichwohl durchaus noch Größe hatte), zeigte sich auch der 1990er noch lebendig und in guter Form, auch wenn ein Grip etwas zu verblassen beginnt. 1988, noch zu Pernod-Ricard-Zeiten produziert, war bestens gealtert, mit innerem Reichtum und guter Säure, aber auch einigen kargeren, phenolischen Noten. 1971 war ein Rätsel mit seinem „ausradierten“ Jahrgang auf dem Etikett“. Mit einem modernen Korken ausgestattet war er eine offensichtliche Fälschung.
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