Domaine Tariquet: Armagnac neu gedacht

Die Gascogne ist Heimat von D’Artagnan, unzähligen Gänsen und des Armagnacs, Frankreichs ältester Spirituose. Wie sein jüngerer Bruder, der Cognac, hat er schon bessere Tage gesehen. Doch die Renaissance der Cocktail-Kultur und die Wiederentdeckung regionaler Produkte hat zu einer kreativen Blüte bei den Erzeugern geführt. Bei der Domaine Tariquet holt man sich die Inspiration aus der Vergangenheit.

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Die moderne Geschichte von Tariquet beginnt 1912, als Vater und Sohn Artaud das Gut kauften, auf dem schon seit 1683 Armagnac gebrannt wurde. Die stammten aus einer Familie von Bärenbändigern aus den Pyrenäen und hatten in den USA ihr Glück gemacht, bevor sie das Heimweh wieder in die Gascogne führte. Die Weinberge waren freilich durch die Reblaus fast vollständig verwüstet, so lebten die Eigentümer vor allem von Getreideanbau und Rinderzucht. Das sollte sich erst in der nächsten Generation ändern. Helène Artaud und ihr Ehemann Pierre Grassa bauten das kleine Schloss aus dem 16. Jahrhundert wieder auf und verkauften ihre Brände fassweise an Négociants. 1972 übernahmen die beiden Kinder, Maitié und Yves.

Rettung durch Weißwein

Der moderne Eingangsbereich

Yves beschloss zunächst, den Armagnac selbst abzufüllen. Ab 1982 wurde zudem ein Teil der Ernte nicht destilliert, sondern als Weißwein ausgebaut, um die Armagnac-Produktion gegenzufinanzieren. Eine Revolution, denn in dieser Region wurde Wein ansonsten lediglich zur Eigenerzeugung produziert. Mithilfe des Önologen Denis Dubourdieu, aber auch inspiriert durch ein Weinbaustudium in der Neuen Welt, hielten strikte Hygiene und kühle, temperaturkontrollierte Gärung Einzug in den Keller. In den Weinbergen kamen zu den traditionellen Sorten Klassiker wie Sauvignon, Chardonnay oder Chenin Blanc hinzu. Der Erfolg war durchschlagend, sowohl in Frankreich wie in den Exportmärkten. 1987 wählte die International Wine Challenge Yves Grassa zum Winzer des Jahres. Mit heute 1.300 Hektar Rebland (1.125 aktuell bestockt) stieg die Familie zum größten privaten Weinproduzenten in Frankreich auf.

Weißweinproduktion bei Tariquet

Doch Yves Grassa träumte noch andere Träume. 2007 verließ er die Familie, um als Großbauer in Rumänien neu anzufangen. „Eine kleine Eiche kann nicht im Schatten einer großen Eiche wachsen“, gab er seinen beiden Söhnen Armin und Rémy mit auf den Weg. Die beiden (deren Mutter übrigens aus Berlin stammt) waren erst Mitte Zwanzig und hatten gerade erste Berufserfahrung gesammelt – nun mussten sie gemeinsam mit ihrer Tante Maitié eines der größten Weingüter Europas leiten. Beide bissen sich durch, erweiterten den Weinbergbesitz, bauten eine neue Kellerei und diversifizierten das Portfolio. Mit großem Einsatz setzen sie sich für naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden ein (Zertifikate HVE und RSE).

Die Seele der Gascogne

Das Armagnac-Geschäft macht heute bei Tariquet nur noch 10 Prozent aus. Gegen die etwa 9 Millionen verkauften Weinflaschen nehmen sich die 140.000 Flaschen Armagnac bescheiden aus. Aber Armagnac, so sagt man, ist die Seele der Gascogne. Vielleicht bildet er deswegen noch immer das Herzstück der Produktion bei Tariquet. Immerhin haben sich die Zeiten beim Armagnac ziemlich verändert.

Drei Ursprünge, heißt es, habe die Spirituose: die Weinbaukunst der Römer, die Fassbautechnik der Gallier und das Destillations-Know-how der Mauren. Von 1310 ist die erste Erwähnung von Armagnac verbürgt. Die Holländer forcierten die Armagnac-Produktion, weil Branntwein einfacher zu transportieren war und auf Fernreisen nicht oxidierte. Das war auch der Grund, warum das Getränk durch Krisen und Kriege hindurch immer beliebter wurde, 1893, kurz vor dem Auftreten von Phylloxera, sind 100.00 Hektar für Armagnac bestockt. Zur anschließenden Krise kommt nach dem Zweiten Weltkrieg die Liebe zum Whisk(e)y, die die Franzosen von ihren Nationalbränden Armagnac und Cognac entfremdet. Heute sind nur noch 1.725 Hektar Fläche für die Armagnac-Produktion übriggeblieben.

Die Einzigartigkeit des Armagnacs

Alambic Armagnaçaise

Dabei zeichnet sich der Brand aus der Gascogne durch einige unverwechselbare Eigenschaften aus. Im 19. Jahrhundert wurde die Destillationsmethode perfektioniert: ein einstufiger, kontinuierlicher Brennvorgang in den Alambics Armagnaçaises genannten Brennsäulen – im Gegensatz zum zweistufigen Vorgang in Brennblasen beim Cognac. Diese Technik, die intensivere Brände erzeugt, prägt die Stilistik des Armagnacs wie der Gebrauch von neuem Holz zu Beginn des Ausbaus. Früher verwendete man hierzu Steineichen der Gascogne, heute zumeist Eichenhölzer aus Alliers oder dem Limousin. Die Landschaft der alte Grafschaft Armagnac wird zudem zumeist durch sandige Böden bei heißem Klima geprägt – im Gegensatz zu den Kalkböden und dem milden Klima in Cognac. Erstere Bedingungen ergeben eher fruchtige, Letztere eher strukturierte Brände.

Weinberg der Domaine Tariquet

Auch bei den verwendeten Rebsorten gibt es Besonderheiten: Die Ugni Blanche dominiert hier nicht so sehr wie in der Charente. Gut 20 Prozent der Fläche macht die 1898 geschaffene Hybridrebe Baco aus (die einzige, die in einer französischen AOC verwendet werden darf). Sie verleiht dem Brand eine besondere Weichheit und Würze. Dazu kommen Colombard und Folle Blanche. Zudem wird Armagnac von im Durchschnitt wesentlich kleineren Erzeugern produziert als Cognac und stellt dessen Produktionsmenge nur ein Bruchteil dar. Durch sein Produktionsverfahren erreicht Armagnac, wie der Buchautor Charles Neal schreibt, seinen Höhepunkt bereits nach 18 bis 30 Jahren, während Cognac erst nach 40 bis 50 Jahren seinen Sweet Spot hat.

Die Renaissance

Dieses Wissen um die eigenen Stärken im Kopf und das Kaufverhalten der jungen Generation vor Augen, die sich nach dem Beginn der Cocktail-Welle und der anschließenden Nachfrage nach regional verwurzelten Bränden wieder verstärkt dem Armagnac zuwandten, haben die Brüder Grassa 2016 in zwei neue Alambics investiert und das Portfolio differenziert. Neben dem klassischen Programm aus VS, VSOP, XO und Hors d’Ages stehen besonders rebsortenreine Abfüllungen im Fokus, teilweise von Rebsorten, die vor der Reblausplage populär waren, etwa aus Folle Blanche oder der heute sehr seltenen Plant de Graisse.

Armin Grassa

Anders als bei der Konkurrenz stellt Tariquet nur in den besten Jahren Vintage-Armagnacs her. „Wir als Domaine wollen nicht Trauben zukaufen, weil wir die völlige Kontrolle über die Produktion besitzen möchten. Nur wenige Jahrgänge erachten wir als so perfekt, dass wir sie als Jahrgang abfüllen. Négociants kaufen dagegen einfach Trauben aus anderen Gebieten der Appellation hinzu. Alkoholproduktion ist für uns die Kunst, ein perfektes Gleichgewicht in der Assemblage zu finden“, kommentiert Armin Grassa. Dem entspricht als Einstieg der weiße Blanche Armagnac aus 100 Prozent Folle Blance ebenso wie der neue Prestige-Blend Montreuers d’Our (zu Deutsch: Bärenbändiger), mit dem das Haus sich an seine Wurzeln erinnert.

Bilder

© Stefan Pegatzky / Time Tunnel Images

Eine erweiterte Fassung dieses Artikels mit Wirtschaftsdaten zur aktuellen Armagnac-Produktion erschien in WEIN+MARKT 6/2023.

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