Paul Clüver und die Seven Flags

Selten begründet eine einzelne Familie eine ganze Weinbauregion. Den aus Deutschland 1857 eingewanderten Clüvers ist es in Südafrika gelungen: Elgin steht heute weltweit für elegante Cool Climate Weine vom Kap der Guten Hoffnung. Im Juni konnte ich sie bei einem Lunch mit Paul Clüver kennenlernen, insbesondere dessen Premium-Linie Seven Flags.

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Paul Clüver vom gleichnamigen Weingut in Südafrika

Eigentlich ist es erstaunlich, wie lange die Weinbranche schon den Begriff Cool Climate kennnt. Oregon bereits in den 1960er-Jahren, Marlborough ab 1973. In Südafrika begann die Suche nach alternativen Standorten mit Tim Hamilton Russell in der Walker Bay 1976. Die Erfolge dieser Pioniere sorgten für viel Aufmerksamkeit. Auch bei Nederburg, einem der führenden Weingüter Südafrikas. Bei der Suche nach geeigneten Möglichkeiten stießen sie auf die „De Rust“-Farm in Elgin. Das gut 2.500 Hektar große Anwesen hatte die Familie Clüver 1896 gekauft und, nach ersten Pflanzungen von Apfelbäumen 1948, in einen bedeutenden Obsterzeuger verwandelt. Tatsächlich gab es hier auch Weinreben, die aber keine kommerzielle Bedeutung hatten. Mitte der Achtzigerjahre jedenfalls trat ein Team von Nederburg an Clüver heran und schlugen ihm ein Joint Venture vor: Clüver sollte das Land und die Bewirtschaftung zur Verfügung stellen; Nederburg würde das Pflanzmaterial und das Fachwissen im Weinbau liefern und die Abnahme der Ernte garantieren.

Cool Climate Burgunder

1987 wurden nach Bodenanalysen die ersten Reben gepflanzt, 1990 der erste Jahrgang produziert. Nachdem sich die Geschäftspartner trennten, baute der renommierte Neurochirurg Clüver einen eigenen Weinkeller und produzierte 1997 seinen ersten eigenständigen Wein. Seit diesem Jahr werden diese verantwortet von Andries Burger, der von Nederburg gekommen war und auch auf Château Margaux gearbeitet hatte – mittlerweile ist er der Schwiegersohn von Paul Clüver sen. Wie so häufig, war zunächst an die Produktion einer Bordeaux-Blends gedacht worden. Doch die Bedingungen von Elgin mit seinen hoch gelegenen Lagen und dem kühlen Klima, das vom antarktischen Benguela-Meeresstrom bestimmt wird, legten den Anbau von Burgundersorten nahe. Deswegen bestimmen Pinot Noir und Chardonnay neben Sauvignon das Portfolio. Sowie etwas Riesling, der das Weingut Paul Clüver zum größten Riesling-Produzenten Afrikas macht.

Selbst wenn die Bodenverhältnisse mit dem Burgund nicht vergleichen werden können – dort im Wesentlichen Kalk, hier uraltes, wenig nährstoffreiches Sedimentgestein – wurden in Elgin bereits Ende der Achtzigerjahre französische Klone gepflanzt und die Weine in kleinen Fässern aus dem Burgund ausgebaut. Anders als die französische Vorbildregion ist man in Elgin übrigens nur wenig vom Klimawandel betroffen. So erhöhte sich die Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren kaum und übersteigt fast nie die 30 Grad. Allerdings haben der Wind und die Regenfälle zugenommen, was den lokalen Apfelanbau vor Probleme stellt. Heute wird das Weingut Paul Clüver von Paul Clüver jun. geleitet und fußt auf drei Reihen: der (nicht nach Deutschland exportierten) einfachen „Village“-Reihe. Der klassischen Estate-Linie. Sowie der Premium-Serie Seven Flags. Die für die Auktionen der Cape Winemakers Guild vorgesehenen sehr limitierten The Wagon Trail Chardonnay und Auction Selection Pinot Noir sind ebenfalls hierzulande nicht erhältlich.

Die Verkostung

Die Verkostung begann mit einem Estate Sauvignon 2022, der drei Monate auf der Hefe vergoren wurde. Vom Charakter her soll der Wein zwischen Sancerre und Bordeaux angesiedelt sein. Tatsächlich enthält er auch ein wenig Sémillon, was seiner Textur zugutekommt. Die Primärfrucht, die ihm einen unverkennbaren Neue-Welt-Touch verleiht, dominiert freilich (87 P.) Es folgt ein Estate Chardonnay von 2019, der sich erstaunlich jung präsentiert. Ein wuchtiger Wein, in dem expressive Pfirsich-Frucht und markante Barrique-Noten um die Vorherrschaft kämpfen. Dem aber auch eine gute Säure und spürbare Salzigkeit etwas Tiefe verleihen (90 P.).

Der frisch abgefüllte Chardonnay Seven Flags 2021 ist deutlich zurückhaltender und europäischer angelegt. Der noch sehr junge Wein ist vielschichtig und konzentriert, weniger vom cremigen als straffen Typ und verspricht eine gute Alterung (92 P.) Mit dem Chardonnay Seven Flags 2014 hat Paul Clüver den Jungfernjahrgang mit nach Berlin gebracht. Er ist zugleich eine Ikone des jüngeren südafrikanischen Weinbaus. Mit 95 Punkten wurde kein anderer Wein seines Weinguts in Robert Parkers „Wine Advocate“ höher bewertet. Vielleicht hätte der Wein mehr Luft benötigt, aber in Berlin präsentierte er sich nicht optimal. Im Prinzip zwar gut gealtert, aber mit einer etwas gemüsigem Bouquet und leicht trocknenden Tanninen (91P.?)

Über den Pinot Noir Estate 2021 kann Vergleichbares gesagt werden wie über seinen Gegenpart als Chardonnay. Auch hier gibt es auf der einen Seite eine sehr expressive Frucht. Der steht in diesem Fall ein machtvolles Tanningerüst gegenüber. Für Drama-Liebhaber, weniger für Balance-Trinker (89 P.) Das ändert sich dann völlig bei den beiden Pinot Noirs Seven Flags. Schon beim 2018er: viel zivilisierter, klassischer, mit der wunderbaren Transparenz eines feinen Pinot Noirs (91 P.) Und erst recht beim 2009er, der vierte Jahrgang Seven Flags, der mit nur ganz leichten Ziegelreflexen zeigt, wie fein er gealtert ist. Ein eleganter, fast ätherischer Wein – und ein hervorragendes Plädoyer für einen Cool-Climate-Wein aus Südafrika (93. P.). * Die Darstellung der Frühzeit des Weinguts verdanke ich in Teilen dem Artikel „How a decades-old conversation put Elgin on the map“ von Michael Fridjhon in der südafrikanischen „Sunday Times“ vom 21. Juli 2021 nach Gesprächen mit Paul Clüver sen.

Quellen

* Die Darstellung der Frühzeit des Weinguts verdanke ich in Teilen dem Artikel „How a decades-old conversation put Elgin on the map“ von Michael Fridjhon in der südafrikanischen „Sunday Times“ vom 21. Juli 2021 nach Gesprächen mit Paul Clüver sen.

Bildrechte

(c) der Fotos: Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

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