Champagne Bollingers Zweihundertjahrfeier

1829, das Jahr der Gründung des Hauses, ziert die Halskrause jedes Bollinger-Champagners. Nun hat die Maison aus Aÿ die Pläne für ihren 200. Geburtstag vorgestellt – sieben Jahre vor dem eigentlichen Jubiläum. Warum das so ist, zeigt ein Überblick über die ehrgeizigen Projekte.

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Charles-Armand de Belenet

Luxus definiert sich heute nicht mehr durch Verschwendung und Überfluss. Sondern durch Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Seit die Vereinten Nationen 2016 die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung ausgaben, richten sich nicht nur Regierungen in aller Welt nach ihnen, sondern auch Unternehmen und Konzerne. Als Bollinger-Geschäftsführer Charles-Armand de Belenet im September mit den sogenannten „8 Verpflichtungen“ das künftige „Entwicklungsmodell“ des Hauses für die nächsten 200 Jahre Firmengeschichte vorstellte, standen diese sämtlich ebenfalls unter der Überschrift „Nachhaltigkeit“. Dabei stehen die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks, die Erhöhung der Biodiversität und die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft ebenso auf der Agenda wie die Eröffnung einer betriebsinternen „Bollinger School of Savoir-faire“.

Bollinger Markierungsstein

Zugleich möchte die Maison ihre Produktphilosophie fokussieren.  Für Bollinger heißt das zum einen, seinen selbst proklamierten Anspruch als führender Pinot-Noir-Produzent der Champagne zu unterstreichen. Und zum anderen den Terroir-Ansatz in seine DNA zu integrieren. Um das zu verdeutlichen, gab es an diesem Tag gleich drei Ausflüge in die Weinberge, jeweils einer für einen Champagner. Als neu zusammengefasste Serie bildet dieses Trio von reinsortigen Pinot-Noir-Champagnern nun einen „Eckstein“ im Angebot von Champagne Bollinger. Es beginnt bei den „Villages“, das heißt mit der vor drei Jahren eingeführten PN-Serie (mit dem aktuellen TX − für Tauxières − 2017). Und geht dann über die „Plots“ mit dem neu gelaunchten La Côte Aux Enfants 2012 bis zum „Clos“, also dem legendären Vieilles Vignes Françaises.

Eine Exkursion zu drei Lagen

Fierfort Berangère in der Parzelle Les Jolis
Fierfort Berangère in der Parzelle Les Jolis

Entsprechend führte die erste Exkursion nach Tauxières. Dort erläuterten Weinbergsmanager Gaël Vuille und Fierfort Berangère aus der Abteilung Forschung und Entwicklung die geologischen Unterschiede zweier Parzellen. So findet sich im Plot Les Jolis ein flachgründiger Boden mit sehr gipshaltigem Untergrund. Wogegen im Plot Vigneulles tiefere, lehmhaltige Böden mit etwas Feuerstein dominieren. Entsprechend zeichnen sich die Weine selbst innerhalb eines Ortes durch eine große Bandbreite aus. Ein Umstand, den man bei der Assemblage der unterschiedlichen Grundweine immer berücksichtigen müsse.

Der Weinberg La Côte aux enfants in Aÿ
Der Weinberg La Côte aux enfants in Aÿ

Von da ging es zur ikonischen Parzelle des Hauses nach Aÿ: La Côte aux enfants. In dieser Steillage hatte in den Dreißigerjahren Jacques Bollinger 100 Einzelplots zusammengekauft und eine zusammenhängende, 4 Hektar große Monopollage geschaffen. Bepflanzt vorwiegend mit dem auf Bollinger kultivierten Klon „Pinot Moret“, wurde aus den südlichen Parzellen (insbesondere Côte Sud) seit Ende der Achtzigerjahre ein Aÿ rouge produziert, also ein roter Stillwein. Die Trauben aus den nördlichen Parzellen wie Côte Nord flossen dagegen in Champagner-Cuvées wie La Grande Année. Mit dem Premierenjahrgang 2012 wurde nun auch ein Einzellagen-Champagner aus diesen nördlichen Parzellen vorgestellt.

Weinbergsmanager Gaël Vuille
Weinbergsmanager Gaël Vuille

Die Steigerung konnten nur noch die Vieilles Vignes Françaises sein. Im Clos Saint Jacques, einer der beiden winzigen ummauerten Weingärten, sahen wir uns sogenannte wurzelechte Spätburgunderreben an, die nach dem uralten „en foules“-System erzogen werden. Seit der Reblauskrise Ende des 19. Jahrhunderts waren in nahezu allen Weinbergen Europas amerikanische Unterlagsreben eingeführt worden, um den Weinbau in Europa zu retten. Hier in Aÿ, in unmittelbarer Nähe zum Hauptquartier von Champagne Bollinger, hatten, durch Mauern geschützt, zwei Parzellen mit alten Reben überlebt. Vor gut einem halben Jahrhundert hatte der britische Autor Cyril Ray der damaligen Präsidentin Lily Bollinger vorgeschlagen, die Trauben von hier separat auszubauen. Dies war die Geburt des Vieilles Vignes Françaises mit dem Jahrgang 1969. Extrem rar und extrem teuer ist er bis heute eine der legendärsten Cuvées der Champagne.

Die Pinot-Noir-Meisterklasse

Dem Pinot Noir widmete sich dann auch die anschließende Meisterklasse vom stellvertretenden Kellermeister Denis Bunner. Als Auftakt zeigten zwei Vins Clairs des Jahrgangs 2021 aus den beiden Parzellen von Tauxières Les Jolis und Les Vigneulles deutlich die Unterschiede ihrer Herkunft. Eleganter, spannungsvoller und mit mehr Potenzial ausgestattet das Muster aus dem kreidehaltigeren Boden. Fruchtiger und direkter das Muster aus den tiefgründigeren Böden. Die anschließende Verkostung des PN TX 17 zeigte deutliche Himbeer- und Cassisnoten. Dazu florale Töne und etwas Gebäck, eine recht weiche Säure und eine mittlere Länge und Komplexität (93 Punkte).

Entsprechend der Bezeichnung PN TX 17 ist der Champagner zwar ein reinsortiger Pinot Noir. Aber er ist weder ein Single-Cru aus Tauxières noch ein Jahrgangschampagner. So enthält der Blend auch Grundweine aus Verzenay sowie Reserven verschiedener Jahrgänge, darunter in Magnums gelagerte Weine aus 2009 und 2006. Tatsächlich darf man den Terroir-Ansatz nicht einfach mit dem Abfüllen von Einzellagen-Champagnern verwechseln. Vielmehr bedeutet er etwa bei Bollinger, die eigenen unterschiedlichen Terroirs genau zu kennen. Exakte Bodenkartierungen erlauben etwa viel präzisere Assemblagen als in der Vergangenheit.

Der La Côte Aux Enfants 2012 überwältigte dann durch Fülle, Vielschichtigkeit und ein perfektes Mundgefühl (96 Punkte). Leider wurden von dieser Cuvée gerade einmal 1.000 Flaschen gefüllt, von denen gerade einmal 30 nach Deutschland gehen. Freilich wird auch ein UVP von 1.090 Euro dafür sorgen, dass er ein Champagner für „the happy few“ sein wird. Es folgte ein Vieilles Vignes Françaises aus dem spätreifen Jahr 2013. Mit seinem wunderschönen Säurebogen balancierte er die Kraft des Pinot Noirs raffiniert aus. Schiere Eleganz (97 Punkte)! Der beim anschließenden Lunch präsentierte Vintage 1947 zeigte bei einer ersten Flasche keine wahrnehmbare, bei einer zweiten eine ganz zarte Mousse. Beide aber waren lebendig bei stabiler Textur. Die erste Flasche erinnerte bei dominierenden oxidativen Tertiäraromen etwas an Naturwein. Bei der zweiten hatten sich leider einige Fehltöne eingeschlichen (ohne Wertung).

Bollinger 2029

Am Ende des Menüs präsentierte Charles-Armand de Belenet dann schließlich die ehrgeizigen Pläne für den Umbau des historischen Anwesens der Maison in Aÿ. Diese größte Einzelinvestition in der Geschichte des Hauses führt die unterschiedlichen Teile der Maison zusammen. Erweitert um ein Weinhotel mit Spa und Restaurant, sollen zudem „neue exklusive Erfahrungen für Weinliebhaber“ geschaffen werden. Dieses Mantra, das seit einiger Zeit immer öfter zu hören ist, richtet sich offensichtlich vornehmlich an Ultra-Premium-Reisende aus den USA und Asien.

Es ist zu hoffen, dass Bollinger, immerhin noch in Familienbesitz, sich auch bei diesem Projekt an seine Herkunft erinnert und Aÿ nicht in ein Disneyland für Erwachsene verwandelt, wie es in weiten Teilen des Napa-Valleys bereits geschehen ist. Architektonisch faszinierend ist auf jeden Fall die Idee, den Fassweinkeller zu vergrößern und ihn mit transparenten Wänden zu den Weinbergen hin zu öffnen. Im Mai 2026 soll jedenfalls alles fertig sein. Rechnen wir einen realistischen Puffer mit ein, so wird sich die Maison 2029 selbst das schönste Geburtstagsgeschenk machen können.

© der Bilder: Stefan Pegatzky / Time Tunnel images

© des Modells und des Architekturentwurfs: Champagne Bollinger

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